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Der alte Traum vom "Goldenen Bengalen"

Zeichen für Neuanfang in Bangladesch

Von Hilmar König, Delhi *

Bangladesch, das seit Mitte der Woche wieder eine gewählte Regierung unter Premierministerin Sheikh Hasina Wajed hat, wird am 25. Januar einen neuen Staatspräsidenten, einen Parlamentspräsidenten und dessen Stellvertreter küren.

Die eigentlich fünf Jahre währende Amtszeit von Präsident Iajuddin Ahmed ist seit rund 24 Monaten beendet. Sie wurde »automatisch« um zwei Jahre verlängert, nachdem im Januar 2007 eine vom Militär unterstützte Notstandsregierung unter »Chefberater« Fakh-ruddin Ahmed an die Macht gekommen war. Nach den Parlamentswahlen am 29. Dezember 2008, bei denen sich ein von der Awami-Liga (AL) geführtes Bündnis aus 15 Parteien klar gegen die Nationalpartei (BNP) und deren Verbündete durchsetzte, gibt es jetzt wieder eine legitime Volksvertretung. Sie trifft sich am 25. Januar zu ihrer ersten Sitzung und wählt das neue Staatsoberhaupt, das gemäß Verfassung auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Die AL nominierte ihren Parteiveteran Zillur Rahman für dieses Amt. Angesichts des Kräfteverhältnisses im Parlament (262 zu 32) scheint dessen Wahl nur noch Formsache zu sein.

Premierministerin Wajed, zugleich Vorsitzende der AL, stellte am Mittwoch in Dhaka ihre Ministerriege vor und sorgte damit für gehöriges Aufsehen. Sie verzichtete auf die meisten alten »Schlachtrösser« ihrer ersten Regierung (1996-2001), darunter etliche einflussreiche Politiker, und holte dafür 25 Neulinge ins Kabinett. Dazu zählen vier Frauen.

Erstmals in der Geschichte des seit 38 Jahren unabhängigen Landes wird eine Frau Außenministerin: Dipu Moni ist zugleich die Leibärztin der Regierungschefin. Auch das Innenministerium und das Agrarministerium werden von Frauen geleitet. Sheikh Hasina Wajed selbst steht den Ministerien für Verteidigung, Energie, Frauen, Arbeit und Religion vor. Sie entsprach damit dem Wählerwillen: 64 weibliche Abgeordnete, eine Rekordzahl, sitzen im Jatiya Sangsad, dem Parlament. Von den 81 Millionen Wählern waren 41 Millionen Frauen.

Die von der Premierministerin gesetzten Zeichen künden zumindest vom Willen zum Neuanfang. Sie strebt eine Zusammenarbeit mit allen Fraktionen an, auch mit der Opposition. Sie sagte: »Wir wollen destruktive Politik vermeiden und der Nation eine neue politische Kultur präsentieren.« In der Vergangenheit bevorzugten Oppositionsparteien Boykotte und permanente Protestaktionen, die oft in blutige Gewalt ausarteten. Ihre Minister wies Frau Wajed an, keinen Tag der Amtszeit zu vergeuden und sich energisch für die Entwicklung des armen Landes einzusetzen. Ins Gästebuch des Nationalen Mausoleums schrieb sie, ihre Regierung wolle den Traum ihres Vaters, des Staatsgründers Sheikh Mujibur Rahman, von einem »goldenen Bengalen« verwirklichen und »hunderttausenden geknechteten Menschen« endlich Grund zum Lächeln geben. Die Armut nannte sie den Hauptfeind. Die Sicherheitsagenturen vergatterte sie, unter allen Umständen für innere Sicherheit und Frieden zu sorgen. Innenministerin Shahara Khatun sekundierte, man müsse an die Wurzeln von Korruption, Terrorismus und Erpressung gehen, um diese Übel auszumerzen.

In den Nachbarländern nahm man mit Interesse auf, dass Außenministerin Dipu Moni ankündigte, Dhaka wolle die Initiative für die Bildung einer regionalen Arbeitsgruppe zum Terrorismus ergreifen, da »Terrorismus eine Angelegenheit von weltweiter Besorgnis« sei. Zugleich forderte sie Maßnahmen zugunsten von Frieden und Stabilität in Südasien. Die israelische Militärwalze gegen die Palästinenser kommentierte sie mit der Bemerkung: »Das Töten in Gaza kann unter keinen Umständen gut geheißen werden. Wir wollen einen sofortigen Stopp des Krieges und eine friedliche Lösung.«

* Aus: Neues Deutschland, 10. Januar 2009


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