"Minus-Zwei-Strategie" in Bangladesch
Übergangsregierung trotz Festnahme von Ex-Regierungschefin zunehmend unter Druck
Von Christoph Nepram, Delhi *
Bangladeschs Übergangsregierung zeigt Härte. Nachdem im Juli bereits Ex-Premierministerin
Sheikh Hasina angeklagt wurde, haben Sicherheitskräfte nun ihre Rivalin Khaleda Zia
festgenommen.
Die beiden einst mächtigsten Frauen Bangladeschs sitzen im Gefängnis. Anfang der Woche hat die
vom Militär gestützte Übergangsregierung die frühere Ministerpräsidentin Khaleda Zia (62)
festnehmen lassen. Bereits Mitte Juli war ihre langjährige Gegenspielerin, Ex-Premierministerin
Sheikh Hasina (59), in Untersuchungshaft genommen worden. Beiden Politikerinnen werden unter
anderem Korruption und Machtmissbrauch vorgeworfen.
Khaleda Zia und ihre Nationalpartei BNP führten die Regierungsgeschäfte in dem südasiatischen
Land von 1991 bis 1996 sowie von 2001 bis 2006. Sheikh Hasina und die Awami-Liga waren von
1996 bis 2001 an der Macht. Die Rivalität der Politikerinnen war in den vergangenen Jahren zu einer
erbitterten Gegnerschaft geworden, die das Land tief gespalten und jeden Fortschritt verhindert hat.
Trotz massiver internationaler Hilfe gehört Bangladesch noch immer zu den ärmsten Ländern der
Erde; fast die Hälfte der 152 Millionen Einwohner lebt unterhalb des Existenzminimums.
Wenige Monate vor den für Januar geplanten Parlamentswahlen war die Lage eskaliert. Nach
gewaltsamen Unruhen mit Toten und Verletzten hatte im Oktober 2006 zunächst Staatspräsident
Iajuddin Ahmed die Regierungsgeschäfte von Zias BNP übernommen – offiziell, um eine freie und
faire Abstimmung zu garantieren. Die oppositionelle Awami-Liga warf ihm jedoch vor, Khaleda Zia
»schamlos« zu bevorzugen, und rief zum Wahlboykott auf. Wochenlange Proteste folgten. Das Land
drohte endgültig ins Chaos zu stürzen.
Mitte Januar schließlich zog Iajuddin Ahmed die Reißleine. Er verhängte den Ausnahmezustand,
verschob die Wahlen auf unbestimmte Zeit und legte sein Amt nieder. Als neuer Chef der
Übergangsregierung wurde der frühere Zentralbankchef Fakhruddin Ahmed vereidigt, dessen
Technokraten-Kabinett auch den Rückhalt des Militärs genießt.
Nach Übernahme der Amtsgeschäfte kündigte der mit den Vollmachten eines Premiers
ausgestattete Fahruddin Ahmed eine massive Kampagne gegen Korruption und Misswirtschaft an.
Fast 200 Spitzenpolitiker von BNP, Awami-Liga und anderen Parteien wurden bislang verhaftet.
Gleichzeitig hielt die Übergangsregierung den Ausnahmezustand aufrecht. Demokratische Rechte
und Pressefreiheit wurden weiter eingeschränkt.
Mit der Festnahme Khaleda Zias sind die neuen Machthaber nun Spekulationen entgegengetreten,
sie planten einen politischen Kuhhandel mit der früheren Premierministerin. Kritiker hatten bereits
lautstark moniert, dass die Ermittlungsbehörden Zia anders als Sheikh Hasina bislang geschont
hatten. Ende August entlud sich der Unmut erstmals in Massenprotesten in der Hauptstadt Dhaka.
Mit ihrer neuen »Minus-Zwei-Strategie« konnte sich die Übergangsregierung nun wieder etwas Luft
verschaffen. Im Klartext heißt das: Im neuen Bangladesch sollen die einst mächtigsten Politikerinnen
keine Rolle mehr spielen. Zudem müssen BNP und Awami-Liga ohne ihre charismatischen
Führerinnen innerparteiliche Reformen einleiten.
Wie allerdings Bangladeschs Zukunft konkret aussehen soll, ist auch mehr als acht Monaten nach
der Machtübernahme Fakhruddin Ahmeds unklar. Zwar hat er angekündigt, die verschobenen
Wahlen spätestens Ende 2008 abzuhalten. Doch bis dahin ist noch viel Zeit. Zudem haben sich die
Parteien in der Öffentlichkeit noch immer nicht politisch betätigt. Beides stößt zunehmend auf Kritik.
Nach Ansicht von Beobachtern wäre die Übergangsregierung daher gut beraten, möglichst bald
demokratische Reformen einzuleiten, die den Namen auch verdienen.
* Aus: Neues Deutschland, 6. September 2007
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