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Blutiges Machtgerangel

Bangladeschs Regierung im Kampf gegen Extremismus und Korruption

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Am Wochende wurden 22 verdächtige Islamisten, die sich in einem Haus in Dhaka versammelt und damit gegen das Notstandsrecht in Bangladesch verstoßen hatten, festgenommen. Die Polizei überraschte sie bei einer Vorführung von Videos über den Krieg der USA gegen Irak. Am Samstag ordnete die Interimsregierung verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an, weil sie Vergeltungsschläge für die Hinrichtung von sechs religiösen Extremisten am Freitag befürchtete. Die festgenommenen 22 Verdächtigen sind angeblich Mitglieder der Organisation Hizbut Tahrir. Deren Ziel ist es, mit friedlichen Mitteln ein »globales islamisches Reich« zu schaffen. In einigen Ländern ist Hizbut Tahrir verboten und als »terroristisch« registriert. In Bangladesch war sie jedoch bislang legal.

Die Vollstreckung der Todesurteile kam keineswegs überraschend, denn die von dem Technokraten Fakhruddin Ahmed geleitete und vom Militär unterstützte Interimsregierung will für Ordnung im Haus Bangladesch sorgen. Seit dem 12. Januar im Amt, hat Ahmed mit zwei parallel laufenden Kampagnen extremistischer Gewalt sowie verbreiteter Korruption den Kampf angesagt. Die Verurteilten waren des Mordes an zwei Richtern im Jahre 2005 überführt und für eine Serie von Bombenanschlägen im August desselben Jahres verantwortlich gemacht worden. In nahezu allen Distrikten Bangladeschs hatten sie insgesamt fast 500 Sprengsätze zünden lassen. Bei den Anschlägen kamen 28 Menschen ums Leben. Danach wurden rund 2000 Mitglieder der illegalen Jamaat-ul-Mujahedin Bangladesh (JMB), die rund 100000 Freiwillige rekrutiert haben soll, inhaftiert und 30 Todesurteile verhängt.

Die gesamte JMB-Spitze befindet sich unter den sechs am Freitag Hingerichteten. Die Organisation kämpft für einen strikt islamischen Staat und hat Regierung, politische Parteien, Beamte, Juristen und Journalisten mit Gewalt gedroht, wenn in Bangladesch islamische Herrschaft weiterhin verhindert wird. Mehr als zwei Dutzend Gruppen streben danach, Bangladesch mit Waffengewalt in einen islamischen Staat umzuwandeln. Unter der bis zum Oktober 2006 regierenden Koalition, die von der Bangladesh Nationalist Party (BNP) unter Ministerpräsidentin Khaleda Zia dominiert wurde, konnten sich die religiös-militanten Gruppen relativ sicher fühlen. Zwei Koalitionspartner waren eindeutig islamisch ausgerichtet.

Regierungschef Fakhruddin Ahmed sieht in der im Februar initiierten Antikorruptionskampagne, in deren Verlauf bislang über 160 Politiker festgenommen wurden, eine wichtige Voraussetzung für transparente, freie und faire Parlamentswahlen. Diese waren ursprünglich für den 22. Januar vorgesehen, mußten aber angesichts chaotischer politischer Verhältnisse auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Krise war durch blutiges Machtgerangel zwischen den beiden Hauptparteien – BNP und Awami Liga – ausgelöst worden. Bis Juli soll nun die Registrierung aller politischen Parteien vorgenommen werden, die an dem Votum teilnehmen wollen. Ebenso wichtig ist das Erfassen der etwa 90 Millionen Wahlberechtigten in einem neuen nationalen Wählerregister.

* Aus: junge Welt, 3. April 2007


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