Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tödliche Markenmode

Mindestens 112 Tote bei Großbrand in einer Textilfabrik in Bangladesch. Unternehmen arbeitete auch für C&A. Kampagne kritisiert mangelnde Sicherheitsvorkehrungen

Von André Scheer *

Ein Großbrand in einer Textilfabrik in Bangladesch hat in der Nacht zum Sonntag mindestens 112 Menschen das Leben gekostet. Das Feuer war am Samstag abend im Erdgeschoß des neunstöckigen Gebäudes im Industrieviertel Ashulia am Rande der Hauptstadt Dhaka ausgebrochen. Ein Sprecher des betroffenen Unternehmens Tazreen Fashion Ltd. erklärte gegenüber Medienvertretern, der Betrieb habe den Sicherheitsstandards der Europäischen Union entsprochen. So habe es vier alternative Treppenaufgänge gegeben, doch die Arbeiter seien in Panik zum Hauptausgang gestürmt. Ein Sprecher der Feuerwehr sagte demgegenüber, diese Fluchtwege hätten alle in das brennende Erdgeschoß geführt. Einen Notausgang an der Außenseite des Gebäudes habe es nicht gegeben. »Wenn es wenigstens einen Rettungsweg außerhalb der Fabrik gegeben hätte, wäre die Zahl der Opfer sehr viel geringer gewesen«, erklärte er der Nachrichtenagentur AP.

Noch während der Löscharbeiten kam es zu Protesten von Angehörigen der Eingeschlossenen, die der Feuerwehr vorwarfen, zu langsam voranzukommen. Die Polizei ging mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die aufgewühlten Menschen vor, während der Kommandeur der Feuerwehr gegenüber dem Bangladescher Nachrichtenportal bdnews24.com Verzögerungen bei der Brandbekämpfung einräumte. Es habe »Wasserknappheit« gegeben, sagte er.

In der Fabrik stellten rund 1000 Arbeiter Kleidung für europäische und asiatische Firmen her, so für das deutsch-belgische Unternehmen C&A. Thorsten Rolfes, Leiter Unternehmenskommunikation von C&A Europa, bestätigte am Sonntag in einer Pressemitteilung, daß Tazreen Fashion 220000 Sweatshirts an C&A liefern sollte. »Unser Mitgefühl gilt den Opfern dieses furchtbaren Unglücks sowie deren Familien und Angehörigen«, so Rolfes.

Demgegenüber macht Ineke Zeldenrust von der international tätigen Kampagne für saubere Kleidung (CCC) die Modeunternehmen für die Tragödie mitverantwortlich. »Diese Marken wußten seit Jahren, daß viele der Fabriken, die sie für ihre Aufträge auswählen, Todesfallen sind. Ihr Versagen, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, hat sich zu verbrecherischer Fahrlässigkeit ausgeweitet.« Gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen in Bangladesch fordert die Kampagne eine unabhängige und transparente Untersuchung sowie eine faire und umfassende Entschädigung für die betroffenen Familien.

In Ashulia arbeiten mehr als eine halbe Million Menschen in Tausenden Textilfabriken, oft unter erbärmlichen Bedingungen. Immer wieder kommt es in solchen Unternehmen zu Tragödien aufgrund fehlender Sicherheitsvorkehrungen. So verbrannten bereits im Dezember 2010 in einer anderen Fabrik in Ashulia 25 Angestellte. Seit 2006 starben der CCC zufolge in Bangladesch mehr als 500 Menschen bei Feuern in Textilfabriken. Erst im September kamen in Pakistan bei einem Großbrand in einer Textilfabrik, die für die deutsche Discountkette KiK produzierte, mehr als 300 Menschen ums Leben.

»Diese Toten hätten vermieden werden können und müssen«, betonte Zeldenrust. Es sei allgemein bekannt, daß die Sicherheit an vielen Arbeitsplätzen nicht gewährleistet ist und daß die Beschäftigten in den wichtigsten Produktionsländern bei der Herstellung von Kleidern für den europäischen und amerikanischen Markt »täglich ihr Leben riskieren«.

* Aus: junge Welt, Montag, 26. November 2012


Dokumentiert: "Kampagne für saubere Kleidung"

Wieder ein entsetzlicher Brand in Textilfabrik in Bangladesch mit über 100 Toten

Seit 2006 starben über 470 Menschen, vor allem Frauen, aufgrund von Bränden in den Textilfabriken Bangladeschs. Wann endlich unternehmen deutsche Einkäufer etwas für einen wirksamen Brandschutz? Während Tchibo und PVH ein bahnbrechendes Brandschutzabkommen mit Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen unterschrieben haben, weigern sich H&M und Gap beharrlich. Damit aber das Abkommen in Kraft tritt, müssen sich mindestens zwei weitere große Einkäufer dazu bereit erklären.

Bisher wurden 112 Tote gezählt und 200 Verletzte sind mit Brandwunden in Kliniken eingeliefert worden. Das Feuer war am Samstag Abend, 24.11.2012, im Erdgeschoss der neunstöckigen Fabrik ausgebrochen und verbreitete sich schnell auf die anderen Stockwerke. Einige Frauen sprangen aus Panik aus den Fenstern in den oberen Geschossen.

Über 1000 Menschen, vor allem Frauen, arbeiten in der Fabrik Tazreen Fashions Limited, die zum Tuba Konzern gehört. Sein Besitzer, Mr. Delwar Hossain, besitzt 7 Fabriken, die für den US-amerikanischen und europäischen Markt produzieren. Neben Walmart, Ikea und Carrefour lassen auch das deutsche Unternehmen KiK und das holländische Unternehmen C&A in den Tuba Fabriken nähen.

Laut Angaben der Regierung von Bangladesch starben in den Jahren 2006-2009 insgesamt 414 NäherInnen in den Flammen von Fabrikbränden. 2010 starben weitere 57 Menschen bei zwei Bränden in den Fabriken „That`s it“ und „Hameem“, 471 Tote gibt es demnach nun schon in Bangladesch zu beklagen.

Am 11. September waren über 300 Menschen in den Flammen einer Fabrik in Pakistan gestorben, bei der KiK der Haupteinkäufer war (siehe hierzu unsere Protestmail an KiK).

Immer wieder gibt es furchtbare Brände in den Fabriken, die aufgrund viel zu geringer Sicherheitsmaßnahmen geschehen. Elektrokabel hängen ungeschützt von der Decke herunter, Notausgänge sind verschlossen oder existieren nicht, Übungen zum Brandschutz finden nicht statt. Es ist dringend notwendig, das Brandrisiko endlich branchenweit zu bekämpfen. Deshalb haben PVH (Eigentümer von Tommy Hilfiger, Calvin Klein) und Tchibo als erste Unternehmen ein Brandschutzabkommen zusammen mit Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen unterzeichnet, aber es fehlen weitere Unternehmen, die bereit sind es zu unterschreiben. H&M und Gap weigern sich (siehe hierzu die Kampagne der CCC: http://www.cleanclothes.org/urgent-actions/gap-appeal). Lidl und Metro wurden von der Kampagne für Saubere Kleidung aufgefordert, ebenfalls zu unterschreiben, eine Antwort steht noch aus.

Quelle: Website der Kampagne für saubere Kleidung, 25.11.2012; www.saubere-kleidung.de




Zurück zur Bangladesch-Seite

Zurück zur Homepage