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Todesfalle Textilfabrik

Bangladesch: Mindestens 85 Tote bei Gebäudeeinsturz in Savar

Von Hilmar König *

Mindestens 85 Menschen sind am Mittwoch in Savar, einem Vorort von Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, ums Leben gekommen, als ein Hochhaus einstürzte, in dem unter anderem Textilfabriken untergebracht waren. Wie das Internetportal »bdnews24« berichtete, wurden mehr als 200 Menschen verletzt. Unter den Trümmern wurden noch viele Opfer vermutet. Dutzende Teams der Feuerwehr, der Polizei und der Armee sowie Hunderte Freiwillige waren im Einsatz und gruben Verletzte und Tote aus.

Gegen 8.30 Uhr Ortszeit war die Rückseite des neunstöckigen Gebäudekomplexes »Rana Plaza« eingestürzt, große Teile sanken in sich zusammen. Bereits am Vortag waren Risse an der Fassade bemerkt und untersucht worden. Experten hatten darauf vor einem möglichen Einsturz gewarnt. Etliche Geschäfte und Werkstätten schlossen daraufhin. Doch am Mittwoch waren viele Beschäftigte wieder an ihren Arbeitsplätzen. Wie ein Verletzter im Enam-Hospital von Savar Reportern berichtete, waren sie von ihren Vorgesetzten gezwungen worden, in die Betriebe zurückzukehren. Dort wurden die Beschäftigten von der Katastrophe überrascht.

Der Geschäftskomplex »Rana Plaza« beherbergte im Parterre und im ersten Stock etwa 300 Läden, die Elektronik, Computer, Kosmetika und Modewaren anbieten. Auch die Filiale einer Bank befand sich dort. In den oberen Geschossen lagen die Werkstätten der Textilunternehmen New Wave Bottoms, Phantom Apparels, Phantom Tack und Ethar Textil Ltd. An normalen Arbeitstagen waren hier mehr als 5000 Beschäftigte tätig. Am Mittwoch fand jedoch einer der in letzter Zeit häufigen Streiks statt, mit denen die Oppositionsparteien gegen die Regierungskoalition von Premierministerin Sheikh Hasina Wajed protestieren. Wegen des Ausstands, der Stunden nach dem Bekanntwerden des Unglücks abgebrochen wurde, blieb unklar, wie stark der »Rana Plaza«-Komplex am Mittwoch frequentiert war.

Die Katastrophe ist ein neuerlicher Beweis für die mangelhaften Sicherheitsstandards in Bangladesch. Aus Profitgründen mißachten die Bauherren oft Vorschriften und Gesetze. Auch der Eigentümer des »Rana Plaza« soll die Warnungen in den Wind geschlagen haben.

Immer wieder gerät vor allem die Textilindustrie des Entwicklungslandes, die als »Billignähstube der Welt« gilt, wegen ihrer riskanten Arbeitsbedingungen, unzureichenden Brandschutz- und Sicherheitsbestimmungen in die Kritik. Erst im November 2012 hatte ein Feuer in der Textilfabrik »Tazreen Fashions« in Dhaka 111 Todesopfer gefordert.

Für die deutsche Linkspartei forderte deren Bundestagsabgeordneter Niema Movassat deshalb gesetzliche Richtlinien für deutsche Unternehmen, die im Ausland tätig sind: »Es muß endlich dafür gesorgt werden, daß deutsche Firmen keine Geschäfte mit Unternehmern machen, die ihre Arbeiterinnen und Arbeiter wie Sklaven behandeln.«

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 25. April 2013


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