Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Down under "spart"

Rente mit 70 und teureres Benzin: Australiens konservative Regierung will mit unpopulären Maßnahmen Haushaltslöcher stopfen. Bevölkerung reagiert verärgert

Von Thomas Berger *

Australiens Regierung stand am Dienstag vor einer unangenehmen Aufgabe: Die Vorstellung des neuen Haushaltsplans im Parlament. Nicht nur, daß Premier Tony Abbott und sein Finanzminister Joe Hockey manche Winkelzüge unternehmen müssen, um ein ausgeglichenes Budget zu präsentieren. Auch wichtige gesamtwirtschaftlichen Daten sehen nicht gut aus. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt kann von positiven Tendenzen keine Rede mehr sein.

Eine Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent im April deutet auf Stillstand hin. 14000 neue Stellen können Australiens Bevölkerungswachstum von 33000 Menschen monatlich nicht kompensieren. Deutlicher wird die Lage bei Betrachtung der Beschäftigungsquote: Nur 61 Prozent der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter über 15 Jahren sind in Jobs. Damit nähert sich dieser Wert dem tiefsten Stand aus dem Jahr 2005. Von den jungen Menschen (15 bis 24 Jahre) haben gerade einmal 1,8 Millionen eine Stelle – der niedrigste Wert seit Februar 2000. Vom Wirtschaftswunder Australiens der zurückliegenden Dekade ist hier wenig zu verspüren.

Abbotts Idee, jetzt auch noch das Rentenalter von derzeit 65 auf 70 Jahre anzuheben, trifft bei seinen Landsleuten auf Zweifel und Ablehnung. Bei einer Umfrage sprachen sich 68,3 Prozent aller Teilnehmer strikt gegen die Heraufsetzung aus – bei den Jüngeren unter 35 lag die Ablehnung sogar bei gut 73 Prozent. Eine Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre schrittweise bis 2023 ist ohnehin schon beschlossen. Gerade diese neuen Überlegungen zur Rente ab 70 nimmt das Wahlvolk den Konservativen besonders übel: Wären in den nächsten Tagen Wahlen, könnte sich die gegenwärtige Regierung nicht halten, sondern die oppositionelle Labor Party würde mit wehenden Fahnen die Macht in Canberra zurückerobern. Seit dem deutlichen Wahlsieg der rechtsbürgerlichen »Coalition« aus Liberaler und Nationaler Partei im vergangenen September ist deren Popularität regelrecht eingebrochen. Bereinigt um das Abschneiden der kleineren Parteien, kämen die Konservativen nur noch auf 46, die Sozialdemokraten hingegen auf 54 Prozent im finalen Zweier-Duell, eine Umkehr des Ergebnisses vor nur neun Monaten.

In einem Punkt kann sich der Premier des Rückhalts weiter Bevölkerungsteile sicher sein: Der Einführung einer Sonderabgabe für Reiche zum Defizitausgleich. Diese Maßnahme soll in den kommenden vier Jahren zwischen 4,8 und 5,2 Milliarden Australische Dollar (3,27 bis 3,54 Milliarden Euro) in die klamme Staatskasse spülen. Von den zwei Prozent Plus zusätzlich zum Spitzensteuersatz von 45 Prozent werden all jene betroffen sein, die über 180000 Dollar verdienen. Selbst viele Stammwähler der Konservativen, sonst strikt gegen jede Art von Steuererhöhungen, können diesem geringen »Solidaritätsbeitrag« der Besserverdiener etwas abgewinnen. Außerdem will der Staat selbst »sparen«: 70 Behörden sollen aufgelöst und 16 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut werden.

Da der Erlös aber nicht ausreicht, sind weitere, noch deutlich unpopulärere Maßnahmen scheinbar unumgänglich. Der stärkste Protest regt sich schon jetzt gegen eine Anhebung der Mineralölsteuer. Diese könnte den Plänen zufolge in den kommenden vier Jahren bis 2017/2018 schrittweise um 3,5 bis 4,0 Cent pro Liter steigen. Ansatzpunkt ist für Abbott und Hockey, daß die frühere rechtskonservative Regierung unter Premier John Howard diese Steuer 2001 bei 38,14 Cent pro Liter eingefroren hatte. Seinerzeit war ein Liter Kraftstoff an der Tankstelle noch im Schnitt für einen Dollar zu haben – heute kostet er anderthalb Mal soviel. Was im Umkehrschluß bedeutet, daß der Steueranteil des Staates von 38 auf nur noch rund 25 Prozent abgesunken ist.

Vor allem weil mit den Mehreinnahmen lediglich Haushaltslöcher gestopft werden sollen, regt sich Widerspruch. 15 Milliarden Dollar nimmt der Fiskus derzeit jährlich aus dieser Quelle ein, aber nur rund ein Viertel fließt in Investitionen, sei es Straßenbau oder Verkehrssicherung im ländlichen Raum. Zudem, so die Begründung der Kritiker für ihr Aufbegehren, treffe die Erhöhung in erster Linie jene, die ohnehin schon weniger Einkommen haben. Wer im Umfeld der großen Städte lebe, wo der ÖPNV große Lücken aufweise, sei zum Pendeln für die Arbeit auf das Auto angewiesen – und müsse bei den oft längeren Strecken monatlich deutlich tiefer in die Tasche greifen. Auch kleinere Firmen wie Handwerksbetriebe, die mit ihren Fahrzeugen viel unterwegs sind, wären stark betroffen. Anthony Albanese, ein Führungsmitglied der Labor Party, nannte die Pläne »hochgradig unfair«, weil die Anhebung jene belaste, denen alternative Methoden der Mobilität nicht zur Verfügung stünden.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 15. Mai 2014


Zurück zur Australien-Seite

Zur Australien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage