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Profit kontra Natur

Australien verstärkt Kohleabbau und -export. Geplante Hafenerweiterung in Abbot Point bedroht das weltbekannte Great Barrier Reef

Von Thomas Berger *

Im Nordosten Australiens kämpfen globale Organisationen wie Greenpeace, lokale Umweltgruppen und die Partei der Grünen gegen eine Kombination gigantischer Bergbau- und Infrastrukturprojekte. Hauptgrund: diese gefährdeten das Weltnaturerbe-Gebiet Great Barrier Reef. Die ökologischen Folgen für das weltgrößte Korallenriff seien unabsehbar, sollte wie vorgesehen die Kapazität des Kohlehafens Abbot Point auf mehr als das Doppelte der heutigen erweitert werden, heißt es. Mark Butler, Umweltminister der neuen Regierung unter Premier Kevin Rudd (Labor), hatte den von seinem Amtsvorgänger Tony ­Burke auf den 9. Juli festgesetzten Entscheidungstermin für eine grundsätzliche Genehmigung des Vorhabens zunächst um einen Monat auf den 9. August verschoben. Vor allem die Kritiker erhofften sich durch das kleine Zeitfenster die Chance, gegenüber der Regierung nochmals intensiver und nachdrücklicher als bisher ihre Einwände geltend zu machen.

Abbot Point liegt an der Küste des nordöstlichen Bundesstaates Queensland, 25 Kilometer nördlich der Provinzstadt Bowen. Deren Einwohner setzen allerdings in der Mehrheit auf das Großprojekt. Sie erhoffen sich davon einen wirtschaftlichen Aufschwung in der ganzen Region, die in der Vergangenheit eher durch ökonomischen Niedergang, Geschäftsaufgaben, Betriebsschließungen und Jobverluste gekennzeichnet war. Selbst einige Fischer, deren Fanggründe im Zuge der umstrittenen Hafenerweiterung ebenfalls gefährdet wären, sprachen sich gegenüber Reportern, beispielsweise des australischen Kanals ABC, für das Vorhaben aus, wenn nur ein paar Auflagen eingehalten würden.

Mit einem Bündel solcher Restriktionen hätte sich wohl auch der frühere Umweltminister Tony Burke am Ende begnügt. Sein Nachfolger Butler, der bei dem Labor-internen Wechsel an der Regierungsspitze von Julia Gillard zu Kevin Rudd ins Amt gelangt war, will sich immerhin sein eigenes Urteil bilden, bevor er eine Entscheidung fällt. Dies könne am Ende nur ein klares Nein sein, sprach jetzt noch einmal die Grünen-Senatorin Larissa Waters die Hoffnung der Kritiker aus. Sollte Butler die Pläne stoppen, müßte er sich damit aber auch gegen weite Teile seiner eigenen Partei stellen. Denn die – noch – regierenden Sozialdemokraten stehen ebenso wie die konservative Opposition hinter den Megaprojekten. Sie befürworten eine massive Ausweitung der Kohleförderung in Queensland ebenso wie die dazugehörige Hafenerweiterung. Ohne letztere wäre es schwierig, die künftig geförderten Mengen rentabel zu verschiffen.

Abbot Point ist der nördlichste Kohle-Tiefseehafen Australiens. Bereits in der ersten Ausbaustufe war er von 15 auf 50 Millionen Tonnen Jahreskapazität erweitert worden. Bislang wird davon aber nur ein Drittel ausgeschöpft. Es werden rund 200 Schiffe jährlich beladen. Bei der nun vorliegenden Projektplanung steht mehr als eine Verdopplung ins Haus. Mit 120 Millionen Tonnen möglicher Umschlagsleistung würde der weltgrößte Kohlehafen entstehen – ein gigantischer Verladeplatz inmitten des größten maritimen Schutzgebietes auf dem Erdball. Gleich ein halbes Dutzend Konzerne verfolgen mit dem Projekt erhebliche Profitinteressen. Da ist zum Beispiel die Adani Group, die erst 2011 für 99 Jahre das bisherige Hafenareal mit dem bestehenden Terminal gepachtet hatte – und dafür umgerechnet 1,83 Milliarden US-Dollar (1,38 Milliarden Euro) zahlte. Eine Tochterfirma des indischen Mischkonzerns mit Hauptsitz in Ahmedabad, die Adani Ports & SEZ Ltd., ist auf den Betrieb von Häfen spezialisiert. Über andere Unternehmen in seinem Verbund ist Adani aber auch direkt an der Förderung beteiligt, will mit dem ebenfalls umstrittenen Carmichael-Projekt beispielsweise die weltgrößte Kohlemine aufmachen.

Während letztere noch Zukunftsmusik ist, soll der Betrieb beim »Alpha-Projekt« schon 2016 losgehen. Auch dieses Vorhaben strotzt vor Gigantomanie, soll in Spitzenzeiten einmal 80 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördern. Im Mai 2012 hatte dafür die Regionalregierung in Brisbane, kurz darauf im August die Bundesregierung in Canberra, grünes Licht gegeben. Das Projekt liegt mitten im Galileo-Bassin, einem Gebiet mit vermutlich den größten bisher unerschlossenen Kohlereserven Queenslands und ganz Australiens. Über eine 495 Kilometer lange privat betriebene Eisenbahnlinie soll das Fördergut nach Abbot Point gebracht und dort verladen werden. Hinter Alpha steht ein indisch-australisches Konsortium. Den kleineren Anteil an dem Joint-venture mit 21 Prozent hält die einheimische Hancock Group, 1955 gegründet und eines der führenden Explorationsunternehmen, an dessen Spitze Gina Rinehart steht. Die milliardenschwere Tochter von Firmengründer Lang Hancock gilt als reichste Frau des fünften Kontinents. Mehrheitsgesellschafter wiederum ist GVK, ein indischer Mischkonzern mit Hauptsitz in Hyderabad. In Indien betreibt er neben zahlreichen Kraftwerken auch neugebaute Highways sowie die internationalen Flughäfen von Mumbai (Bombay) und Bengaluru (Bangalore).

Sechs neue Terminals sollen im Hafen von Abbot Point entstehen, betrieben außer von den genannten Firmen unter anderem auch von BHP Billiton, dem anglo-australischen Weltmarktführer der Bergbaubranche. So wie die neuen Tagebaue und Minen oftmals in ökologisch sensible Gebiete im Landes­innern vorgetrieben werden, schädigt der avisierte Hafenausbau bereits Fauna und Flora im unmittelbaren Küstenbereich, warnen die Kritiker. Besonders laufen sie aber gegen die Planung Sturm, das Material der Ausbaggerung einfach im Gebiet des Great Barrier Reefs zu versenken. Was das zum Beispiel für die Korallen und Fische bedeuten würde, könne niemand mit Sicherheit voraussagen. Ganz abgesehen davon, daß alles im Endeffekt nur dem massiven Ausbau der Förderung von Kohle diene – eines fossilen Energieträgers, dessen Verbrennung (durch den erhöhten CO2-Ausstoß) zu großen Teilen für den globalen Klimawandel verantwortlich ist. Letzterer bedroht jetzt schon über die Erwärmung der Weltmeere das Reef.

* Aus: junge Welt, Montag, 5. August 2013


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