In Australien fallen Stacheldrahtzäune
Einwanderungspolitik der Labor-Regierung soll ein humaneres Gesicht erhalten
Von Boris B. Behrsing, Canberra *
Australien bricht mit der Praxis der abgelösten konservativen Regierung
und will die
Einwanderungspolitik lockern.
Ramesh Fernando flüchtete 2001 in einem Boot aus seiner Heimat Sri Lanka
aus politischen
Gründen nach Australien. Drei Jahre saß er dort in stacheldrahtumzäunten
Internierungslagern.
Heute ist er einer der Flüchtlings- und Einwanderungskoordinatoren in
Melbourne und unterstützt die
Forderung der einstigen Lagerinsassen nach einer Entschuldigung der
Regierung für das Unrecht,
das den inhaftierten Asylsuchenden angetan wurde.
Ein rundes halbes Jahr nach ihrer Amtsübernahme hat die Regierung unter
Labor-Premierminister
Kevin Rudd begonnen, der seit Jahren als menschenrechtswidrig
kritisierten Einwanderungspolitik
humanere Züge zu verleihen. Vor allem soll die bisher obligatorische
Inhaftierung von Personen, die
sich illegal in Australien aufhalten -- Bootsflüchtlinge, andere
Asylsuchende oder auch Ausländer,
deren Reisevisa abgelaufen sind -- weitgehend abgeschafft werden. Die
Illegalen »guten
Charakters« sollen in der australischen Gesellschaft leben dürfen, bis
über ihr Bleiberecht
entschieden worden ist. Derzeit werden noch 380 Menschen als Illegale in
Australien in Haft
gehalten.
Nie wieder würden Kinder illegaler Immigranten in
Einwanderer-Haftanstalten gesteckt werden,
gelobte Einwanderungsminister Chris Evans dieser Tage. Nach seinem
Konzept soll die
automatische Inhaftierung nur noch erfolgen, wenn illegale Einwanderer
einen kriminellen
Hintergrund haben oder ein Risiko für die Sicherheit des australischen
Staates und dessen
Bevölkerung darstellen. Bootsflüchtlinge sollen allerdings noch
inhaftiert und im Internierungslager
auf der Weihnachtsinsel vor der australischen Nordküste untergebracht
werden. Dort sollen ihre
Asylgesuche in möglichst kurzer Zeit bearbeitet werden. Vor sieben
Jahren hatte die konservative
Regierung unter John Howard ein hartes Vorgehen gegen illegale
Einwanderer angeordnet. Seitdem
wurden Asylbewerber unter dem Stichwort »Pazifische Lösung« auf die
Inseln Nauru und Manus
(Papua-Neuguinea) abgeschoben, wo sie wegen Verzögerung der
Antragsbearbeitung oft jahrelang
leben mussten. Immer wieder gab es in den Lagern Unruhen, Selbstmorde,
Hungerstreiks und
Versuche von Massenflucht. In den meisten Fällen wurden die Insassen
später als »echte«
Flüchtlinge anerkannt und erhielten die begehrte Aufenthaltsgenehmigung
für Australien.
Nicht als Flüchtlinge anerkannte, abgeschobene Asylbewerber wurden in
ihrer Heimat nicht selten
verfolgt. Schlagzeilen machte das harte Durchgreifen des australischen
Militärs gegen einen
dänischen Frachter, der auf hoher See mehr als 400 vorwiegend
afghanische Flüchtlinge gerettet
hatte, diese aber nicht in Australien von Bord lassen durfte. Solche
Praktiken werde es in Zukunft
nicht mehr geben, versicherte Minister Evans jetzt.
Die konservative Opposition kritisiert die in Angriff genommene Reform
der Einwanderungspolitik
indes als Aufweichung der von der Howard-Regierung angewiesenen scharfen
Sicherung der
australischen Grenzen. Außerdem, so die Regierungsgegner, bestünde jetzt
die Gefahr, dass
Hunderte der freigelassenen illegalen Einwanderer in der australischen
Bevölkerung
»untertauchen«.
* Aus: Neues Deutschland, 5. August 2008
Zurück zur Australien-Seite
Zur Seite "Migration, Einwanderung"
Zurück zur Homepage