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Lobby dreht Uhr zurück

Ressourcenverbrauch verbilligen: Australiens mächtige Bergbaukonzerne wollen schnelle Abschaffung einschlägiger Sondersteuern. Bundesstaaten störrisch

Von Thomas Berger *

Australiens Bergbauindustrie hat eine Kampagne gestartet, um zu umfangreichen Steuerentlastungen zu kommen. Unter dem Deckmantel angeblicher Ankurbelung des vermeintlich zu geringen Wirtschaftswachstums fordern Branchenvertreter, daß neben der von Premierminister Tony Abbott angekündigten Abschaffung der nationalen Sondersteuer auch jene Belastungen aufgehoben oder gesenkt werden, die einige der Unionsstaaten bei deren Einführung beschlossen hatten. Die Regionalregierungen scheinen bisher nicht gewillt, darauf einzugehen. Zumindest Westaustralien und Queensland wollen an den zusätzlichen Abgaben festhalten. Lediglich New South Wales denkt über eine Abschaffung nach.

Gut 300 große Bergbauunternehmen müssen seit Juli 2012 die von der damaligen Labor-Regierung unter Premierministerin Julia Gillard eingeführte Sondersteuer entrichten. Die Minerals Ressource Rent Tax (MRRT) beträgt 30 Prozent der Profite, die aus der Ausbeutung nicht regenerierbarer Rohstoffe wie Kohle und Erz gezogen werden. Um mittelständische Firmen nicht zu belasten, wurde eine Untergrenze von 75 Millionen Australischen Dollar (53 Millionen Euro) festgelegt – nur wer diese überschreitet, ist zur Zahlung verpflichtet.

Die Hoffnung, damit zusätzliche Einnahmen in Milliardenhöhe für den Bundeshaushalt zu generieren, hat sich nur teilweise erfüllt. Dank eines Schlupfloches im Gesetz können die Konzerne jene Steuern, die sie an die einzelnen Staaten abführen, von der dem Bund geschuldeten Summe abziehen. Statt geplanter neun Milliarden Dollar wird Canberra in diesem Jahr nur rund 700 Millionen verbuchen können. Western Australia und Queensland, wo sich die Lagerstätten und damit Abbaugebiete konzentrieren, nehmen dagegen zusammen etwa eine Milliarde Dollar extra ein, so jüngste Schätzungen.

Obwohl auch der Bund das zusätzlichen Geld nötig hätte, war das konservative Bündnis aus Liberaler und Nationaler Partei schon im Vorfeld seines Wahlsieges am 7. September gegen die Steuer zu Felde gezogen. Ihre Rückabwicklung gehörte zu Abbotts Wahlkampfversprechen wie die Abschaffung der ebenfalls erst 2012 eingeführten CO2-Sonderabgabe. Die Industrie, ganz vorneweg die Interessenvertreter der Minengesellschaften, lassen derzeit kaum einen Tag verstreichen ohne die Sozialdemokraten aufzufordern, »das demokratische Wahlergebnis zu respektieren« und Premier Abbott zu helfen, die beiden einst von ihnen initiierten Projekte wieder zu beerdigen. Im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, haben die Konservativen nämlich weder aktuell noch ab Juli 2014, wenn die neugewählten Senatoren ihre Plätze einnehmen, eine eigene Mehrheit. Derzeit können Labor und Grüne noch gemeinsam jeden Vorstoß stoppen.

Kein Wunder, daß die Lobbyisten die größte Oppositionspartei bedrängen. Sowohl Maria Tarrant, Vizechefin des Australischen Wirtschaftsrates, als auch Innes Willox, Vorsitzender der Australian Industry Group, kündigten an, daß die Firmen für die Zukunft ohne die Sondersteuern planen würden. Auch der neue Umweltminister Greg Hundt sagte, man werde alle Kräfte anspannen, um die Abschaffung der CO2-Steuer so schnell wie möglich durchzusetzen.

Was die MRRT angeht, rief Mitch Hooke, Vorstandschef des Minerals Council Australia, die Bundesstaaten auf, der nationalen Regierung bei einer Streichung der Sondersteuer zu folgen und ihre Anhebungen zurückzunehmen, da diese ja daran gekoppelt gewesen seien. Dies stellt aber beispielsweise Westaustralien in Abrede. Die zeitliche Abfolge sei eher Zufall gewesen, es habe sich um einen eigenständigen Schritt der Regionalregierung gehandelt. »Es ergibt einen faireren Anteil für den Staat als Eigentümer der Ressourcen«, so deren Chef Colin Barnett, selbst ein Konservativer. Die 506 Millionen Mehreinnahmen dieses Jahr aus der Steuer sind Teil der zusätzlichen 1,4 Milliarden Dollar, die der Bundesstaat erwartet. In den kommenden beiden Jahren wird ein weiterer Anstieg um fünf bzw. zehn Prozent erwartet. 2015/16 könnten die Abgaben der Bergbaubranche schätzungsweise ein Drittel aller Einnahmen ausmachen.

Queensland, das sich nicht minder störrisch bei einer Wiederabschaffung der Steuer zeigt, hat noch mehr Grund, die Lobbyistenrufe zu ignorieren. Schließlich hat der nordöstliche Bundesstaat Schulden in Höhe von 80 Milliarden Dollar. Da kann man sich Geschenke an globale Giganten wie BHP Billiton, Rio Tinto, Xstrata & Co. nicht leisten. Die Begründung aus Brisbane klingt ähnlich der aus Perth: »Die Firmen müssen etwas dafür zahlen, daß sie nicht erneuerbare Rohstoffe entfernen«, so eine Sprecherin von Finanzminister Tim Nicholls. Der ebenfalls konservativ regierte Staat will der Branche aber auf einem anderen Feld entgegenkommen. Genehmigungen für neue Förderstätten sollen künftig statt zwölf nur noch maximal drei Monate dauern – angeblich, ohne daß dabei Umweltverträglichkeitsprüfungen und andere Untersuchungen leiden.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 24. Oktober 2013


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