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Festung Australien

Überraschende Anlandung eines Flüchtlingsbootes löst neue Abschottungsdiskussionen aus

Von Thomas Berger *

Australiens oppositionelle Konservative wollen die ohnehin enorme Abschottung gegen auf dem Seeweg ankommende Flüchtlinge im Falle einer Regierungsübernahme nach den Wahlen im September weiter ausbauen. Dies haben führende Vertreter der aus Liberalen und Nationalen bestehenden »Coalition« in der aktuell laufenden Debatte zum Thema angekündigt. Bis 2017/2018 könnte nach diesen Plänen ein System sogenannter Drohnen installiert werden, unbemannter Flugkörper also, die an den Küsten der australischen Festlandsmasse operieren und das Anlanden von Booten effektiv verhindern sollen.

Auslöser für diesen jüngsten Vorstoß, die »Festung Australien« gegen Zufluchtsuchende gerade aus dem südlichen Asien weiter zu verstärken, ist das überraschende Eintreffen einer großen Gruppe von Asylbewerbern aus Sri Lanka. Das Boot mit seinen 65 Insassen war in der vergangenen Woche in Geraldton, einer geschäftigen Hafenstadt an der Westküste, 400 Kilometer nördlich der Metropole Perth, eingelaufen. Weder Küstenwache noch Luftüberwachung war es vorher aufgefallen. Das wirkte auf die australische Politik und Teile der Öffentlichkeit wie ein Schock. Denn mittlerweile ist das Kernland so massiv gesichert, daß kaum eine Chance besteht, das Kontrollsystem zu unterlaufen. Die Neuankömmlinge allerdings haben offenbar eine ganz andere Route als sonst üblich genommen.

Die Regierung hat eine detaillierte Untersuchung des Vorfalls angekündigt, Einwanderungsminister Brendan O’Connor und Innenressortchef Jason Clare (beide von der sozialdemokratischen Australischen Labor Party) waren sofort bemüht, Härte und Unerbittlichkeit zu demonstrieren. Geltende Gesetze damit klar brechend sagte O’Connor, daß die 65 Bootsinsassen keineswegs auf dem Festland Asylanträge stellen dürften. Sie würden statt dessen nach Christmas Island verfrachtet – jenes etwa 2600 Kilometer nordwestlich von Perth und nahe Indonesien liegende Territorium, wo die Rechte der Flüchtlinge deutlich eingeschränkt sind. Christmas Island gilt in diesen speziellen Fragen nicht direkt als australisches Gebiet. Solche juristischen Tricksereien sowie die Abschiebung zu sogenannten »Bearbeitungszentren« ins benachbarte Ausland (nach Nauru ebenso wie auf das zu Papua-Neuguinea gehörende Manus Island) haben in der jüngeren Vergangenheit immer wieder heftige Kritik von Menschenrechtsvereinigungen im In- und Ausland und sogar hoher Stellen bei der UNO ausgelöst. Mit wenig Erfolg, denn über die Abschottungspolitik, von Labor wie Konservativen gleichermaßen betrieben, herrscht Konsens bei einem großen Teil der australischen Bevölkerung.

Anwälte und Aktivisten sehen in der Ankündigung der Regierung, die 65 zumeist zur noch immer verfolgten tamilischen Minderheit auf Sri Lanka gehörenden Bootsinsassen nach Christmas Island abzuschieben, aber das Überschreiten einer roten Linie. Ihnen stehe laut Gesetz das normale Asylverfahren auf dem Festland zu, heißt es. Bislang kamen dieses Jahr 76 Boote in Australien an bzw. wurden abgefangen, 4616 Insassen haben die höchst gefährliche Überfahrt überlebt, haben nun aber keine klare Perspektive. Derweil sind 20 Flüchtlinge in einen Hungerstreik getreten. Obwohl sie inzwischen offiziell anerkannt sind, wird ihnen nicht erlaubt, die Internierungslager zu verlassen.

Für die oppositionellen Konservativen, die nach derzeitiger Prognose das Rennen um die Parlamentssitze mit viel Vorsprung gewinnen dürften, ist der Vorfall beste Wahlkampfmunition, um zu zeigen, daß die Labor-Regierung aus ihrer Sicht noch nicht genug tut. Anderthalb Milliarden Australische Dollar soll die von ihnen geplante Zusatzüberwachung mittels sieben Drohnen, die Informationen an Zoll und Küstenwache senden, kosten. Woher das Geld dafür kommen soll, wurde natürlich nicht gesagt.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 17. April 2013


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