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Wie ALDI zu seinen Schnäppchen kommt

Sklavenarbeit in Asien

Von Birgit Morgenrath *

Der 1960 gegründete erste Billig-Lebensmittel-Discounter der Republik macht seit geraumer Zeit auch mit Textilien eigener Handelsmarken Profite. Dabei sind die ALDI-Brüder mit einer Milliarde Euro Umsatz bundesweit nicht nur die achtgrößten Textilhändler (nach Tengelmann mit Plus und KiK, vor Tchibo und Lidl), sondern auch die verschwiegensten. Über die Herkunft ihrer Waren hüllen sich Karl und Theo Albrecht in Schweigen. Eine komplizierte, schwer durchschaubare Unternehmensstruktur ermöglicht ihnen, auch die üblichen Geschäftsdaten geheim und Gewerkschaften außen vor zu halten. Still und leise stiegen die Brüder zu den reichsten Männern der Welt mit einem geschätzten Vermögen von 40 Milliarden Euro auf.

Intensive Recherchen des kirchlichen SÜDWIND Instituts haben jetzt erstmals Textil-Zulieferer des ALDI-Konzerns in Asien ausfindig gemacht. Ergebnis: Billigste Klamottenschnäppchen für besserverdienende Deutsche (die machen fast die Hälfte der ALDI-Kunden aus!) bezahlen Näherinnen in China und Indonesien mit Arbeit unter brutalen, menschenunwürdigen, gesetzeswidrigen Bedingungen. Arbeiterinnen aus fünf Fabriken in der chinesischen Provinz Jiangsu schilderten ihren Arbeitsalltag.

Die Frauen – sie sollen nicht älter als 22 Jahre sein – müssen für einen neuen Arbeitsplatz eine Kaution in Höhe eines Monatslohnes bis zu drei Monate beim Unternehmen hinterlegen. Damit werden sie an die Firma gebunden, denn bei Kündigung würde das Geld einbehalten. Die Näherinnen schuften bis zu sieben Tage die Woche und je nach Hersteller bis zu 336 Stunden im Monat. Entlohnt werden sie mit gerade mal der Hälfte oder sogar nur einem Drittel der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne, die überdies oft mit großer Verzögerung ausgezahlt werden. Überstundenzuschläge gibt es nicht. Die Frauen sollen von ca. 60 Euro, manchmal gar nur 30 Euro im Monat überleben. Ein Ding der Unmöglichkeit.

Nach einem 13-Stunden Arbeitstag (mit zwei Stunden Pause) ist oft noch nicht mal Zeit, das Fabrikgelände zu verlassen. Die meisten Wanderarbeiterinnen hausen in unternehmenseigenen Schlafsälen neben der Fertigungshalle. Besuch ist nicht erlaubt. Derart, so die Autorin Ingeborg Wick, halte man die Frauen davon ab, sich mit anderen Arbeiterinnen auszutauschen und sich womöglich gewerkschaftlich zu organisieren. Auch unerwünschte Schwangerschaften würden so verhindert.

ALDI hat, mit der Studie konfrontiert, sein übliches Schweigen gebrochen und einen Kommentar geschickt. Man sei sich seiner Verantwortung bewusst, heißt es da: »Dabei ist es uns selbstverständlich ein wichtiges Anliegen, dass die Produktion von Waren unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen erfolgt.« Aber ALDI habe keinen »direkten Kontakt zu Produzenten«, wolle nun aber neben das Vertrauen in seine Vertriebs- und Importgesellschaften »auch Formen der Kontrolle treten lassen.«

SÜDWIND, Teil der »Kampagne für Saubere Kleidung«, will natürlich nicht, dass die Geschäftsbeziehungen zu Textilproduzenten abgebrochen und tausende Frauen vor Ort arbeitslos werden. Die Studie bietet eine Bilanz der Corporate Social Responsibility (CSR, Globale Sozialverantwortung von Unternehmen). Nach fast 15 Jahren internationaler Kampagnen für Verhaltenskodizes in der globalen Lieferkette von Textilien und Bekleidung bleibt Dreh- und Angelpunkt die Frage einer unabhängigen Instanz, die die Einhaltung der Standards kontrolliert. Das Gros der weltweiten Unternehmen mit CRS-Konzepten ist gegen eine Beteiligung von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen an Kontrollsystemen, gibt stattdessen Selbstverpflichtungen ab, die zugleich als Werbung dienen.

Seit dem Auslaufen des WTO-Welttextilabkommens Ende 2004 haben die globale Konkurrenz und der Druck auf Lieferanten zugenommen. Darum, so SÜDWIND, müssen Unternehmen per Gesetz zu einer Berichterstattung über die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in Produktions- und Lieferketten gezwungen werden, wie in Großbritannien 2006 geschehen. Ohne weiteren Druck bewegen sich die Unternehmen nicht.

Südwind e.V.: All die Textilschnäppchen – nur recht und billig. 96 S., br., 5 ¤; download unter www.suedwind-institut.de

* Aus: Neues Deutschland, 31. Mai 2007


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