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Schöne Bescherung

El Niño verschärft Wirtschafts- und Umweltprobleme Südostasiens

Von Michael Lenz, Phnom Penh *

Ein Unglück kommt selten allein. Die Bauern in Asien und Australien leiden schon unter der Weltwirtschaftskrise. Nun kommt der zweite Tiefschlag: El Niño. Das »Christkind«, wie peruanische Fischer das Wetterphänomen getauft haben, stellt die klimatischen Bedingungen zwischen Asien und Südamerika auf den Kopf. Während es an der südamerikanischen Pazifikküste schüttet wie aus Eimern, bleiben Asien und Australien trocken.

Für die Experten des australischen Büros für Meteorologie ist der El-Niño-Fall klar. »Er ist schon da. Offen ist nur die Frage, wie lange er bleibt.« Die Schätzungen gehen davon aus, dass die Trockenperiode bis weit ins Jahr 2010 dauern wird. Schlechte Aussichten für Australien, wo weite Landstriche wie das Murray-Darling-Basin schon gut zehn Jahre von einer Dürre betroffen sind, die nur zwei Zustände kennt: schlimm und weniger schlimm. Das Murray-Darling-Basin aber ist nicht nur das größte und wichtigste Flusssystem des trockensten Kontinents, sondern auch wegen seiner Fruchtbarkeit die Speisekammer des fünften Kontinents.

El Niño wird wohl auch die Trinkwasserversorgung der Städte verschlechtern und die Waldbrandgefahr down under erhöhen. In der Millionenmetropole Melbourne sind die Wasservorräte schon jetzt an einem kritischen Punkt angelangt. Die Stauseen sind nur noch zu 26 Prozent gefüllt. 1996 verzeichneten die Wetterfrösche für Melbourne das letzte Mal normale Regenmengen.

Auch weiter westlich in Indonesien sind erste Anzeichen von El Niño zu spüren. Der Wasserspiegel des Bengawang-Solo-Flusses zum Beispiel sinkt seit Anfang dieses Monats beständig. Der durch Zentral- und Ostjava fließende Bengawang Solo bewässert die Reisfelder der Region, auf denen in normalen Jahren 60 Prozent der indonesischen Reisernte eingebracht werden. Mit Bangen erinnern sich die javanischen Reisbauern an die El-Niño-Periode 1997/98, die dem Land eine acht Monate dauernde Dürre bescherte. Indonesien musste seinerzeit fünf Millionen Tonnen Reis zur Versorgung seiner 220 Millionen Einwohner importieren.

Auch Indien fürchtet große Schäden für seine Landwirtschaft und die Ernährung seiner Bevölkerung. Jetzt ist Monsunzeit -- Saatzeit für die Bauern, die Reis, Sojabohnen und Zuckerrohr anbauen. Aber der Monsun fällt in diesem Jahr schwächer aus als sonst. Allein in der ersten Juliwoche habe es im Nordwesten des Landes um die Hälfte weniger Regen gegeben als sonst, haben die Wissenschaftler des India Meteorological Department besorgt mitgeteilt. Auch auf den Philippinen droht ein starker Rückgang der Reisernte, während in Malaysia und Indonesien auch die riesigen Palmölplantagen unter der befürchteten Trockenperiode leiden werden.

Die knapper werdenden landwirtschaftlichen Produkte führen schon jetzt zu Preissteigerungen an den Rohstoffbörsen von Chicago ebenso wie auf den Märkten von Phnom Penh, Djakarta oder Rangun. Die Armen hingegen werden ärmer und hungriger. Der El Niño aber steht erst an seinem Anfang.

El Niño

Das Klimaphänomen El Niño (span. das Christkind) bekam seinen Namen von peruanischen Fischern wegen seines Auftretens um die Weihnachtszeit. Es ist die bekannteste Phase der so genannten El-Niño-Southern Oscillation (ENSO). Im mehrjährigen Rhythmus schwächt sich der kalte Humboldtstrom aus der Antarktis vor der südamerikanischen Küste ab, warmes Wasser aus dem Westpazifik drängt nach Osten. Infolgedessen wird dort mehr Wasser verdampft, es regnet stark an den sonst trockenen Andenhängen. Die veränderten Luftströmungen südlich des Äquators reduzieren die Niederschläge zwischen Indonesien und dem südlichen Afrika.



* Aus: Neues Deutschland, 27. Juli 2009


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