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Asiens Gummidilemma

Kautschuk-Plantagen bringen Geld, doch Rodungen ruinieren Wasserhaushalt und Klima

Von Michael Lenz, Singapur *

Weltweit steigt die Nachfrage nach Rohgummi, dessen größter Abnehmer die Reifenindustrie ist. Dies und der Biospritboom verstärken den Trend zu Monokulturen -- mit fatalen Folgen für die Umwelt.

In der südchinesischen Provinz Yunnan roden zehn Arbeiter in nur etwa zwei Wochen 600 Hektar Waldfläche, um Platz für Plantagen mit Kautschukbäumen zu schaffen. Aber auch in Südostasien weichen Urwälder zunehmend Kautschukbäumen. Der Geograph Alan D. Ziegler von der National University of Singapore schätzt, dass hier bereits 500 000 Hektar Bergland mit solchen Plantagen bepflanzt sind. Bis 2050 werde sich die Anbaufläche für Kautschuk und landwirtschaftliche Monokulturen verdoppeln bis verdreifachen. Das gehe zu Lasten der Urwälder und der kleinteiligen Wanderfeldwirtschaft mit ihren Brandrodungen.

Ziegler warnt in seiner im Fachblatt »Science« (Bd. 324, S. 1024) publizierten Studie vor den Auswirkungen auf die Ökologie der betroffenen Regionen. Schon durch die Brandrodungen der letzten Jahrhunderte seien für Klima und Artenvielfalt wertvolle Regenwälder verschwunden. Eine Entwicklung, die sich durch die rasant wachsende Bevölkerung seit dem Zweiten Weltkrieg beschleunigt habe. Im Vergleich zu Umweltschäden durch die Gummiplantagen aber seien die durch bisherige Brandrodungen verursachten Probleme »rückblickend bedeutungslos«, schreibt Ziegler. Die großflächigen Monokulturen verringern die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern, die Plantagen nehmen auch weniger CO2 auf.

Dabei sind es oft nicht die heimischen Bauern, die auf den Anbau von Energiepflanzen oder auf Gummi umsteigen. In der kambodschanischen Provinz Mondolkiri wurde jüngst 800 Bauern in sieben Dörfern von einem großen Gummikonzern das Land einfach weggenommen, um Kautschukplantagen anzulegen.

Die Bauern in Südostasien und China haben im Grunde nichts gegen einen Umstieg auf Kassava, Gummibäume oder Ölpalmen. Einnahmen aus dem Verkauf der Produkte wären ein Weg aus der Armut, auch wenn die Nachfrage nach Gummi für Autoreifen oder nach Biotreibstoffen infolge der Wirtschaftskrise zurückging. Mittel- und langfristig wird sich die Wirtschaft erholen, auch durch die Nachfrage nach Rohstoffen aus den Boomländern China und Indien sowie durch die EU-Regelung, dass bis 2020 zehn Prozent des Energieverbrauchs mit erneuerbaren Energien gedeckt werden müssen. Was die Bauern wollen, ist ein Mitspracherecht, ein fairer Anteil am Profit und eine nachhaltige Nutzung ihres Lands.

Im Dilemma von Umweltschutz und Entwicklung ist guter Rat teuer. Ziegler regt die Schaffung von mehr Naturreservaten an. Zudem könne man die Bauern dafür bezahlen, dass sie ihr Land nicht nutzen. Aber Ziegler weiß auch, dass diese Vorschläge wenig Resonanz finden. »Realistischer könnte es sein, ein diversifiziertes Agrowaldsystem zu fördern, in dem 'Cash Crops' eine wichtige Rolle spielen, aber nicht als Monokulturen gepflanzt werden.«

Lexikon - Kautschuk

Kautschuk nennt man verschiedene elastische Polymere natürlichen und synthetischen Ursprungs, aus denen durch Vulkanisieren Gummi hergestellt werden kann. Neben den synthetischen Butadien- und Chloropren-Kautschuken ist vor allem der Latex genannte Milchsaft des Kautschukbaums (Hevea brasiliensis) von wirtschaftlicher Bedeutung. Latex wird gewonnen, indem die Rinde der Bäume angeschnitten wird. Der ursprünglich nur in Südamerika heimische Baum wurde 1876 von Briten nach Asien gebracht und dort in Plantagen kultiviert.



* Aus: Neues Deutschland, 15. Juni 2009


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