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Reis-Polster für Krisenzeiten

Asiatisches Staatenbündnis legt strategische Reserve an

Von Thomas Berger *

Die Länder Ost- und Südostasiens haben sich auf das Anlegen einer strategischen Reisreserve verständigt. 787 000 Tonnen sollen unter dem Eindruck neuer Preissteigerungen auf dem Lebensmittelsektor für Notfälle eingelagert werden.

Die Handelsminister der zehn Mitglieder des südostasiatischen Staatenbündnisses ASEAN und ihrer drei Nachbarn im Osten des Kontinents hatten bei ihrem zweitägigen Arbeitstreffen vor einigen Tagen in der laotischen Hauptstadt Vientiane zahlreiche Themen zu besprechen, etwa die aktuellen Entwicklungen in Libyen und die anziehenden Ölpreise. Doch eindeutiger Schwerpunkt war die bekannte Herausforderung, der ebenfalls gravierenden Teuerungsrate bei Nahrungsgütern wirksame Maßnahmen entgegenzusetzen. Die strategische Reisreserve, über die grundlegende Einigkeit erzielt wurde, ist ein wichtiger Schritt, bei einer Verschärfung der Lage in näherer oder weiterer Zukunft staatlicherseits und im regionalen wie globalen Verbund nicht hilflos dazustehen.

Nur zu gut ist allen noch die Reiskrise von 2008 in Erinnerung, als von den drei großen Exporteuren Thailand, Vietnam und Indien am Ende nur noch die Thais in der Lage waren, mit deutlichen Überschüssen den Weltmarkt zu beliefern, während die anderen beiden Anbieter zwischendurch einen Ausfuhrstopp verhängten oder die Mengen massiv drosselten. Die jetzt beschlossene Reisreserve könnte zumindest helfen, gewisse Engpässe gut zu überbrücken. China, das im Prinzip Selbstversorger ist, aber kaum mit nennenswerten Reisexporten das globale Angebot beeinflusst, will dem Ministertreffen zufolge 300 000 Tonnen beisteuern. Japan ist mit 250 000 Tonnen im Boot, Südkorea stellt demnach 150 000 Tonnen zur Verfügung. Aus den zehn ASEAN-Staaten soll der Rest kommen, also 87 000 Tonnen.

Indonesien, das gegenwärtig den ASEAN-Vorsitz innehat und auch in Vientiane die Koordinatorenrolle übernahm, will sich in den nächsten Monaten darum kümmern, dass letzte Detailfragen ohne Zeitverzug geklärt werden und das formelle Abkommen unter seiner Ägide wie geplant Anfang Oktober unterzeichnet werden kann. Klärungsbedarf besteht regierungsintern zu einzelnen Punkten geben. Aber die Handelsminister haben den Verlautbarungen auf der Abschlusspressekonferenz zufolge sichergestellt, dass sie bei ihrem Projekt auch die Rückendeckung der jeweiligen Kabinettskollegen aus den Landwirtschaftsressorts haben.

Gerade für einige südostasiatische Länder wie die Philippinen, die schon zu normalen Zeiten in Größenordnungen Reis zur Versorgung der eigenen Bevölkerung zukaufen, wird die strategische Reserve beruhigend wirken – künftige Krisen dürften sich besser durchstehen lassen. Aber auch in UN-Kreisen verfolgt man solche Projekte sehr aufmerksam. Global massiv angezogene Nahrungsgüterpreise stellen bei Hungersnöten beispielsweise das für Ernährungssicherung zuständige World Food Programme (WFP) vor große Herausforderungen – wenn eigene Lagerbestände erschöpft sind, muss Getreide zu aktuellen Weltmarktkonditionen zugekauft werden, was mit einem größeren Finanzbedarf einhergeht.

Wie richtig eine solche Entscheidung wie in Vientiane gerade jetzt ist, untermauert der Blick auf das derzeitige Preisniveau. Der Lebensmittelkostenindex der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO kletterte zwischen Dezember und Januar um 3,4 Prozent auf einen neuen Höchststand, seit er 1990 eingeführt wurde.

* Aus: Neues Deutschland, 3. März 2011


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