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Karawane zieht weiter, auch ohne Obama

Kursbestimmung in der Asien-Pazifik-Region beeinflusst globale Entwicklung

Von Werner Birnstiel *

Drastischer hätte die Veränderung internationaler Kräfteverhältnisse kaum dokumentiert werden können als durch die Absage der Teilnahme Barack Obamas am 21. Gipfel der APEC (Asian Pacific Economic Cooperation) auf der indonesischen Ferieninsel Bali.

Im vergangenen Jahr hatte der USA-Präsident den APEC-Gipfel wegen des Wahlkamps verpasst, diesmal zwang ihn die Haushaltskrise im eigenen Land zur Absage. Auch der Besuch des ASEAN-Gipfels in geplanten Reisen nach Malaysia und auf die Philippinen wurde gestrichen. Die Krise hat damit Washingtons Außenpolitik erfasst, der daraus resultierende Verlust des politischen Ansehens und der wirtschaftliche Schaden für die USA sind noch nicht absehbar. Singapurs Premier Lee Hsien Loong sprach nicht nur für sich, als er erklärte, Obamas Abwesenheit sei eine »sehr große Enttäuschung«. Man bevorzuge eine USA-Regierung, die funktioniere, und einen Präsidenten, der seine internationalen Verpflichtungen wahrnehmen könne.

Obama selbst wäre gewiss gerne dabei gewesen, denn auf dem APEC-Gipfel wollte er Weichen dafür stellen, die Interessen der USA durch die Verknüpfung zunehmender wirtschaftlicher Präsenz mit finanzpolitischer und anhaltender militärischer Dominanz langfristig zu sichern.

Schließlich hat die APEC inzwischen riesige Ausmaße angenommen: In der asiatisch-pazifischen Region leben fast drei Milliarden Menschen – 40 Prozent der Weltbevölkerung. Die 21 sehr unterschiedlich strukturierten nationalen Wirtschaften erzeugen 55 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts und wickeln 44 Prozent des Welthandels ab.

Das Thema des diesjährigen Gipfeltreffens lautete »Robuste Asien-Pazifik-Region – Motor des globalen Wachstums«. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie die APEC-Mitglieder ihre makroökonomische Politik besser koordinieren, die wirtschaftliche Integration voranbringen und die eigene Innovationsfähigkeit fördern können. Denn um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist es erforderlich, die enorme Kapitalflucht in etlichen APEC-Ländern umgehend zu stoppen, ebenso den Konjunkturrückgang und den Verfall nationaler Währungen.

Eine politische Integration strebt die APEC nicht an. Am Ziel der Schaffung einer Freihandelszone bis 2020 halten die Mitglieder aber fest. Bereits seit Januar 2010 gibt es ein Freihandelsabkommen zwischen der südostasiatischen Gemeinschaft ASEAN und der Volksrepublik China. Und seit März 2013 verhandelt China auch mit Japan und Südkorea über ein solches Abkommen. Allein diese drei Staaten erwirtschaften rund 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts und sie streben danach, im dreiseitigen Handel den US-Dollar durch die eigenen Währungen zu ersetzen.

Dieser geopolitischen und wirtschaftlichen Erosion ihrer Macht versuchen die USA entgegenzuwirken. Daher nahmen sie parallel zu ihrer Mitwirkung in der APEC 2010 erstmalig an einer Verhandlungsrunde der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) teil. Ursprünglich 2006 von Brunei, Chile, Neuseeland und Singapur angeregt, wollen sich inzwischen zwölf Länder auf die Abschaffung von Handelsbarrieren einigen. Ziel der USA ist es, in der TPP politisch zu führen, um den Zugang zum Markt der Teilnehmerländer zu dominieren, China auszuschließen und dagegen zu wirken, dass die Staaten Ost- und Südostasiens sich immer stärker untereinander verflechten und Freihandelsabkommen ohne USA-Beteiligung schließen. Die »ASEAN+3« (China, Japan, Südkorea) hat sich bereits zu einer regionalen Organisation entwickelt, auf die Washington nur begrenzt Einfluss hat.

In dieser Entwicklung spielt China politisch, wirtschaftlich, finanz- und sicherheitspolitisch eine wachsende Rolle. Peking wird auf diese Weise immer mehr zum geostrategischen Gestaltungspartner und zugleich zum ernst zu nehmenden Konkurrenten der USA.

Auch auf dm APEC-Gipfel in dieser Woche wurde deutlich, dass China mit seiner Ausrichtung auf gleichberechtigte Kooperationsbeziehungen gute Karten hat, eigene Interessen beim Rohstoff- und Energiebezug sowie beim Marktzugang und in der Investitionspolitik durchzusetzen. Damit beeinflusst China immer nachhaltiger die zwei- und mehrseitige Kooperation in der APEC und mindert die politische und wirtschaftliche Wirksamkeit der überaus starken Militärpräsenz der USA in der Region. Dennoch bleibt ein pragmatisches Verhältnis zwischen China und den USA die zentrale Achse für die stabile Entwicklung der APEC. Ob die auf Bali verabschiedete Strategie für eine nachhaltige Entwicklung in Industrie und Handel tatsächlich neue Impulse für das nationale und regionale wie auch das weltweite ökonomische Wachstum vermitteln kann, bleibt abzuwarten.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Oktober 2013


»Der Ozean ist weit, weil er hunderte Flüsse zulässt«

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping übernahm die Starrolle gerne

Von Barbara Barkhausen, Sydney **


Chinas Präsident Xi Jinping wird im kommenden Jahr selbst Gastgeber des APEC-Gipfels sein. In Abwesenheit Barack Obamas hielt er jedoch schon diesmal etliche Fäden in der Hand.

Xi Jinping nahm den Gipfel in Nusa Dua zum Anlass, schon in den Tagen zuvor durch die Region zu »touren«. Als erster ausländischer Staatschef sprach er im indonesischen Parlament und zeigte sich offen für Kooperation in den Bereichen Handel, Investment und Infrastruktur. Auch ein Währungsabkommen hat sein Land mit Indonesien unterzeichnet, nachdem sich die boomende indonesische Wirtschaft zuletzt deutlich abgekühlt hat und die Rupiah seit einiger Zeit schwächelt. Das alles sind Zeichen des »neuen« Wohlwollens zwischen Peking und Jakarta, die bis 1990 – nach einem Disput Jahrzehnte zuvor – noch nicht einmal diplomatische Beziehungen pflegten.

Nach Jahren der Feindseligkeit haben beide Staaten inzwischen die gegenseitige Bedeutung füreinander erkannt. So ist China inzwischen Indonesiens zweitgrößter Handelspartner. Und auch die Stärke Indonesiens darf nicht unterschätzt werden. Denn der Inselstaat ist rohstoffreich und mit 240 Millionen Menschen die größte Volkswirtschaft Südostasiens.

Und Indonesien ist nur ein Beispiel: Künftig wolle China insgesamt noch mehr für die Prosperität der gesamten Region tun, sagte Xi Jinping vor Reportern am Rande des APEC-Gipfels. Nach einem Bericht der indonesischen Tageszeitung »Jakarta Post« befürwortet er engere Partnerschaften zwischen den Ländern in einer »offenen, inklusiven Gesinnung, von der alle Seiten profitieren«.

Hätte Obama am APEC-Gipfel teilgenommen, wäre ihm sicherlich daran gelegen gewesen, das Transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) voranzutreiben, an dem zwölf Pazifik-Anrainerstaaten – unter anderem die USA, Australien, Japan, Malaysia und Vietnam teilnehmen sollen. Das Abkommen soll bis Ende 2013 umgesetzt werden, obwohl manche schon heute sagen, dass sich dieser Termin nicht halten lässt. China ist bisher an den Verhandlungen nicht beteiligt und favorisiert ein rivalisierendes Abkommen. Doch asiatische Medien munkeln, dass es sich in einigen Jahren auch dem TPP öffnen könnte. Jedenfalls war Xi Jinping im Hinblick auf die Freihandelsabkommen schon jetzt um Ausgleich bemüht. Im Gespräch mit Reportern betonte er die »offene Haltung« seines Landes gegenüber allen Freihandelsabkommen der Region und zitierte ein chinesisches Sprichwort: »Der Ozean ist weit, weil er hunderte Flüsse zulässt.«

Für die asiatisch-pazifische Region erwarte er eine positive Zukunft, sagte der chinesische Staats- und Parteichef weiter. Keine Frage, dass er auch für sein eigenes Land zuversichtlich ist: China ziele in der Zukunft auf ein gesundes, wirtschaftliches Wachstum.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Oktober 2013

APEC

Die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation (Asia-Pacific Economic Cooperation) hat sich zum Ziel gesetzt, im pazifischen Raum eine Freihandelszone einzurichten. Gegründet wurde sie 1989 in Canberra auf Initiative Australiens, Japans und der USA. Zu diesem Zeitpunkt waren zwölf Staaten Mitglied der APEC. In seinen Anfängen war der Verbund hauptsächlich ein Forum informeller Gespräche. Mit zunehmender Zusammenarbeit wurden jährlich stattfindende Gipfelkonferenzen als Diskussions- und Entscheidungsforen geschaffen. Heute zählt die APEC 21 Mitglieder – von Russland im Nordwesten bis Chile im Südosten des Pazifiks. Neben China nehmen auch dessen Sonderverwaltungszone Hongkong und Taiwan teil. Zu den wirtschaftsübergreifenden Themen der Treffen gehören Zukunftstechnologien, Bildung, Frauen, Jugend, ökologische und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Bekämpfung des Terrorismus.

ASEAN

Die Gemeinschaft südostasiatischer Staaten ASEAN wurde 1967 in Bangkok gegründet, ursprünglich in Konfrontation zu den Staaten Indochinas, die den sozialistischem Entwicklungsweg eingeschlagen hatten. Heute gehören ihr zehn Staaten an: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Als Ziele haben sie die Förderung des wirtschaftlichen Aufschwungs, des sozialen Fortschritts und der kulturellen Entwicklung proklamiert. Auch politisch legt die ASEAN an Gewicht zu.

Höchste Instanz der Gemeinschaft sind die jährlichen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Das ständige Sekretariat hat seinen Sitz in Jakarta.




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