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Durchbruch im Konflikt um Bergkarabach?

Russlands Präsident verbucht ersten Vermittlungserfolg

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Zum ersten Mal seit 1994, als Armenien und Aserbaidshan einen Waffenstillstand im Konflikt um Bergkarabach schlossen, setzten die Staatschefs beider Länder am Sonntag (2. Nov.) in Moskau ihre Unterschrift wieder unter ein gemeinsames Dokument.

Ilham Alijew und Serge Sarkisjan, die Präsidenten Aserbaidshans und Armeniens, trafen sich am Sonntag auf Schloss Maiendorf, der Residenz des russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew. In der Erklärung, die Medwedjew am Ende des Treffens verlas, verpflichten sich beide Seiten zu einer politischen Lösung durch direkte Gespräche, wobei Russland, die USA und Frankreich – die sogenannte Minsker Gruppe der OSZE – als Vermittler fungieren sollen. Eine dem Völkerrecht entsprechende Lösung des Karabach-Konflikts solle zur »Gesundung der Situation im Südkaukasus und der Herstellung von Stabilität und Sicherheit« beitragen und günstige Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung schaffen. Im ersten Schritt werden die Außenministerien beauftragt, ihre Bemühungen um vertrauensbildende Maßnahmen aktivieren.

Was auf den ersten Blick nur wie eine Bewegung im Millimeterbereich aussieht, könnte so etwas wie ein Durchbruch werden. Den Lorbeer dafür kann sich Dmitri Medwedjew an die Brust heften, obwohl der Gipfel formell im Rahmen der Minsker OSZE-Gruppe stattfand. Die Gruppe hatte vor 24 Jahren den Waffenstillstand erzwungen, bei den Friedensverhandlungen aber keine glückliche Hand. Denn die Konfliktparteien waren nicht bereit, von ihren unvereinbaren Positionen abzurücken: Aserbaidshan will erst über den künftigen Status Bergkarabachs verhandeln, wenn die Armenier zuvor jene besetzten Territorien zurückgeben, die nicht zum ursprünglichen Autonomen Gebiet gehören. Dazu zählt der Latschin-Korridor, durch den eine Landverbindung zwischen dem überwiegend armenisch besiedelten Bergkarabach und dem armenischen »Mutterland« hergestellt wurde. Armenien dagegen will zuerst die Bewohner der Region über ihre Zukunft abstimmen lassen, verweigert aber den Aseri, die im Krieg bis 1994 aus Karabach geflüchtet sind, das Stimmrecht.

Dennoch ließ die Minsker Gruppe bisweilen Sympathien für Armenien erkennen. Auch weil Russland, Frankreich und die USA dem Druck der gut betuchten armenischen Diaspora ausgesetzt sind. Für Russland ist Armenien überdies der einzige sichere Verbündete im Südkaukasus. Dennoch ist Medwedjew, der den Maiendorf-Gipfel durch zweiseitige Treffen mit seinen Kollegen vorbereitet hatte, offenbar gewillt, Armenien zu mehr Flexibilität bei den Verhandlungen zu drängen. Denn im Kreml hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Russland durch Brüskierung Aserbaidshans auch Zentralasien verliert. Und damit den Kampf um die Kontrolle über die Energierohstoffe der Kaspi- Region und deren Transportwege.

Gelöst ist das Problem damit noch lange nicht. Zumal auch die USA sich erneut in das Krisenmanagement einklinken wollen. Pessimisten warnen sogar, der nächste Stellvertreterkrieg könnte um dieses Gebiet geführt werden.

* Aus: Neues Deutschland, 4. November 2008

Beilegung des Berg-Karabach-Konflikts tritt auf der Stelle - „RBC Daily“

Am Sonntag (2. Nov.) wurde im Schloss Meiendorf bei Moskau eine Deklaration unterschreiben, die erstmals seit 1994 die Lage in der Region von Berg-Karabach behandelt. Darüber berichtet die Tageszeitung „RBC Daily“ von Mittwoch.

Die Staatschefs Russlands, Aserbaidschans und Armeniens - Dmitri Medwedew, Ilcham Alijew und Sersch Sargsjan - setzten ihre Unterschriften unter die Deklaration. Die Seiten werden durch diese Deklaration zu nichts verpflichtet, die Mechanismen der Konfliktbeilegung werden in diesem Papier ebenfalls nicht festgelegt, und dennoch ist dieses Dokument ein Ereignis von historischer Tragweite. Denn Moskau ist es erstmals gelungen, die Staatschefs Armeniens und Aserbaidschans dazu zu ermutigen, eine gemeinsame Deklaration zu unterschreiben.

Mit der Beilegung des Konflikts befasst sich schon seit 15 Jahren die aus 13 Teilnehmerstaaten bestehende (darunter auch die USA, Russland und Frankreich) Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Bis heute hatte die Vermittlergruppe keine bahnbrechenden Erfolge vorzuweisen. Die Experten weisen darauf hin, dass die Tatsache, dass es wenigstens gelungen ist, die bewaffneten Kampfhandlungen nicht wieder auflodern zu lassen, schon zu den positiven Ergebnissen gehört.

Der armenische Politologe Lewon Melik-Schachnasarjan ist der Meinung, dass dies auch das Hauptziel der Minsker Gruppe sei: „Der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist eigentlich absolut egal, wem die Region von Berg-Karabach gehört. Hauptsache, die Kanonen schweigen immer noch, denn diese Region gehört zu Regionen, die Energieträger nach Europa liefern. Und das ist der springende Punkt“.

Nicht zufällig habe der US-Unterhändler Matthew Bryza Moskaus Bemühungen in dieser Region mit lobenden Worten gebilligt, so Lewon Melik-Schachnasarjan.

Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum vertritt die Auffassung, dass es Moskau sehr gelegen komme, wenn der Konflikt rund um die Region von Berg-Karabach eingefroren geblieben wäre. „Es gibt im Moment, objektiv betrachtet, keine Lösung des Konflikts, die für alle Seiten zufriedenstellend sein würde, deswegen ist es so wichtig, sich regelmäßig zu treffen und in aller Ruhe nichtssagende Papiere zu unterschreiben, denn dies erzeugt die wohltuende Illusion, der Konflikt werde doch irgendwie gelöst.“

Moskau seinerseits zeige abermals, dass ohne seine Präsenz in der Konfliktregion nichts gehe, und dass man nicht nach Washington oder Paris schauen müsse, sondern nach Moskau, so Malaschenko weiter. Russland ist bestrebt, seine Positionen im Kaukasus nachhaltig zu stärken, daher sei die Meiendorfer Deklaration ein Schritt in die richtige Richtung, so Malaschenko zusammenfassend.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 5. November 2008; http://de.rian.ru




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