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Die Schatzkammer in der Arktis

Hohe Weltmarktpreise und der Klimawandel machen Grönland interessant für Rohstoffausbeutung

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

In der Arktis taut das Eis – Konzerne wittern daher das Geschäft mit der Ausbeutung von Rohstoffen, die bis dato unrentabel war.

Die Rohstoffsuche in Grönland hat Ähnlichkeit mit einem Märchen: Man weiß, dass die Belohnung für alle Mühen groß sein kann, aber es ist ungewiss, ob man alle Prüfungen bestehen wird. Die größte Insel der Welt wird seit Jahrzehnten intensiv geologisch erforscht. Aber die ergiebigsten Erzgänge oder Erdölkammern exakt zu lokalisieren, dauert lange und ist ungeheuer kostspielig. Die Ölsuche ist ein klassisches Beispiel: Lange Zeit galten die Gewässer in der Nähe der Hauptstadt Nuuk als wahrscheinlichste Lagerstätten, doch alle Probebohrungen blieben trocken. In den vergangenen zwei Jahren konzentrierte sich das Interesse der Ölfirmen auf die nordwestliche Küste – die schottische Cairn Energy fand im vergangenen Jahr Spuren von Öl, die jedoch nicht auf abbauwürdige Funde hindeuteten.

Die Suche begann bereits 1721, als der norwegisch-dänische Pfarrer Hans Egede nach Grönland kam – nicht nur der Missionsarbeit wegen. Er lokalisierte Graphit. Einige Jahrzehnte später bauten deutsche Bergknappen in der Gegend der Disko-Bucht kurzzeitig Steinkohle ab. Später wurden in verschiedenen Küstenabschnitten Rohstoffe gefördert, doch auch diese Tagebaue und Bergwerke mussten nach wenigen Jahren den Betrieb einstellen. Die Gründe dafür waren die Unergiebigkeit aufgrund der damals verfügbaren Technik und die Unrentabilität wegen hoher Kosten des Bergbaus unter arktischen Bedingungen.

Heute zeichnet sich ein anderes Bild. Mit modernster Technologie lassen sich Vorkommen ausbeuten, die noch vor einer Generation uninteressant waren. Außerdem rechtfertigen politische Instabilität in anderen Teilen der Welt und das hohe Preisniveau vieler Rohstoffe die immensen Investitionskosten. Dazu kommt, dass die globale Erwärmung rohstoffträchtige Gebiete eisfrei hinterlässt, was die Vorhaben erleichtert.

Kapitalstarke Unternehmen aus Bergbauländern wie Kanada und Australien, aber auch den USA und Großbritannien stehen daher in den Startlöchern. Das Interesse konzentriert sich auf strategische Metalle, die als Stahlveredler dienen, und seltene Erden. An letzteren hat China ein Beinahe-Monopol und die Volksrepublik beschränkt den Export. EU-Handelskommissar Karel De Gucht forderte daher die Mitgliedsländer auf, aufgegebene Bergwerke wiederzueröffnen und sich in Grönland zu engagieren.

Zwei Projekte sind bisher am weitesten gekommen. In Isua, etwa 150 Kilometer nordöstlich von Nuuk, will London Mining nach Abschluss der Umweltuntersuchungen ab nächstem Jahr mit der Ausbeutung von Eisenerz beginnen, die etwa 15 Jahre lang laufen soll. Kvanefeld, ein markanter Berg am Rande des südgrönländischen Städtchens Narsaq, enthält eine Reihe seltener Erden sowie Zink und Natriumfluorid. Dieses Projekt ist jedoch umstritten, weil hier mit dem Abbau seltener Erden unvermeidlich auch Strahlung von Uran freigesetzt wird. Dem australischen Investor Greenland Minerals and Energy wird vorgeworfen, mittels Lobbyarbeit darauf hinzuwirken, dass das strenge grönländische Bergbaugesetz künftig den Uranbergbau erlaubt.

Ebenfalls umstritten ist das Vorhaben der kanadischen Quadra Mining, im Nordosten Grönlands ergiebige Molybdänvorkommen in einem Nationalparkgebiet abzubauen. Die Finanzkrise hat dieses Projekt vorläufig auf Eis gelegt, es kann aber rasch aktiviert werden.

Die langen Vorlaufzeiten haben die grönländische Autonomieregierung bisher davor bewahrt, endgültig Stellung beziehen zu müssen. Jedoch muss rasch eine Politik formuliert werden, die den Sorgen der Bevölkerung und Experten zu Gesundheit und Umweltschutz ebenso Rechnung trägt wie der angestrebten Modernisierung, die Grönland Steuereinnahmen und Arbeitsplätze verschafft. Hinzu kommt, dass das allgemeine Ausbildungsniveau und die Sprachfertigkeiten der Bevölkerung zu verbessern sind, damit auch Einheimische Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationsansprüchen einnehmen können. Auch sollte man sich darauf vorbereiten, wie eine massive Einwanderung die bislang recht homogene grönländische Bevölkerung beeinflussen wird.

* Aus: Neues Deutschland, 30. März 2011


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