Öljagd in der Barentssee
Probebohrungen von Statoil erfolgreich / Suche erstreckt sich immer weiter nach Norden
Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *
Norwegen setzt weiter auf das Geschäft
mit Erdöl und Erdgas. Nördlich
des Polarkreises wurden neue Vorkommen
entdeckt – um die Lizenzen
gibt es noch Gerangel.
Seit das Ausbeutungsende der
küstennahen Öl- und Gasfelder
absehbar ist und der Klimawandel
für schwindendes Meereis sorgt,
verschärft sich der Wettkampf um
Bohrlizenzen in arktischen Gewässern.
Hier soll mehr als ein
Fünftel der unerschlossenen Ölvorräte
weltweit liegen. Konzerne
von Shell über ExxonMobil bis
Rosneft schielen auf den ungehobenen
Schatz. Russland, Norwegen,
Kanada, USA und Dänemark
sind begehrte Verhandlungspartner
geworden.
Der teilstaatliche norwegische
Ölkonzern Statoil, der soeben ein
Rekordergebnis für das erste
Quartal vorlegte, war nach mehrjähriger
Suche im Winter auf zwei
ausbeutungswürdige Felder in der
Barentssee gestoßen. Die Felder
»Havis« und »Skrugard« liegen
nahe des in Betrieb befindlichen
»Snøhvit«-Feldes nördlich des Polarkreises
und könnten das norwegische
Öl- und Gasabenteuer
um mehr als 20 Jahre verlängern.
Im Energieministerium wie bei
den Ölkonzernen ist die Freude
groß, denn die Funde beendeten
eine lange Durststrecke. »Wir haben
den Code für die Öl- und Gasfunde
in der Barentssee geknackt
«, erklärte ein Sprecher von
Statoil. »Die Untersuchungen haben
uns ein großes Wissen zur
Geologie des Gebietes gegeben, das
uns künftig zugute kommen wird.«
Der Fund führte dazu, dass
kleinere regionale Ölfirmen wie
auch multinationale Konzerne bei
der diesjährigen Auktion künftiger
Suchgebiete in der Barentssee sowie
in der Norwegischen See
Schlange standen. Zur Vorbereitung
der weiteren Suche haben
mehrere Ölförderer Bauaufträge
für Bohranlagen erteilt, um bereit
zu sein, wenn der Startschuss fällt.
Die Kosten belaufen sich auf
mehrere Hundert Millionen Euro
für eine Anlage und bis zu 100
Millionen für eine einzige Probebohrung.
Aufschlussarbeiten ziehen
sich über Jahre hin und kosten
etwa eine Milliarde Euro pro
Feld. Wie Statoil die Ausbeutung
durchführen wird, ist noch unklar:
Da die Wassertiefe bei 400 Metern
liegt, könnte man unbemannte
Anlagen auf dem Meeresgrund
bauen; Norwegen ist führend bei
dieser Technologie.
Statoils Produktionsdirektor
Øystein Mikkelsen sieht eine ausreichende
Nachfrage für die Vorräte.
Gegenüber der Presse erklärte
er, ein gleichbleibender europäischer
Gasverbrauch über das
Jahr 2035 hinaus würde die Eröffnung
von 20 Feldern in der
»Snøhvit«-Größe verlangen.
Gegenwärtig werden die Vorschläge
der Ölgesellschaften von
den norwegischen Behörden geprüft,
bevor dann die Lizenzen
vergeben werden. Das Energieministerium
beschloss im Frühjahr,
großflächige seismische Untersuchungen
im nordöstlichen Teil der
norwegischen Wirtschaftszone in
Richtung der russischen Seegrenze
durchführen zu lassen, die Ende
2013 abgeschlossen sein sollen.
Das Interesse für dieses Gebiet besteht
schon lange, da es zwischen
dem norwegischen »Snøhvit«- und
dem russischen »Stokman«-Feld
liegt. Die endgültige Grenzziehung
zwischen den Nachbarn im Sommer
2010 machte es möglich,
eventuelle grenznahe Felder zu
erkunden und gegeneinander abzugrenzen.
Statoil und der russische
Ölförderer Rosneft unterzeichneten
dazu gerade ein Kooperationsabkommen
für die Offshore-Projekte in der Barentssee
sowie dem Ochotskischen Meer.
Umweltschützer protestieren
gegen den Wettlauf der Öl- und
Gasfirmen in den arktischen Gewässern.
Befürchtet werden Störungen
der Vogel- und Fischpopulationen,
ganz zu schweigen von
den katastrophalen Konsequenzen
einer eventuellen Havarie.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 9. Mai 2012
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