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Gegenwind für Cristina Kirchner

Wirtschaftsturbulenzen bringen die argentinische Präsidentin unter Zugzwang

Von Diego Serra *

Nach dem Staatsbankrott 2001 wuchs Argentinien in nahezu chinesischen Dimensionen. Jetzt droht die nächste Krise. Der Wert des Peso befindet sich im Sinkflug und die Bürger flüchten in den US-Dollar.

Argentinien vor einem neuen Staatsbankrott? Nicht wenige Medien im In- und Ausland versteigen sich zu dieser These. Es ist kein Geheimnis, dass der Kirchnerismus die Nation seit Langem spaltet. Vor allem seit Cristina Fernández de Kirchner die Regierungsgeschäfte in der Hand hat. Sie folgte 2007 ihrem 2003 ins Präsidentenamt gewählten Mann Néstor Kirchner, der 2010 überraschend verstarb. 2011 triumphierte Fernández de Kirchner erneut bei den Präsidentschaftswahlen, so dass die Ära des sogenannten Kirchnerismus nun schon gut zehn Jahre währt.

Die neuen Krisenphänomene wie der Verfall des Peso und der Dollarengpass sind Wasser auf die Mühlen der Kirchner-Kritiker. Seit Jahren prognostizieren Consulting-Firmen und oppositionsnahe Wirtschaftsexperten Argentinien eine negative Wirtschaftsentwicklung. Obwohl sich in der Vergangenheit viele ihrer Prognosen als Irrtümer herausgestellt haben, werden ihre Einschätzungen fortlaufend in den regierungskritischen Medien wiedergegeben und entfalten dadurch eine breite Öffentlichkeitswirkung. Ihre marktliberalen Empfehlungen beinhalten unter anderem Sozialkürzungen, Privatisierungen und Liberalisierung. Alle diese Maßnahmen würden eine Kehrtwende für die Kirchner-Regierung bedeuten, die seit 2003 ein Anti-Programm gegen die neoliberale Politik ihrer Vorgänger verfolgt hatte.

Argentiniens Regierung kämpft seit Jahren gegen die steigende Inflation und die Spekulation gegen den Peso. Die Zukunft des Kirchnerismus hängt in hohem Maße von der Stabilisierung dieser wichtigen Indikatoren ab. Ein schwieriger Kampf in einem Land, in dem die Flucht in den Dollar und eine hohe Inflation Tradition haben, die weit vor die Kirchner-Ära zurückreicht.

Die bisher umgesetzten Maßnahmen scheinen die Probleme nicht zu lösen. Beratungsunternehmen schätzen die derzeitige Inflationsrate auf 25 bis 28 Prozent – sehr viel höher als die offiziellen Angaben. Die von der Regierung getroffenen Preisvereinbarungen mit Supermarktketten, die unter anderem die Kosten für Grundnahrungsmittel erschwinglich halten sollen, brachten bis jetzt nicht den gewünschten Erfolg.

Weiterhin verfolgt die Regierung seit mehr als zwei Jahren eine Politik der strikten Währungsrationierung. Diese radikale Entscheidung wurde getroffen, um die Kapitalflucht und das Abschmelzen der US-Dollar-Reserven der Zentralbank zu verhindern. Aber im letzten Jahr – vor allem in den letzten Wochen – schrumpften die Devisendepots und der Wert des argentinischen Pesos sank seit Anfang des Jahres um mehr als 20 Prozent. Ende Januar 2014 lag der Wechselkurs des Peso bei 8 Peso je US-Dollar. Zeitweise kletterte der Schwarzmarktkurs sogar auf bis zu 13 Peso je US-Dollar. Da die bisherigen Maßnahmen nicht von Erfolg gekrönt waren, sondern die Situation eher verschärften, ist die Währungsrationierung seit dem 27. Januar etwas gelockert worden.

Bei der Analyse der wirtschaftlichen Lage darf man jedoch nicht aus dem Blick verlieren, dass Argentinien bezogen auf Indikatoren wie Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit, Armut und Steuereinnahmen relativ gut dasteht.

Nach Schätzungen des nationalen Statistikamtes INDEC verzeichnete das Land im dritten Quartal 2013 ein Wirtschaftswachstum um etwa 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr und eine niedrige Arbeitslosenquote in Höhe von 6,8 Prozent. Nach einem im Dezember letzten Jahres von der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Cepal) veröffentlichten Bericht weist das Land zudem die geringste Armutsquote der Region auf. Die Nichtregierungsorganisation Oxfam berichtete außerdem, dass sich die Einkommens- und Vermögensungleichheit verringert hat. Eine Folge der kirchnerschen Umverteilungspolitik.

Auch bei den Steuereinnahmen sieht es nicht schlecht aus. Ricardo Echegaray, Chef der Finanzbehörde AFIP, konnte gerade ein Hoch bei den Steuereinnahmen bekanntgeben. Im Januar lagen diese um 37,5 Prozent über den Einnahmen des Vorjahresmonats.

Trotz allem blicken große Teile der Bevölkerung mit Sorge, Pessimismus und Wut auf die wirtschaftliche und politische Entwicklung ihres Landes. Das Gefühl der Unsicherheit wird durch eine an Hysterie grenzende Presseberichterstattung zusätzlich befördert. So jagte in der letzten Zeit eine Krisenmeldung die nächste. Für die großen Mediengruppen, allen voran die Gruppe Clarín, die mit Kirchner seit 2008 über Kreuz liegt, sind diese Ereignisse willkommener Stoff.

Die Opposition setzt derzeit alle Hebel in Bewegung, um in der Öffentlichkeit das Bild einer unter Druck geratenen Regierung zu zeichnen, die angesichts der wirtschaftlichen Lage kapituliert.

Festzuhalten bleibt dennoch: Der Kirchnerismus hat im Laufe der letzen zehn Jahre bewiesen, dass er auch angesichts einer politisch und wirtschaftlich schwierigen Ausgangssituation in der Lage ist, das Land zu regieren. Das ist gemessen an Argentiniens Geschichte eine ganze Menge.

* Aus: neues deutschland, Montag, 10. Februar 2014


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