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Argentinien verlangt UNO-Intervention

Buenos Aires trägt Streit um britische Ölbohrungen vor den Malwinen nach New York

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Im Streit um britische Ölbohrungen vor den Malwinen hat Argentinien ein Einschreiten der Vereinten Nationen verlangt. Außenminister Jorge Taiana forderte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei einem Treffen am Mittwoch in New York auf, in London auf einen Verzicht auf »weitere einseitige Aktionen« zu dringen.

Im Südatlantik schlägt der alte Streit zwischen Argentinien und Großbritannien um die Falklandinseln/Malwinen derzeit wieder hohe Wellen. Die britische Ölfirma Desire Petroleum hatte am Montag die Installation ihrer Bohrplattform Ocean Guard rund 100 Kilometer nördlich der Inseln abgeschlossen und unmittelbar mit der Probebohrung begonnen.

Die argentinische Regierung hatte mehrfach gegen das britische Vorgehen protestiert und zuletzt per Dekret angeordnet, dass jedes Schiff, das argentinische Häfen ansteuert oder das argentinisches Seehoheitsgebiet Richtung der Inseln passiert, eine Sondergenehmigung aus Buenos Aires braucht. So sollte in letzter Minute der Transport der Plattform Ocean Guard zu den Inseln im Südatlantik verhindert werden. Eine Kontrolle auf hoher See durch die argentinische Kriegsmarine wurde jedoch nicht angeordnet. Großbritannien hatte die Anordnung mit den Hinweis auf die Souveränität über die Inselgruppe vom Tisch gewischt, die die Briten als Falkland-Inseln, die Argentinier als Malwinen bezeichnen.

Rund um die Inseln, die 500 Kilometer östlich der argentinischen Küste im Südatlantik liegen, werden große Mengen an Erdöl und Gas vermutet. Experten gehen davon aus, bis zu 60 Milliarden Barrel Öl (159 Litern) könnten unter dem Meeresboden liegen. Bei manchen Schätzungen klettert die Zahl sogar auf traumhafte 130 Milliarden Barrel. Traumhaft mehr als die zur Neige gehenden britischen Vorkommen in der Nordsee. Ob Desire Petroleum tatsächlich fündig wird, ist jedoch offen. Die Londoner Börse glaubt jedenfalls fest daran. Der Aktienwert des Unternehmens ist in den vergangenen Monaten stark gestiegen.

Bisher ist es beim verbalen Schlagabtausch zwischen Argentinien und Großbritannien geblieben. Auch wenn zeitweise die Meldung durch die Presse geisterte, die britische Regierung habe zwei Kriegsschiffe in den Südatlantik beordert. Beide Länder führen seit dem vorletzten Jahrhundert Auseinandersetzungen um die Inseln. Sowohl Argentinien als auch Großbritannien beanspruchen diese für sich. Auf den Inseln leben derzeit etwa 3000 Menschen meist britischer Abstammung. Sie haben sich in der Vergangenheit wiederholt für eine Zugehörigkeit zu Großbritannien ausgesprochen. Am 2. April 1982 gipfelte der Streit in einen 74-tägigen Krieg, den Großbritannien gewann. Etwa 900 Menschen kamen dabei ums Leben.

Noch im September 1995 hatten Großbritannien und Argentinien ein Abkommen über das gemeinsame Vorgehen bei der Erforschung und Ausbeutung der Lagerstätten beschlossen. Doch der Streit wurde damit nicht beigelegt. Die alte Kolonialmacht halte sich nicht an die Abmachungen und treibe einseitig die Exploration voran, so der Vorwurf aus Buenos Aires. Im März 2007, wenige Tage vor dem 25. Jahrestag des Kriegsbeginns, hatte die argentinische Regierung das Abkommen aufgekündigt.

Seither ist von Großbritannien einiges und von Argentinien wenig unternommen worden, um die vermuteten Vorkommen zu erschließen. Unabhängig von der Forderung der Argentinier über die Rückgabe der Inseln wird der Fortgang der Auseinandersetzungen davon abhängen, ob Desire Petroleum fündig wird oder nicht. Mit dem Shellkonzern hatte sich Ende der 90er Jahre schon einmal ein weitaus größeres Unternehmen aus der Branche nach erfolgloser Suche aus dem Südatlantik wieder verabschiedet.

Nun ist die UNO am Zug. Ban Ki Moon müsse Großbritannien dazu bringen, die verschiedenen Resolutionen der UN-Generalversammlung und des UN-Komitees zur Entkolonialisierung zu befolgen, verlangte Argentiniens Außenminister Jorge Taiana am Mittwoch in New York. Außerdem solle der Generalsekretär in London darauf dringen, Verhandlungen über den Status der 1833 von den Briten eroberten Inseln aufzunehmen. »Argentinien ist bereit für diesen Dialog«, sagte Taiana. Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant erklärte in New York, sein Land habe keine Zweifel an der Zugehörigkeit der Inseln zu Großbritannien. Es sei auch unstrittig, dass die Regierung der Falkland-Inseln das Recht habe, die Ölförderung in ihren Hoheitsgewässern zu entwickeln. »Wir unterstützen diese legitimen Geschäfte auf dem Gebiet der Falkland-Inseln«, sagte Grant. Weiterer Zündstoff ist damit garantiert.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Februar 2010


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