Angolas Bauboom gründet auf Öl
Der Reichtum des Landes ist indes höchst ungleich verteilt
Von Armin Osmanovic, Johannesburg *
Neun Millionen wahlberechtigte
Angolaner haben heute (31. Aug.) die Wahl
zwischen neun Parteien. 2008, bei
der ersten Abstimmung nach dem
Ende des 27-jährigen Bürgerkriegs
2002, erhielt die einst marxistische
MPLA offiziell 81,6 Prozent der
Stimmen. Sie verweist auf beeindruckende
Wachstumsraten: Angolas
Wirtschaftsergebnis wuchs
in den vergangenen Jahren um
durchschnittlich zehn Prozent und
mehr. Dennoch lebt ein Großteil
der 19 Millionen Angolaner noch in
Armut. Laut jüngstem Weltbankbericht
haben zwei Drittel der Bevölkerung
weniger als zwei USDollar
täglich zur Verfügung. Und
noch immer sterben 220 von 1000
Kindern unter fünf Jahren. (Zahl
aus dem Jahr 2008). So kam es
zum ersten Mal nach dem Ende des
Bürgerkrieges zu Protesten gegen
die soziale und wirtschaftliche Situation.
Zum Abschluss des Wahlkampfes
am Mittwoch machte Dos
Santos denn auch keinen Hehl aus
den Problemen des Landes. »Wir
kennen die Herausforderungen für
Angola. Wir sind eine realistische,
pragmatische Partei«, sagte er vor
Tausenden Anhängern. »Wir wollen,
dass jeder teilhat am großen
Projekt, aus Angola ein prosperierendes
und demokratisches Land
zu machen.«
Große Worte. 30 Prozent der Arbeitsfähigen
sind trotz Wirtschaftsbooms
ohne bezahlte Beschäftigung.
Gleichzeitig steigen
die Preise. Schon heute zählt Angolas
Hauptstadt zu den teuersten
Städten der Welt. Auch für Mittelklassehaushalte
ist es schwer geworden,
die Mieten zu bezahlen.
Der Wirtschaftsaufschwung
beruht vor allem auf dem Rohstoffreichtum.
Erdöl steuert 90
Prozent der Exporteinnahmen und
80 Prozent der Staatseinnahmen
bei. Kurzzeitig – 2008 – war das
Land sogar Afrikas größter Erdölproduzent,
noch vor Nigeria.
Zweitwichtigste Einnahmequelle
sind die Diamantenvorkommen.
Mehr Staatseinnahmen sind
freilich bitter notwendig, denn der
lange Bürgerkrieg, der mit einigen
Unterbrechungen von 1975 bis
2002 andauerte, hat das Land
schwer gezeichnet. Es muss in seine
Infrastruktur investieren, um
langfristig aufblühen zu können.
Tatsächlich boomt der Bausektor.
Straßen und Eisenbahngleise
und vor allem neue Gebäude werden
errichtet. In Luanda, das heute
etwa 3,5 Millionen Einwohner hat,
sieht man etliche Kräne an neuen
Hochhausbauten. Die Hauptstadt
erhält einen Großteil der öffentlichen
Infrastrukturgelder, zumal
der starke Zustrom von Menschen
den Ausbau von Wasser- und
Stromversorgung verlangt. Geplant
ist indes noch viel mehr: Luanda
soll Afrikas größten Flughafen
und ein hochmodernes Mobilfunknetz
erhalten.
Zu einem bedeutenden Teil
wird der Ausbau der Infrastruktur
von China finanziert, das viel Kreditgeld
ins Land pumpt, um sich
den Zugang zu dessen Erdölvorkommen
zu sichern. Wie für viele
afrikanische Staaten ist das Reich
der Mitte inzwischen auch für Angola
der wichtigste Wirtschaftspartner.
2010 erreichte das Handelsvolumen
zwischen beiden
Staaten 120 Milliarden Dollar.
Brasilien, das mit Angola die portugiesische
Sprache teilt, zählt zu
den neuen großen Investoren.
Aber auch europäische Unternehmen
haben Angola entdeckt. Selbst
Deutschland, dessen Handel mit
Angola bisher gering ist, zeigt
wachsendes Interesse. Vor allem
Bauunternehmen wollen profitieren.
Vor dem Bürgerkrieg war Angolas
Landwirtschaft in der Lage,
die Bevölkerung zu ernähren.
Heute muss ein großer Teil der Lebensmittel
importiert werden. In
weiten Gebieten wurden die Felder
wegen des Krieges und der Verminung
lange Jahre nicht bestellt. Die
Regierung hat die Entwicklung der
Landwirtschaft deshalb zu einer
ihrer Prioritäten erklärt. Neben
Kapital fehlt es vielen Landbewohnern
inzwischen auch an Kenntnissen
über geeignete Produktionsmethoden
und -techniken.
Die Industrie steuert bisher nur
knapp sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt
bei. Mit wachsender
Bevölkerung und Verstädterung
könnte indes eine Nachfrage
entstehen, die auch das Interesse
von Unternehmen der verarbeitenden
Industrie weckt. Angesichts
des angolanischen Ressourcenreichtums
rechnen Experten jedenfalls
auch für die kommenden
Jahre mit kräftigem Wachstum.
Wie anfällig das Land jedoch
bleibt, haben die Jahre 2008 und
2009 gezeigt: Im Zuge der globalen
Wirtschaftskrise ging die weltweite
Nachfrage nach Öl und Diamanten
zurück. Angolas Wirtschaft wuchs
in diesen Jahren prompt nur noch
um gut zwei Prozent.
Spekuliert wird übrigens, dass
Präsident Dos Santos (70) sein Amt
vor Ablauf der nächsten Wahlperiode
an Manuel Vicente übergeben
wird. Der ist bisher Chef des
Ölkonzerns Sonangol.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 31. August 2012
Hintergrund: Das Erbe des Bürgerkriegs
Anfang der 70er Jahre wandelte
sich der Befreiungskampf
gegen die damalige Kolonialmacht
Portugal in einen
Konflikt um die Macht in einem
zukünftig unabhängigen
Angola.
Als in der Nacht zum 11.
November 1975 der Führer der
marxistisch ausgerichteten
Volksbewegung für die Befreiung
Angolas (MPLA),
Agostinho Neto, zum ersten
Präsidenten des unabhängigen
Angolas ausgerufen wurde,
weitete sich der Konflikt
der Befreiungsbewegungen zu
einem Stellvertreterkrieg im
Kalten Krieg aus. Die Sowjetunion
und Kuba unterstützten
die MPLA-Regierung,
die USA und das südafrikanische
Apartheidregime die
prowestlichen Bewegungen
Nationale Union für die vollständige
Unabhängigkeit Angolas
(UNITA) und Nationale
Front zur Befreiung Angolas
(FNLA).
Nach dem Tode Netos am
10. September 1979 wurde José
Eduardo dos Santos sein
Nachfolger. Am 22. Dezember
1988 wurde in New York der
Dreimächtevertrag zwischen
Angola, Kuba und Südafrika
unterzeichnet, der den Abzug
der kubanischen Truppen innerhalb
von 30 Monaten vorsah.
Aus den ersten Wahlen
1992 ging die MPLA siegreich
hervor. UNITA-Chef Jonas
Savimbi akzeptierte seine
Niederlage nicht und setzte
den bewaffneten Kampf fort.
Erst sein Tod 2002 ermöglichte
eine Rückkehr zum Friedensprozess.
Schätzungsweise verloren
in 27 Jahren Bürgerkrieg
600 000 Menschen ihr Leben,
4,5 Millionen wurden vertrieben.
Die weltweit höchste
Konzentration von Landminen
fordert heute noch Opfer und
macht eine landwirtschaftliche
Nutzung großer Landesteile
unmöglich. nd
(neues deutschland, Freitag, 31. August 2012)
"Deutsche Banken stützen den Despoten"
Friedensaktivist Emanuel Matondo über deutsche Militärhilfe und Wirtschaftsinteressen in Angola **
Emanuel Matondo floh 1990 als
Kriegsdienstverweigerer aus Angola
nach Deutschland. 2001 wurde sein
Asylantrag anerkannt. Mit seiner Familie
lebt er heute in Köln. Der Menschenrechts-
und Friedensaktivist ist
einer der Gründer der Angolanischen
Antimilitaristischen Menschenrechtsinitiative
(IAADH e.V.) und wird derzeit
von der Bewegungsstiftung gefördert.
Mit ihm sprach für »nd« Martin Ling.
Zu den Wahlen am 31. August
schickt die EU anders als 2008
keine Wahlbeobachter, sondern
nur zwei »Wahlexperten«. Die EU
bewertet Angola inzwischen als
stabilen Staat. Mit Recht?
Keinesfalls. Die EU steckt in einem
Dilemma. Sie hat die Wahlen 2008
als im Prinzip frei und fair eingeschätzt,
abgesehen von ein paar
Unregelmäßigkeiten. Hinter diesen
Standpunkt kann sie nun
schlecht zurück und erneut Wahlbeobachter
schicken, etwa weil sie
unfreie Wahlen befürchtet. Dabei
war 2008 klar, dass die Ergebnisse
mit über 80 Prozent für die regierende
MPLA kaum repräsentativ
sein können. In Angola gelten
70 Prozent der Bevölkerung als
arm, es gibt nahezu täglich Proteste
wegen der Verelendung. Dass
das mit einer solchen Zustimmung
zur Regierung einhergehen soll, ist
zumindest zweifelhaft. In Angola
kann es jederzeit knallen. Das als
stabil zu bezeichnen, ist unseriös.
Diese Einschätzungen beruhen auf
makroökonomischen Wachstumsraten,
die im krassen Widerspruch
zu den sozialen Daten sowie
mikroökonomischen Fakten
stehen. Es wird nicht darauf geschaut,
wem dieses Wachstum zugutekommt.
Die hohen Ölerlöse
landen doch nicht bei den Armen,
sondern in den Taschen der Reichen,
einer kleinen Elite.
Die Bundesregierung pflegt gute
Wirtschaftskontakte zum rohstoffreichen
Land. 2011 wurde im
Kontext der Reise Angela Merkels
sogar erwogen, Patrouillenboote
an die Regierung zu liefern. Warum
ist das Geschäft gescheitert?
Zunächst eine Klarstellung: Auch
wenn in der deutschen Öffentlichkeit
während des Merkel-Besuchs
in Angola von Patrouillenbooten
die Rede war – das stimmt nicht.
Angola hatte Interesse an Kriegsschiffen
wie Fregatten und Korvetten
sowie an Patrouillenbooten
bekundet. Die Voranfrage ging
schon 2005 an die rot-grüne Regierung
und wurde positiv beantwortet.
Paul Schäfer von der LINKEN
hatte Jahre später eine parlamentarische
Anfrage in dieser
Sache unternommen und das Auswärtige
Amt gab in seinem Antwortschreiben
vom 22. Oktober
2010 zu erkennen, dass es sich um
die Lieferung von Korvetten und
Patrouillenbooten handele. Angolanische
Quellen aus Militärkreisen
bestätigen all dies. Die Kanzlerin
Angela Merkel ist mit einem
unterschriftsreifen Vertrag nach
Luanda gereist. Aufgrund des öffentlichen
Drucks in Deutschland
wurde dann die Sprachregelung
geändert.
Aber der Deal ist dennoch geplatzt.
Weshalb?
Der Deal kam erst mal nicht zustande.
An der Lage der Menschenrechte
in Angola lag es jedenfalls
nicht. Es ging um Vertragsdetails.
Deutschland hatte eine
Paketlösung angeboten, die eine
Einscannung des angolanischen
Luftraumes vorsah. Das war
Teilen des angolanischen Militärs
zu heikel, weil sie dadurch die nationale
Sicherheit gefährdet sahen.
Der zweite Grund war, dass
diejenigen aus verschiedenen
Fraktionen im Epizentrum der
Korruption um den Präsidenten
Angolas, die das Geschäft mit den
Kriegsschiffen eingefädelt hatten,
sich offenbar nicht gut genug bedient
fühlten. Diese beiden Gründe
wurden uns aus angolanischen Insider-
Kreisen genannt. Der Deal
wurde also wegen Angola und
nicht wegen Deutschland vorerst
verschoben.
In welchen Geschäftsfeldern
sind deutsche Unternehmen in
Angola vornehmlich aktiv?
Deutsche Unternehmen waren
schon während der Ära des faschistischen
portugiesischen Diktators
António Salazar (1932-
1968) in das Geschäft mit Naturressourcen
eingestiegen – Salazar
wurde von der BRD auch im Unabhängigkeitskampf
Angolas gegen
die Befreiungsbewegung gestützt.
Diese Geschäfte wurden mit
einer gewissen Pause nach der
Unabhängigkeitserklärung Angolas
wieder verstärkt. Seit Mitte der
90er Jahren gehören deutsche
Banken wie die Commerzbank, die
bekanntermaßen inzwischen teilverstaatlicht
ist, zu den größten
Kreditgebern der angolanischen
Ölindustrie. Deutsche Banken
stützen den Despoten José Eduardo
dos Santos und seine raffgierige
Clique, und die Bundesregierung
schafft die politischen Rahmenbedingungen
für ein reibungsloses
Geschäftsfeld mit dem
Despoten. Das ist Rohstoff-Außenpolitik
pur, für den freien Zugang zu billigem
Erdöl, Flüssiggas sowie Seltenen
Erden. Andere Bereiche wie
Mittelstands- oder Kleinunternehmensförderungen
spielen dabei
keine Rolle. Nur Big Business zählt,
das auf die Ausplünderung der
Ressourcen abzielt. Mit der Bekämpfung
der Armut nimmt es
Deutschland dagegen nicht ernst.
** Aus: neues deutschland, Freitag, 31. August 2012
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