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Havannas Beitrag

Vor 25 Jahren schloß Südafrika in Angola auf Druck Kubas einen Waffenstillstand

Von Christian Selz *

Im Caprivizipfel, im äußersten Nordosten Namibias an der Grenze zu Angola, sind die alten Militärlager Südafrikas mittlerweile verfallen. 75 Jahre lang, von der Kapitulation der noch grausameren deutschen Kolonialherren bis zur Unabhängigkeit 1990, hatte der große südliche Nachbar das dünnbesiedelte Namibia besetzt gehalten. Das damalige South West Africa war aus Sicht der rassistischen südafrikanischen Regierung in Pretoria so etwas wie die fünfte Kolonie. Die gesellschaftspolitischen Parallelen waren eindeutig: Die Weißen, Nachfahren deutscher und burischer Siedler, beherrschten Land und Produktionsmittel, die Schwarzen wurden terrorisiert, unterdrückt und als Wanderarbeiter ausgebeutet. Der grausame Krieg, den die Südafrikaner von hier aus in Angola führten, endete am 8. August 1988 mit einem von kubanischen Brigaden erzwungenen Waffenstillstand. Der bewaffnete Konflikt im benachbarten Angola sollte danach zwar noch weitere 14 Jahre andauern, doch für Namibia war das entscheidende Eingreifen der kubanischen Truppen das Tor zu Freiheit und Unabhängigkeit. Und für Südafrika leitete er das Ende des Apartheidregimes ein.

Kuba greift ein

Der entscheidende Wendepunkt in der Geschichte des südlichen Afrikas lag da bereits knapp drei Monate zurück. Mit ihrer Offensive auf die im Südosten Angolas gelegene Kleinstadt Cuito Cuanavale hatten Pretorias Truppen gemeinsam mit ihren Verbündeten, der von den USA aufgerüsteten angolanischen Rebellenformation União Nacional para a Independência Total de Angola (Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas, kurz ­UNITA), versucht, drei isolierte Brigaden der angolanischen Streitkräfte Forças Armadas Populares de Libertação de Angola (Volksstreitkräfte zur Befreiung Angolas, kurz FAPLA) zu zerschlagen. Diese bildeten den bewaffneten Arm der seit der Unabhängigkeit Angolas 1975 offiziell regierenden, damals noch marxistisch orientierten Volksbefreiungsbewegung Angolas (MPLA).

Ihr enges Verhältnis zu Kuba ging bis in die Zeit des Unabhängigkeitskampfes gegen die portugiesischen Kolonialherren zurück. Großangelegte militärische und zivile Hilfe wurden allerdings erst nach ihrer Regierungsübernahme auf zwischenstaatlicher Basis geleistet. Zum Ende seines Engagements hatte die sozialistische Inselrepublik 55000 Soldaten sowie Tausende Ärzte, Lehrer und Ingenieure nach Angola entsendet. Der massive Einsatz Kubas war dabei auch eine Antwort auf die verhaltene Unterstützung der Sowjetunion für die MPLA. Moskau lieferte zwar moderne Waffen, aber kaum personelle Unterstützung. Eine Niederlage der Regierungstruppen gegen US-unterstützte Rebellen und Südafrikaner schien in Kauf genommen zu werden.

Für Fidel Castro war das keine Option. Er glaubte, daß die Zerschlagung der angolanischen Einheiten durch die Truppen Pretorias und der UNITA das Ende des angolanischen Staates hätte bedeuten können. Für die USA, deren Geheimdienste lange Zeit fälschlicherweise annahmen, das kubanische Engagement erfolge im Auftrag der UdSSR, war die Zerstörung Angolas schon Jahre zuvor eine genehme Option.

Das verrät das Protokoll einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates der USA vom 27. Juni 1975, also gut vier Monate vor der offiziellen Unabhängigkeit Angolas. An dem Treffen nahmen neben dem damaligen Präsidenten Gerald Ford, Außenminister Henry Kissinger und CIA-Chef ­William Colby auch der damalige Assistent des Präsidenten und spätere »Verteidigungsminister« Donald Rumsfeld, teil. Der damalige Pentagon-Chef James Schlesinger regt darin an, daß die USA Angola zerfallen lassen könnten. Die Ölreserven des Landes sollten in die Hand des zairischen Diktators Mobutu Sese Seko gelangen. Dieser war den USA hörig und sollte, so die Planungen, die zu Angola gehörende, erdölreiche Exklave Cabinda erobern und sichern.

Trotz der eigenen Unterstützung brutaler Rebellengruppen wie der UNITA – über deren Chef Jonas Savimbi sich hartnäckige Gerüchte halten, er habe dem Verzehr von Menschenfleisch gefrönt – warf US-Präsident Ford Fidel Castro einen »ungeheuerlichen Akt der Aggression« vor und nannte ihn »einen internationalen Gesetzlosen«.

Gelebte Solidarität

»Internationalistisch« statt »international« wäre präziser gewesen. Doch die US-Regierenden vermochten die Absichten Kubas den gesamten Krieg über nicht zu verstehen. Castro gab daher Nachhilfe: »Angola ist ein ressourcenreiches Land, in Cabinda gibt es viel Öl. Einige Imperialisten wundern sich, warum wir den Angolanern helfen, welche Interessen wir haben. Sie sind es gewöhnt, daß ein Land einem anderen nur hilft, wenn es Öl, Kupfer, Diamanten oder andere Rohstoffe haben will. Nein, uns geht es nicht um materielle Interessen, und es ist logisch, daß die Imperialisten das nicht verstehen. Die kennen nur chauvinistische, nationalistische und egoistische Kriterien. Indem wir den Angolanern helfen, erfüllen wir eine fundamentale Pflicht des Internationalismus.«

Im südlichen Afrika wurde der kubanische Einsatz dabei tatsächlich so wahrgenommen. Noch immer wird den Kubanern, die in vielen Ländern noch heute vor allem mit Ärzten helfen, die Unterstützung hoch angerechnet. Den prominentesten Dank für den militärischen Einsatz, bei dem kubanische Brigaden im März 1988 die UNITA und südafrikanische Truppen unter hohen eigenen Verlusten entscheidend zurückdrängten und so den Weg für Friedensverhandlungen freimachten, sprach Nelson Mandela knapp anderthalb Jahre nach seiner Freilassung am 26. Juli 1991 anläßlich der Feierlichkeiten zum 38. Jahrestag der kubanischen Revolution in Havanna aus. »Das kubanische Volk hat in den Herzen der Menschen Afrikas einen besonderen Platz«, eröffnete der spätere erste demokratisch gewählte Präsident Südafrikas, der für seinen Kampf gegen die Apartheid 27 Jahre hinter Gittern saß, seine Rede.

»Die kubanischen Internationalisten haben einen Beitrag zu afrikanischer Unabhängigkeit, Freiheit und Gerechtigkeit geleistet, der in seiner Prinzipientreue und Selbstlosigkeit unerreicht ist. Wir in Afrika sind es gewöhnt, Opfer von Ländern zu sein, die unser Territorium aufteilen oder unsere Souveränität untergraben wollen. Es gibt kein zweites Mal in der Geschichte Afrikas, daß ein anderes Volk sich zu unserer Verteidigung erhoben hat. Der Sieg über die Apartheid-Armee war eine Inspiration für die kämpfenden Menschen in Südafrika. Ohne den Sieg von Cuito Cuanavale wären unsere Organisationen nicht legalisiert worden, der Sieg über die rassistische Armee in Cuito Cuanavale hat es möglich gemacht, daß ich heute hier bin«, unterstrich Mandela die Bedeutung des kubanischen Eingreifens. Cuito Cuanavale, so sah es nicht nur der spätere Friedensnobelpreisträger, war ein Meilenstein in der Geschichte des Befreiungskampfes im südlichen Afrika gewesen.

Quelle: »Der Dreimächtevertrag«

Am 22. Dezember 1988 wurden von den Regierungen der Volksrepublik Angola, der Republik Kuba und der Republik Südafrika der Dreimächtevertrag unterschrieben. In diesem heißt es:

»Die Staaten (…) versichern die Souveränität, souveräne Gleichheit und Unabhängigkeit aller Staaten in südwestlichen Afrika (…), den Grundsatz des Verzicht von Androhung oder den Einsatz von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit anderer Staaten, sie bekräftigen das Recht der Völker des südwestlichen Afrikas auf Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Gleichberechtigung und deren Anspruch auf Frieden, Entwicklung und sozialen Fortschritt (…).

Alle militärischen Kräfte der Republik Südafrika ziehen sich aus Namibia zurück (…).

Die Republik Südafrika und die Volksrepublik Angola beabsichtigen, in Kooperation mit dem Generalsekretär (der Vereinten Nationen – d.Red.) die Unabhängigkeit Namibias durch freie und faire Wahlen sicherzustellen (…). Sie achten die territoriale Integrität und Unverletzlichkeit der Grenzen Namibias und stellen sicher, daß das Staatsgebiet nicht von anderen Staaten, Organisationen oder Personen in Verbindung mit Kriegshandlungen, Aggressionen oder Akten von Gewalt genutzt wird (…).

Die Volksrepublik Angola und die Republik Kuba erfüllen ein bilaterales Abkommen, dieses sieht den Rückzug aller kubanischer Truppen in Richtung Norden sowie deren vollständigen Abzug aus dem Gebiet der Volksrepublik Angola vor (…).

Sie respektieren den Grundsatz der Nichteinmischung in die innerstaatlichen Angelegenheiten der Staaten des südwestlichen Afrikas.«

peacemaker. n.org/angola-tripartite-agreement88



* Aus: junge Welt, Samstag, 3. August 2013


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