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"Blutdiamanten" und Öl

Geschichte. Vor 20 Jahren unterzeichneten die Bürgerkriegsparteien in Angola eine Friedensvereinbarung. Doch die gewaltsamen Auseinandersetzungen waren damit nicht beendet

Von Jan Köstner *

Der Konflikt war ein Produkt des Kalten Krieges: Nach der Unabhängigkeit Angolas 1975 führte die von den USA unterstützte Guerillabewegung UNITA (Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas) einen langen und blutigen Bürgerkrieg gegen die mit der Sowjetunion verbündete Regierung der Volksbewegung zur Befreiung Angolas, MPLA.

Am 31.5.1991 wurde von den angolanischen Bürgerkriegsparteien der »Akkord von Bicesse« unterzeichnet, der den seit 1975 andauernden Konflikt beenden sollte. Die Vereinbarung sah die Umwandlung Angolas in ein parlamentarisches Mehrparteiensystem und die Abhaltung freier Wahlen im September 1992 vor. Sowohl die US-Regierung als auch der Führer der UNITA, Jonas Savimbi, spekulierten auf eine Niederlage der MPLA. Als das Wahlergebnis jedoch eine Parlamentsmehrheit für diese ergab und ihr Präsidentschaftskandidat José Eduardo dos Santos die absolute Mehrheit nur knapp verfehlte, erklärte Savimbi das Wahlergebnis für gefälscht und lehnte eine Anerkennung seiner Niederlage ab.

Damit war der Friedensprozeß vorerst gescheitert. Die daraufhin im Herbst 1992 ausbrechenden Feindseligkeiten zwischen Anhängern der ­MPLA und der UNITA führten zur Wiederaufnahme der Kampfhandlungen durch letztere Ende 1992. Sie konnte dabei wesentliche Geländegewinne erzielen, teilweise kontrollierte die UNITA bis zu 70 Prozent des angolanischen Territoriums und erstmals in der Geschichte des Bürgerkriegs auch größere Städte wie Huambo. Das Einrücken der UNITA in Gebiete, die vorher nie unter ihrer Kontrolle gestanden hatten, führte zu Fluchtbewegungen bisher nicht gekannten Ausmaßes. Die Periode 1993–94 ist daher als die verheerendste Phase des angolanischen Bürgerkriegs anzusehen.

Lukratives Geschäft

Nach Wiederaufflammen des Krieges gelang es der UNITA 1993 die Kontrolle über die vielversprechendsten Diamantengebiete in den Provinzen Lunda Norte und Lunda Sul im Nordosten Angolas herzustellen. In den Lunda-Provinzen und der zairischen Provinz Kasai, südlich des Kongobeckens gelegen, finden sich im Schwemmland der zahlreichen Flüsse Diamanten, die im Tagebau abgebaut werden können. Bereits in den 1970er Jahren hatte die UNITA in geringem Maße Diamanten über Südafrika exportiert, in den 1990ern begann sie im großen Stil, in das Geschäft einzusteigen, was ihr die Möglichkeit bot, trotz des Wegfalls der US-amerikanischen Unterstützung der Regierung Paroli zu bieten. Sie profitierte dabei von der

Aufhebung des staatlichen Diamantenmonopols im Dezember 1991, die das bisher illegale Schürfen durch sogenannte Garimpeiros legalisierte, und versuchte, durch die Etablierung von Aufkaufbüros illegal geschürfte Diamanten abzuschöpfen. Dadurch war der Abbau der Edelsteine zu einer bedeutenden Säule der informellen Ökonomie in Angola geworden. Nach dem Friedenschluß von Bicesse strömten arme Angolaner auf die Diamantenfelder, unter ihnen viele (selbst-)demobilisierte Soldaten und Guerillas, aber auch Schürfer aus Zaire, die über das zur Diamantenproduktion notwendige Erfahrungswissen verfügten. Lag die Zahl der Garimpeiros 1991 bei 6000 bis 10000, waren es im August 1992 bereits 50000. Ihre Zahl stieg täglich um 500.[1] Unter den Bedingungen der Rechtlosigkeit im kriegsgebeutelten Angola bot die Produktion von Diamanten durch unorganisiert operierende Schürfer bewaffneten Gruppen die Möglichkeit, durch Erpressung und/oder Gewährung von Schutz an den Gewinnen zu partizipieren. Nach der Einnahme der Lunda-Provinzen durch die UNITA hatten die Garimpeiros die Wahl, unter ihrer Protektion gegen Abgaben zu schürfen oder – auf weniger profitablen Claims – auf eigene Rechnung, jeder bewaffneten Gruppe, einschließlich der UNITA, als Beute ausgeliefert. Für den gebotenen »Schutz« kontrollierten Bewaffnete die Garimpeiros – normalerweise beim Auswaschen der Diamanten aus Sedimenten – und »besteuerten« sie dann mit 20 Prozent der gefundenen Steine.

Gleichzeitig organisierte die UNITA im Verbund mit ausländischen Firmen Arbeitskräfte für größere Unternehmungen unter Einsatz von Maschinen, wobei die Arbeitskräfte, die einen Teil der Produktion erhielten, vom erhöhten Output profitierten. Die Firmen wurden mit 50 Prozent der gefundenen Rohdiamanten »besteuert«. Trotzdem waren ihre Profite sehr hoch, speziell in der Periode relativen Friedens 1994 bis 1998. Mit diesen Methoden konnte die UNITA die Kosten der Produktion fast vollständig auf die Schürfer und die Firmen abwälzen und hohe Gewinne einfahren. Gleichzeitig mußte sie, anders als die Garimpeiros, keine hohen Abschläge bei Preisen machen, da sie den Export zentralisierte und infolge ihrer internationalen Verbindungen de facto Teil des weltweiten Diamantenhandels war. Der Wert der zwischen 1992 und 2000 durch die UNITA verkauften Diamanten wird auf drei bis vier Milliarden US-Dollar geschätzt; die Höhe der dabei erzielten Profite ist nicht bekannt.[2]

Die UNITA war noch aus der Tradition des Kalten Krieges her in ein internationales Netzwerk von Geldwäsche und Finanzdienstleistung, Transport und Waffenhandel eingebunden. Nachdem die Unabhängigkeit Namibias 1990 die Möglichkeiten zur Versorgung der UNITA einschränkte, baute die CIA ihr von Zaire aus operierendes System der luftunterstützten Transporte aus. Nach dem Ende der Blockkonfrontation wurde diese bereits existierende Logistik in ein lukratives Geschäft verwandelt. Es entwickelte sich ein Netzwerk von Waffenschiebern, Transportunternehmen und Diamantenhändlern, über das die UNITA sowohl ihre Versorgung mit Waffen, Treibstoffen und anderen Waren, als auch den Export der Rohdiamanten abwickeln konnte. Die Händler, darunter Kongolesen, Belgier und Südafrikaner (oft alte Bekannte aus der Zeit der Apartheid), flogen aus Zaire zu den von der UNITA durchgeführten Auktionen nach Luzamba in Lunda Norte ein, wo vorbereitete Diamantenpakete im Wert von 500000 bis einer Million US-Dollar versteigert wurden. Der Zahlungsverkehr konnte leicht über europäische Banken abgewickelt werden. Darüber hinaus konnten UNITA-Repräsentanten dank ihrer guten Beziehungen zu Ruanda Geschäfte in Kigali durchführen, was durch die Einflußnahme Ruandas ins südöstliche Zaire (später Demokratische Republik Kongo) erleichtert wurde. Für die Waffenversorgung waren der Zusammenbruch des sozialistischen Lagers und die darauf folgende Umstellung osteuropäischer Staaten auf NATO-Standards hilfreich, die zu einem reichlichen Angebot billiger Waffen auf den internationalen Märkten führte.

Die Niederlage in den Kämpfen 1992/93 zwang die MPLA-Regierung zu einer unorthodoxen Antwort auf die Bedrohung. Zwar konnte sie ab August 1993 nach der faktischen Aufhebung des Waffenembargos die militärische Initiative zurückgewinnen, war aber angesichts der erfolgten Aufrüstung der UNITA nicht in der Lage, diese aus ihrer wirtschaftlichen Basis in den Lunda-Provinzen zu vertreiben. Die Lösung bestand darin, den Kampf gegen die UNITA mit der Gewährung von Bergbaukonzessionen zu verknüpfen. So wurde im September 1993 die südafrikanische Söldnerfirma Executive Outcomes (EO) engagiert, die im Juli 1994 die Stadt Cafunfo im Cuango-Tal einnehmen konnte. Executive Outcomes war geschäftlich mit der Sicherheitsfirma Sandline International verbunden, die wiederum über ihre Beziehungen mit der Bergbaufirma Diamond Works im angolanischen Diamantensektor engagiert war. Als 1995 der Vertrag zwischen der Regierung und Executive Outcomes auslief, wurden frühere EO-Mitarbeiter für Diamond Works in Angola engagierte Tochterfirma Branch Energy als Sicherheitskräfte tätig. Anfang 1996 erhielt das Joint Venture von America Mineral Fields und International Defence and Security Schürfrechte im Diamantenbereich im nördlichen Cuango-Tal, die die Ausschaltung der UNITA im Konzessionsgebiet erforderten. Während die Präsenz der Söldner die Rebellenaktivitäten zumindest einschränkten, waren die damit verbundenen Geschäfte für die beteiligten Firmen Mißerfolge, vermutlich weil Teile der angolanischen Armee (Forças Armadas de Angola – FAA) selbst im Feld von Sicherheitsleistungen und Diamantenförderung tätig wurden [3], wobei Armeeeinheiten auf eigene Rechnung schürften: Die Soldaten arbeiteten drei Tage für die Truppe, drei Tage für sich selbst, wobei die Offiziere aus dem Truppenanteil finanziert wurden. Zwar widersprach diese Praxis den von der Regierung vergebenen Konzessionen, die Diamantenfirmen konnten sie jedoch nicht in Frage stellen, denn die zweifelhafte Praxis der Söldnerfirmen gab den FAA die Möglichkeit, die Nische der Sicherheitsdienstleistungen zu besetzen, wobei sie oft effektivere Ergebnisse erzielten. Der Zentralregierung hingegen fehlte schlicht die Durchsetzungsfähigkeit im »Wilden Osten« der Lunda-Provinzen.

Erneute Friedensbemühungen

Die Erkenntnis, daß sich Ende 1993 im Bürgerkrieg abermals ein Patt eingestellt hatte, erhöhte in der UNITA die Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Regierung. Am 5.1.1994 begannen unter internationaler Vermittlung formelle Gespräche zwischen den Kontrahenten, die am 17.2.1994 zur Unterzeichnung des Protokolls von Lusaka und am 15.11.1994 zu einer Vereinbarung über die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit (GURN) führten. Beide Abkommen blieben jedoch in wesentlichen Teilen Makulatur. Der Grund dafür lag in den exorbitanten Einnahmen der UNITA aus dem Diamantenhandel, die wesentlich höher als die von den USA im Kalten Krieg gewährte Unterstützung waren und deren Erträge durch keine wie auch immer geartete Machtteilung ersetzt werden konnten.[4] Nachdem die UNITA bereits im April 1993 eine Einigung gefordert hatte, die die »neuen Realitäten«, also ihre Kontrolle über weite Teile des Landes, berücksichtigte, verzögerte Savimbi nach 1994 beständig die Einbeziehung der UNITA in die Regierung und die damit verbundene Unterstellung der von ihr besetzten Gebiete unter die Zentralgewalt.

Weder die fortgesetzten Verurteilung der ­UNITA durch die UNO, die sich nach 1993 stetig verschärfenden Sanktionen gegen Savimbi und seine Entourage noch internationale Vermittlungsversuche, wie das Treffen zwischen UN-Generalsekretär Kofi Annan und Savimbi in Jamba 1997, erreichten ein Einlenken. Am 11.4.1997 wurde daher die GURN ohne Vertreter der UNITA gebildet.

Im Kalten Krieg hatte Savimbi sich sicher sein können, daß jede seiner Handlungen automatisch die Billigung der USA finden würde. Doch die internationale Lage hatte sich geändert. Der Zusammenbruch der Sowjetunion hatte die geostrategischen Prioritäten der US-Administration verschoben. Hatte vorher das Hauptaugenmerk auf der Beseitigung »sowjetischer Klientelstaaten« und der Stabilisierung von US-freundlichen Regimes im südlichen Afrika gelegen, rückten nun die Erdölvorräte im Golf von Guinea in den Fokus der US-amerikanischen Interessen, wobei die Frage, unter welcher Regierung dieses Öl gefördert wurde, zweitrangig war.

Die in Angola tätigen Ölfirmen hatten bereits in den 1970er Jahren gute Beziehungen zur ­MPLA aufgebaut und waren für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Angola und den USA eingetreten. 1993 forderten sie US-Präsident William Clinton erneut zur Anerkennung der angolanischen Regierung auf. Nachdem sich auch Vertreter der Politik wie der US-Außenminister Warren Christopher und Harry Johnstone, der Vorsitzende des Kongreß-Subkomittees für das südliche Afrika, dafür aussprachen, erfolgte am 14. Mai 1993 die diplomatische Anerkennung durch die Vereinigten Staaten.

Dennoch war die Politik Washingtons in dieser Periode nicht einheitlich. Während Clinton die Verteidigung einer demokratisch gewählten Regierung propagierte und die Lieferung von Radargerät zum Schutz der Ölplattformen erwog, forderte der Vorsitzende des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten, Jesse Helms, einen Boykott angolanischen Öls und ein Waffenembargo gegen die MPLA-Regierung. Allerdings unterstützten auch die Republikaner das Lusaka-Abkommen, das ihnen als günstigste Variante für Savimbi erschien.

Die Positionierung der in Angola tätigen Ölkonzerne war hingegen eindeutig: Sie partizipierten, unter anderem durch Gewährung von Krediten und Bürgschaften, an der Finanzierung von Waffengeschäften. Eine bedeutende Rolle spielten die bei der Vergabe von Ölförderlizenzen anfallenden Boni, die relativ unkontrolliert vom Präsidialapparat für militärische Zwecke verwendet werden konnten. Gleichzeitig erlaubten die Öleinnahmen der Regierung den Aufbau einer über das Militär hinausgehenden Klientel, wodurch die innere Ordnung politisch relativ stabil blieb. Dieses Kalkül war durchaus im Sinne der Ölkonzerne, die an einer Beruhigung der Lage interessiert waren.

Brutalisierung des Krieges

Die Aufteilung des angolanischen Festlandsockels zu Beginn der 1990er Jahre löste einen Ansturm internationaler Ölkonzerne wie Chevron, Elf (heute Total), Exxon und BP aus, was zu einer Erhöhung der Einnahmen der Regierung sowohl aus den gezahlten Boni als auch aus der gestiegenen Förderung auf 3,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 1998 führte. Von der von 474000 Barrel pro Tag (bpd) 1990 auf 760000 bpd gestiegenen Förderung wurden 70 Prozent in die USA exportiert, was Angola zum sechstgrößten Lieferanten der USA machte.[5] Gleichzeitig wurden durch die Wirtschaftsreformen und die Öffnung der angolanischen Märkte mehr und mehr US-amerikanische Investitionen nach Angola und in die Region gezogen. Die Weiterführung des angolanischen Konflikts mit Tausenden Toten und Millionen Vertriebenen sowie die Zerstörung der Infrastruktur bildeten dabei Hemmnisse für die weitere Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Angola.

Die neugewonnene Rolle als wichtiger Erdölproduzent erlaubte der angolanischen Regierung ein offensiveres Vorgehen gegen die Machtbasen der UNITA, um deren wirtschaftliches Rückgrat zu brechen. Ab 1997 begannen die FAA die Kontrolle der Regierung über die Lunda-Provinzen durch die Besetzung der größeren Städte wiederherzustellen: Im September 1997 wurde Cuango übergeben, im Oktober Mavinga und im Januar 1998 zog sich die UNITA aus ihrem strategisch bedeutsamen Handelszentrum Luzamba zurück. Obwohl sie rings um die Stadt noch reiche Diamantenvorkommen kontrollierte, versetzte dieser Verlust dem zentralen Diamantenhandel einen schweren Schlag.

Begünstigt wurde die Strategie der Regierung durch das veränderte regionalpolitische Umfeld: Im Mai 1997 wurde der zairische Diktator Mobutu Sese Seko, ein enger politischer Verbündeter der UNITA, entmachtet; und im Oktober 1997 stürzte der frühere Präsident der Republik Kongo Denis Sassou-Nguesso mit angolanischer Unterstützung Patrick Lissouba. Im August 1998 schließlich intervenierten Angola, Simbabwe und Namibia zugunsten der Regierung von Laurent-Désiré Kabila in der Demokratischen Republik Kongo gegen die von Uganda und Ruanda unterstützten Rebellen. Damit gelang es, sowohl entscheidende Nachschubwege der UNITA als auch ihre Hauptrouten des Diamantenhandels zu unterbrechen.

Der fortgesetzte Druck durch die Regierung führte in der UNITA zu schwerwiegenden Zerwürfnissen, und die Bewegung spaltete sich im September 1998 in einen den bewaffneten Kampf fortsetzenden Savimbi-treuen und einen an friedlichem Ausgleich interessierten Flügel, die UNITA-Renovada, der von der Regierung als Verhandlungspartner anerkannt wurde.

Im Dezember 1998 kündigte der angolanische Präsident José Eduardo dos Santos am Vorabend des IV. Parteitags der MPLA die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen gegen die Savimbi-UNITA an, da dies der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden sei. Erwartungen auf eine schnellen Sieg wurden jedoch zunichte gemacht – die UNITA war immer noch mit modernen Waffen ausgestattet und setzte der FAA teilweise erbitterten Widerstand entgegen. Die Zentralisierung der Gewinne aus dem Diamantenhandel jedoch, die bisher der UNITA das Überleben ermöglicht hatten, wurden durch die Wiederaufnahme des Krieges verhindert. Die Diamantenförderung konzentrierte sich zunehmend auf die Provinzen Moxico und Cuando-Cubango, wobei aber der Umfang der bisherigen Einnahmen aus alluvialen Diamanten keinesfalls erreicht wurde. Im Ergebnis sanken die Diamantenverkäufe der UNITA von ihrem Maximum von geschätzten 700 Millionen 1997 auf 150–300 Millionen US-Dollar 1999, wobei die Profite infolge der Zersplitterung der Handelsnetzwerke noch stärker sanken.[6] Die finanziellen Verluste der UNITA und das Bestreben vereinzelt operierender UNITA-Banden, ihre Einnahmen durch Auspressung der garimpeiros zu erhöhen, waren der Grund für die weitere Brutalisierung des Krieges nach 1998.

Nach der Zerschlagung der UNITA-Basen in den Lunda-Provinzen wurde die Regierung beständig stärker, während der UNITA, die zusätzlich durch UN-Sanktionen gegen den illegalen Diamantenhandel behindert wurde, Handlungsoptionen fehlten.

Nach der Machtübernahme durch die Bush-Regierung 2001 versuchte Savimbi an die guten Beziehungen zu früheren republikanischen Regierungen anzuknüpfen. Er lud US-Außenminister Colin Powell zu einem Treffen in sein Hauptquartier nach Jamba ein und schlug die Einrichtung einer »Multiparteienkommission« zur Kontrolle der Öl- und Diamantenressourcen vor. Doch auch die Bush-Administration mußte die steigende Bedeutung Angolas in der Region und die Relevanz angolanischen Öls im internationalen Kontext in Rechnung stellen: Im August 2001 bezeichnete US-Botschafter Christopher Dell die Vereinbarungen von Lusaka als nicht verhandelbar.[7] Die USA hatten ihren langjährigen Verbündeten fallengelassen.

Ein halbes Jahr später fand der angolanische Bürgerkrieg seinen endgültigen Abschluß: Am 23.2.2002 bestätigte die Armee den Tod Savimbis in der Provinz Moxico. Die Reste der UNITA kapitulierten. Wenige Tage später besuchte Eduardo dos Santos die USA.

Ruiniertes Land

Der fast dreißigjährige Bürgerkrieg hatte das potentiell reiche Land komplett ruiniert. War die erste Phase (1975–92) ein Ausdruck der weltweiten Blockkonfrontation, zeigte sich nach 1992 eine neue Dynamik – ein Konflikt der durch die internationale Nachfrage nach strategischen Ressourcen angetrieben und durch Ressourcenkontrolle entschieden wird.

Die angolanische Bevölkerung hatte keinen Nutzen vom Ressourcenreichtum: Bei Ende des Krieges lebten neun der 13 Millionen Einwohner Angolas von weniger als einem Dollar am Tag. Millionen von Minen waren verlegt worden, was die landwirtschaftliche Produktion noch auf Jahre hinaus beeinträchtigen wird. Infolge von Flucht und Vertreibung von fast vier Millionen Menschen lebt heute mindestens die Hälfte der Angolaner ohne Existenzgrundlage in Städten. Die Ungleichheit der Einkommen ist hoch, und im Index der menschlichen Entwicklung liegt Angola weiterhin auf einem der hinteren Plätze. Bis dato haben weder der Öl- noch der Diamantenreichtum des Landes zu einer Verbesserung dieser Situation geführt.

Anmerkungen
  1. Chr. Dietrich, »Power Struggles in the Diamond Fields«, in: Jakkie Cilliers/Christian Dietrich (Hg.), Angola’s War Economy, Pretoria 2000
  2. Ph. Le Billon, »Angola’s Political Economy of War: The Role of Oil and Diamonds, 1975–2000« in: African Affairs, Nr. 100/2001, S. 69
  3. Chr. Dietrich, a. a. O., S. 176 f.
  4. P. Collier/A. Hoeffler, Economic Causes of Civil War and their Implications for Policy, Oxford 1998, S. 18
  5. W. Reno, »The Real (War) Economy in Angola« in: Jakkie Cilliers/Christian Dietrich (Hg.) a.a.O., S. 220
  6. Chr. Dietrich »UNITA’s Diamond Mining and Export Capacity« in: Jakkie Cilliers/Christian Dietrich (Hg.), a.a.O., S. 284
  7. A. P. Fernandes, EUA e Angola. A Diplomacia Económica do Petróleo, Cascais 2004, S. 96
* Jan Köstner hat afrikanische Geschichte studiert und promoviert zur Zeit am Institut für Afrikanistik an der Universität Leipzig. Er ist Redakteur beim Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus.

Aus: junge Welt, 31. Mai 2011



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