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Die Junta vor Gericht

Ein Bericht von Algeria-Watch über einen denkwürdigen Prozess

Nachfolgenden Bericht vom September 2002 haben wir dieser Tage vom Algeria-Watch zur weiteren Verbreitung erhalten.


Vom 1. bis zum 5. Juli 2002 fand vor der 17. Strafkammer des Pariser Gerichtshofs ein Prozess von besonderer Bedeutung und Tragweite statt.

General Khaled Nezzar - von Juli 1990 bis Juli 1993 Verteidigungsminister und von Januar 1992 bis Januar 1994 Mitglied des HCE (Haut Comité d’Etat, Hoher Staatsrat) [1] - hatte gegen den Unteroffizier Habib Souaďdia, Verfasser des Buches Der Schmutzige Krieg [2] eine Verleumdungsklage angestrengt. Seine Beschwerde bezog sich jedoch nicht auf die im Buch beschriebenen Praktiken der militärischen Verantwortlichen, die unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Übergriffe an der Zivilbevölkerung, Folterungen und extralegale Tötungen zulassen wenn nicht gar anordnen. Nezzar nahm vielmehr Anstoß an den folgenden Aussagen Souaďdias in der Sendung Droits d’auteur des Fernsehsenders France 5 vom 27. Mai 2001:

„Sie [die Generäle] treffen die Entscheidung. Es gibt keinen Präsidenten. Sie sind diejenigen, die beschlossen haben, den Wahlprozess zu unterbrechen, sie sind die wirklichen Verantwortlichen (...) Ich kann General Massu und General Aussaresses die Verbrechen, die sie begangen haben, nicht verzeihen, genauso wie ich General Nezzar nicht verzeihen kann. (...) Die Generäle haben Tausende von Menschen getötet. Sie sind zu feige. Ein Verteidigungsminister, der behauptet, die Republik geschützt zu haben.... Von wem sprechen diese Leute. Er verlässt Frankreich mitten in der Nacht, [3] er hat nicht den Mut zu sagen: ‚Wenn ihr etwas gegen mich habt, ich bin da, richtet über mich’... Er ist kein Generalmajor, er ist ein Djoundi [einfacher Soldat], so jemand muss vor Gericht gestellt werden.“

Dieser Prozess wurde auf fünf Tage angesetzt, eine Dauer, die angesichts des Gegenstandes des Verfahrens dessen politischen Charakter deutlich macht. Die Kläger wie die Verteidigung luden etwa 15 Zeugen aus den Bereichen Politik, Medien, Menschenrechtsorganisationen sowie mehrere Opfer der Gewalt.

Diese Anrufung eines französischen Gerichtes von Seiten eines der einflussreichsten Militärs Algeriens, obwohl Souaďdia im April in Abwesenheit wegen Mitgliedschaft in einer geheimen Organisation und Aufruhr in der Armee zu 20 Jahren Haftstrafe verurteilt worden war, verwunderte manch einen, zumal andere ausgestiegene Militärangehörige gewichtige und persönliche Anschuldigungen gegen Nezzar erhoben hatten, ohne verfolgt worden zu sein. So hat beispielsweise Hichem Aboud, ein ehemaliges Geheimdienstmitglied, behauptet, Nezzar habe seine Ehefrau eigenhändig getötet. [4] Souaďdia erklärt zudem, dass er keineswegs bewaffnete islamistische Gruppen entlasten wolle, aber als ehemaliger Militär, die gesetzeswidrigen Praktiken und Verbrechen in der Armee offen legen und denunzieren müsse. Dabei würde er nur seine Pflicht erfüllen und der einst ruhmreichen Armee Ehre erweisen wollen.

In diesem Prozess ging es in Wirklichkeit nicht vorrangig um die in der Anklage niedergeschriebenen Vorwürfe, denn wie sich im Laufe der Verhandlung zeigte, sind die Bemerkungen von Souaďdia weder einzigartig noch besonders verletzend, da sie von zahlreichen Politikern, Journalisten und Dissidenten der Armee vielfach geäußert wurden. Nezzar persönlich, gefolgt von mehreren seiner Zeugen, unterstrich, dass es ihm nicht um die Ehrverletzung einer Person ginge, sondern um die Tatsache, dass Habib Souaďdia eine ganze Institution, nämlich die Armee, mit seinem Buch in Verruf bringen wolle. Dieses Bild, das er und andere in Europa verbreiten würden, gelte es zu korrigieren, indem in diesem Prozess die „Wahrheit“ über das algerische System und die Ereignisse seit 1992 klar gestellt würden. Insbesondere sei der Vorwurf, die algerische Armee verübe Massaker bzw. habe sich aufgrund ihrer Laxheit an dem Tod zigtausender Zivilisten schuldig gemacht, zu dementieren, denn in Algerien handele es sich um einen Kampf gegen den Terrorismus, den ein ganzes Volk, seine Regierung und seine Armee führten.

Dass dieser Prozess keine Privatangelegenheit ist, zeigt zudem der Umstand, dass alle Kosten (Honorare des Rechtsbeistands von Nezzar, Aufwendungen der Zeugen usw.) vom algerischen Staat übernommen wurden. [5]

Damit wird deutlich, dass die algerische Militärführung in die Offensive geht und alles daran setzt, den drohenden Anklagen wegen Verbrechen gegen die Menschheit vorzubeugen. [6] Als vor fünf Jahren die größten Massaker mit jeweils Hunderten von Todesopfern verübt wurden, [7] empörten sich die öffentliche Meinung und Vertreter der internationalen Institutionen (Kofi Anan, Mary Robindon, Vertreter der amerikanischen Regierung...) über diese Verbrechen und forderten die algerische Regierung auf, die Verantwortlichen zu identifizieren und die Bevölkerung besser zu schützen. Es stellte sich die Frage: „Wer tötet?“ Vier große Menschenrechtsorganisation [8] verfassten einen Appell für die Entsendung einer Untersuchungskommission, um dieser Frage nachzugehen.

Eine gigantische Propagandamaschinerie wurde in folgedessen in Gang gesetzt, um jeden, der es wagte, diese Frage zu stellen, der Komplizenschaft mit dem Terrorismus zu bezichtigen. Die gängige Meinung in Europa war, dass die Verantwortlichen der Massaker ausschließlich Islamisten seien und die von Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen angesichts dieser Verbrechen ignoriert werden könnten. Die französischen Medien gaben dabei den Ton an. Die anderen folgten. [9] Währenddessen entfaltete die algerische Diplomatie mit Hilfe Frankreichs große Anstrengungen, um die Forderung nach einer Untersuchung der Massaker zunichte zu machen. [10] Für eine gewisse Zeit schien das Kalkül der algerischen Machthaber aufzugehen, und dennoch mussten sie aufgrund des internationalen und nationalen Drucks die Existenz von Folterungen und die Praktik des Verschwindenlassens einräumen. Es gab nun eine neue rote Linie, die nicht überschritten werden durfte: Der Verdacht, die algerische Armee habe Massaker verübt und/oder zugelassen, wurde zu einem Tabu erhoben.

Doch die Mauer des Schweigens bröckelt mehr und mehr: Dank des mutigen Kampfes der Angehörigen von Verschwundenen ist das Wissen um die staatlichen Verbrechen und die Verantwortung der Sicherheitskräfte vorhanden. Selbst von offizieller Seite wird mittlerweile eine Zahl von etwa 5000 Verschwundenen eingestanden (Bouteflika sprach bei seinem Amtsantritt sogar von 10 000) auch wenn die staatliche Verantwortung geleugnet bzw. heruntergespielt wird. Immer mehr desertierte Militärangehörige und Zeugen machen Enthüllungen, nicht nur über das Schicksal der Verschwundenen, sondern auch über die Instrumentalisierung der Islamisten in Massakern und über die Rolle der Todesschwadronen und Milizen bei diesen Verbrechen. Das Tabu bricht langsam auf. [11]

Die entscheidende Veränderung in der Beurteilung der Gewalt in Algerien liegt allerdings in der Reaktion der europäischen, vor allem der französischen Öffentlichkeit. Konnte noch bis 1999 das Tabu aufrechterhalten werden, stellten die Antworten der algerischen Verantwortlichen auf die sich aufdrängenden Fragen nach den Urhebern der Massaker nicht zufrieden. Der anti-islamische Diskurs trägt zwar seine Früchte, besonders nach dem 11. September 2001, aber die Meinung, dass die algerische Armee als Schutzschild gegen die „Fanatischen“ diene bzw. Retterin der Demokratie sei, kann kaum jemand noch ernsthaft vertreten.

Seit der Pinochet-Affäre und den zunehmenden Diskussionen um den Internationalen Gerichtshof hat der Kampf gegen die Verantwortlichen für staatliche Menschenrechtsverletzungen eine neue Perspektive erhalten. Die Aussicht auf die Verfolgung der Juntachefs veranlasste im April 2001 drei Opfer der staatlichen Repression, gegen General Khaled Nezzar, der in Paris seine Memoiren vorstellte, Anzeige zu erstatten. [12] Er wurde noch am selben Tag mit Hilfe der französischen Behörden ausgeschleust. Monate lang konnte Nezzar nicht nach Frankreich reisen, obwohl die Anzeige eingestellt wurde. Gleichwohl war es juristisch jederzeit möglich, dass bei der Einreise in Frankreich erneut gegen ihn Anzeige erstattet und eine Anhörung, womöglich gar eine Verhaftung vorgenommen würde. In Anbetracht des bevorstehenden Prozesses in Frankreich beugte der General dem vor: Am 24. April 2002 wurde dem Rechtsbeistand der Kläger mitgeteilt, dass auf Wunsch des Angeklagten Nezzar der eingestellte Fall wieder aufgegriffen und die zuständige Brigade der Kriminalpolizei dazu aufgefordert wurde, ihn am 4. April 2002 anzuhören. Die Staatsanwaltschaft sei zu dem Ergebnis gekommen, dass keine neuen Erkenntnisse hinzugekommen seien und die Anzeige eingestellt hätte. Somit stand der Einreise von Nezzar nichts entgegen und er konnte zum Prozess erscheinen, trotz der neuerdings gegen ihn erstatteten Anzeigen.

Diese Gerichtsverhandlung machte zwar deutlich, dass es sich um eine politische Angelegenheit handelt und der französische Staat aus zahlreichen Gründen keinen Prozess wegen Foltervorwürfen zulassen will, doch ging Nezzar einen Schritt weiter: Indem er einen solchen Prozess in Frankreich führte, stellte er die Position der französischen Regierung in Bezug auf den Konflikt in Algerien und ihre wohlgesinnte Haltung zum algerischen Militär auf die Probe. Dies ist das eigentlich verfolgte Ziel des algerischen Militärs: Frankreichs politische Klasse noch tiefer in die Komplizenschaft zu verstricken.

Ein politischer Prozess für beide Seiten

Für den Kläger war das Ziel, das algerische Regime von den Vorwürfen, es habe massive Menschenrechtsverletzungen, ja gar Verbrechen gegen die Menschheit begangen reinzuwaschen und sich der französischen und somit der europäischen Unterstützung zu versichern. Auf der Seite der Verteidigung war es die Gelegenheit in einem Rahmen, in dem Recht gesprochen wird, einen Prozess gegen eine zehnjährige Militärdiktatur zu führen, die Verantwortlichen zu benennen, das Leid der Opfer zu beschreiben die Wahrheit ans Licht zu bringen. Dabei erhielt die Tatsache, sich in einem Gerichtsraum zu äußern, um die Kontroverse über das Wesen des algerischen Regimes zu führen, eine besondere Bedeutung. Anders als in einer Veranstaltung wurden die Erklärungen der Zeugen unter Eid abgegeben und festgeschrieben. Sie müssen damit rechnen, in Zukunft mit ihren eigenen Aussagen konfrontiert zu werden.

Sicherlich hat dieser Prozess vor allem symbolischen Charakter, dennoch sind Worte gefallen, haben Personen Ereignisse geschildert, Erklärungen und Rechtfertigungen abgegeben, deren Tragweite sich erst noch erweisen wird. Im weiteren Verlauf des Textes werden wir vor allem Ausschnitte aus dem Prozessprotokoll in übersetzter Form wiedergeben.

Wenn Politiker die Verantwortung für einen Militärputsch übernehmen!

Nezzar gab in seiner Eingangsansprache den Ton an:

„Nach den ersten pluralistischen Wahlen von Dezember 1991-Januar 1992 befand sich das Land am Rande des Abgrundes und sah sich der Gefahr ausgesetzt, mit der Machterlangung der ‚Verrückten Gottes’ in das Irrationale und die Barbarei zu versinken. Die Ergebnisse des ersten Wahlganges sollten den unumgänglichen Fall der Republik in die Finsternis eines totalitären Regimes vergangener Jahrhunderte nach sich ziehen. (...) Sollte die Nation nicht vor dieser tödlichen Regression bewahrt werden und entsprechend der Wahlprozess unterbrochen werden? Aber war diese Unterbrechung eine Vergewaltigung der demokratischen Prinzipien? Dies war das fürchterliche Dilemma, das unbedingt und sofort gelöst werden musste. (…)
Ich muss hier meine Ehre verteidigen, sowie ich die moralische Verpflichtung habe, die der algerischen Armee zu verteidigen.“


Den Beweis für seine Unschuld und die der Armee hält er für erbracht, da die im April 2001 gegen ihn gerichteten Anzeigen wegen Folter eingestellt wurden.

Von Prozessbeginn an wurde über die Kernfragen debattiert: Wer hat den Abbruch des Wahlprozess veranlasst? Ist Präsident Chadli freiwillig zurückgetreten oder wurde er dazu gezwungen? Welche Rolle spielte die Armee in diesen entscheidenden Ereignissen? Dabei griffen die Debatten des Öfteren auf die Periode der Unruhen im Oktober 1988 und die des Generalstreiks der FIS im Mai-Juni 1991 zurück, da damals Nezzar im Zentrum der Macht stand. Wir wollen uns hier dennoch auf die Zeit nach dem Wahlabbruch beschränken.

Sid Ahmed Ghozali, der zum Zeitpunkt des Abbruchs der Wahlen Regierungschef war, erklärte, die Armeeführung habe sich keineswegs in die politischen Geschicke eingemischt und der Abbruch der Wahlen sei eine Forderung der Zivilgesellschaft, der gesamten politischen Klasse und des Militärs gewesen.

„Und da sind es nicht allein die Militärs, sondern die Militärs, die Regierung und die Zivilgesellschaft, die vor einer Wahl standen. Selbst wenn wir annehmen, dass die Diskussion die Weiterführung des Prozesses erlaubte. Die Zivilgesellschaft, die Parteien, quasi alle, 90% der Parteien kamen in mein Büro, um mir zu sagen: ‚Ihr werdet doch nicht gehe, und die Macht den Islamisten überlassen!’.“

Es ist hingegen bekannt, dass die repräsentative Opposition, nämlich die FIS, aber vor allem auch die FLN, die FFS, die PT [13] und andere, die gemeinsam über 80% der Stimmen erhielten, sich gegen einen Abbruch aussprachen.

Er fuhr fort und behauptete, Präsident Chadli Bendjedid habe damals schon längst zurücktreten wollen und dies schließlich nach dem ersten Wahlgang getan. Er widersprach damit den Aussagen einer seiner Ministerinnen, LeÎla Aslaoui, die auch unter Eid aussagte, Präsident Chadli Bendjedid habe die Macht mit den Islamisten teilen wollen.

Ali Haroun, der Mitglied des HCE war und bis zu diesem Zeitpunkt das Amt des Menschenrechtsministers bekleidete, sagte auf die Frage, was er über die Rolle der Armee zum Zeitpunkt des Abbruchs der Wahlen denke:

„Ich bin der Meinung, dass von dem Moment an, als alle Demokraten, die Arbeiter, die Intellektuellen, die Künstler Opfer dieser Verrückten Gottes wurden, die algerische Armee objektiv die Verbündete dieser Demokraten war. Was waren ihre weitergehenden Ziele? Das weiß ich nicht. Aber normalerweise war sie unsere Verbündete, und wir haben Dank dieser Armee durchgehalten. (...) Die algerische Armee hat den Demokraten geholfen. Es ist so, dass, als wir um Hilfe gerufen haben und wir beschlossen haben, gegen diese Plage zu kämpfen...“

Die Haltung mancher Politiker, die das Militär bis heute - 10 Jahre nach dem Putsch – entlasten, zieht sich durch die Zeugnisse aller von Nezzar geladenen Personen. Die Intervention des Militärs wird mit dem Hilferuf der politischen Klasse und der Zivilgesellschaft legitimiert. Doch ihre Behauptungen übertreffen sich, wenn sie sagen, sie selbst hätten die Entscheidung getroffen und das Militär wäre ausführendes Organ gewesen. Sie sollen diejenigen sein, die den Abbruch der Wahlen und die Wiederkehr von Mohamed Boudiaf, den alten Widerstandskämpfer, der sechs Monate später ermordet wurde, beschlossen haben. Sie hätten den Ausnahmezustand, die Einrichtung der Konzentrationslager und die Repression angeordnet. Falls sie jemals vor ein Strafgericht zitiert werden sollten, müssten sie sich diesen von ihnen gemachten Aussagen stellen.

Doch allein ein Blick auf die Zusammensetzung der damaligen wesentlichen Institutionen macht deutlich, wer Entscheidungen trifft: In der Regierung von Sid Ahmed Ghozali war der Verteidigungsminister General Khaled Nezzar und der Innenminister General Larbi Belkheir, einer der einflussreichsten, wenn nicht der wichtigste Mann im Land. [14] Die Rücktrittserklärung von Chadli Bendjedid haben nach Aussagen von Nezzar, Ali Haroun und General Touati geschrieben. [15] Das HCS (Haut Comité de Sécurité, Hohes Sicherheitskomitee), das nach der Nicht-Besetzung des Präsidentenamtes und der Auflösung des Parlamentes die höchste Entscheidungsstruktur bildete, bestand aus 6 Personen, darunter drei Militärs (Nezzar, Belkheir und der Chef der Armeen General Guenaďzia), die drei wichtigsten Militärs.

Frau Chevillard, Journalistin und Herausgeberin der spezialisierten Zeitschrift Marchés d’export/Nord-Sud Export, war von der Verteidigung als Zeugin vorgeladen. Sie sagte zu dem Rücktritt von Chadli Bendjedid, dass diese Initiative von diesen drei Militärs ausging:
„Sie haben General Benabbčs Ghezaďel, Chef der Gendarmerie, zu sich geholt. Aufgrund ihres Drucks hat Chadli sich gezwungen gesehen zurück zu treten. Er hatte die drei Generalmajore im Amt, die einzigen, die es gab, gegen sich.“

Interessanterweise gab Sid Ahmed Ghozali drei Wochen nach dem Prozess eine völlig andere Interpretation der Rolle der Armee als während des Prozesses: [16]

„Es gibt in Algerien eine sichtbare Macht (pouvoir) und eine andere, unsichtbare. All unsere Institutionen sind fiktiv. Nur die Militärinstitution existiert wirklich. [...] Wenn man von der Militärinstitution spricht, handelt es sich um eine ‚Handvoll’ Personen, die im Namen der Armee, ganz Algerien im Griff haben, und nicht nur die Institution, die sie repräsentieren.... Aber alles was sie getan haben, geschah mit der Komplizenschaft der politischen Klasse im Rahmen eines Vertrages: Wir haben die Macht und ihr die Verantwortung. Das heißt, wir beschließen, und ihr seid die Verantwortlichen.(...) Offiziell hat sich die Armee seit 1989 aus der Politik herausgezogen, aber wer hat Chadli ernannt, und Ghozali als Regierungschef, wer hat BelaÎd Abdesslam [Regierungschef und Wirtschaftsminister vom 19. Juli 1992 bis 25. Oktober 1993] ernannt, wer hat Boudiaf zurück geholt, Zeroual und den jetzigen Präsident der Republik ernannt? Im Gegenteil, ich sage, es ist besser, wenn das Militär den Mut aufbringt, die Macht direkt zu übernehmen, wie zum Beispiel die Türken, und den Zivilen fünf bis zehn Jahre läßt, um sich auf die Macht vorzubereiten, aber so fortzufahren, ist nicht möglich.“

Späte Einsicht in die den Politikern zugeschriebene Rolle und die Gefahr, die die Übernahme der Verantwortung in sich birgt, oder Ankündigung einer wichtigen Veränderung in der Repräsentation der Macht in Algerien?

Wer forderte den Abbruch der Wahlen?

Die Diskussionen mit vielen Zeugen drehten sich um die große Demonstration, die am 2. Januar 1992 von der FFS organisiert wurde. Es besteht überhaupt keinen Zweifel daran, dass der Appell von Aďt Ahmed dazu diente, die 40% der Wähler, die nicht zur Wahl gegangen waren, zu mobilisieren, damit diese gegen die FIS stimmten. Das Motto war: „Weder Militärdiktatur noch fundamentalistische Diktatur“. Nun bemühen sich die Zeugen des Klägers nachzuweisen, dass diejenigen, die zu dieser Demonstration gingen, ja gar dazu aufgerufen hatten, für den Abbruch der Wahlen gewesen seien.

LeÎla Aslaoui, ehemalige Ministerin in der Regierung von Ghozali und der nachfolgenden und spätere Senatorin, behauptete, dass das kurz zuvor gegründete Komitee zur Rettung Algeriens (CNSA, Comité national de Sauvegarde de l’Algérie) zu einer Demonstration aufgerufen habe, um eine Militärintervention zu fordern. Der Slogan sei gewesen:
„’Nein zum zweiten Wahlgang, Armee mit uns!’ Warum, werden sie mir sagen, haben wir uns an die Armee gewandt? Ganz einfach, weil sie das letzte Bollwerk repräsentierte, das uns retten konnte.
Die Beendigung des Wahlprozesses hat Tausende von Toten nach sich gezogen. Aber, Herr Präsident
[des Gerichtes], wenn es die Beendigung des Wahlprozesses nicht gegeben hätte, hätte es Millionen von Toten gegeben. Sie wären auf dem öffentlichen Platz hingerichtet worden, statt nach der Art der Terroristen ermordet zu werden. Wir, die Zivilgesellschaft, Bürger und Bürgerinnen, haben die Armee gebeten, den Wahlprozess zu stoppen, und wenn sie es nicht getan hätte, wäre ich heute nicht hier, um Zeugnis abzulegen, weil ich diese Institution nicht respektieren würde. Also übernehme ich voll und ganz die Verantwortung für die Beendigung des Wahlprozesses.“

Ein weiterer Zeuge des Klägers, Omar Lounis, Gewerkschafter, präsentiert sich als einer der Gründungsmitglieder des oben genannten Komitees zur Rettung Algeriens, das zum Sprachrohr der Zivilgesellschaft hochstilisiert wird, obwohl es lediglich eine winzige Gruppe von Befürwortern eines Militärputsches repräsentiert. In diesem Verein versammelten sich neben dem Vorsitzenden der damaligen Einheitspartei kleine periphere Parteien und einzelne Personen. Da er nicht sehr repräsentativ für die algerische Gesellschaft war, wird die Demonstration vom 2. Januar 1992 von Personen wie Lounis und Aslaoui im Nachhinein vereinnahmt und behauptet, sie sei für den Abbruch der Wahlen organisiert worden. Tatsache ist, dass von den wichtigsten Parteien alles daran gesetzt wurde, eine militärische Intervention zu verhindern.

Boudjedra, Schriftsteller, sagte zum wiederholten Male, dass er die Intervention der Armee gefordert habe: „Ich wollte... ich wünschte, dass die Armee... dass der General Nezzar eingreifen, um Algerien vor fast dreißig Jahren Khomeinismus im Iran und fünf oder zehn Jahren Taliban zu bewahren.“

Eine Person konnte dem Gericht von dieser entscheidenden Demonstration berichten, nämlich Aďt Ahmed, Vorsitzender der FFS, der unerwartet von der Verteidigung zum Zeuge berufen wurde. Er war nicht nur der Veranstalter dieses Marsches, sondern herausragender Augenzeuge der damaligen Ereignisse, da er General Nezzar zweimal traf. Das erste Mal wünschte Nezzar ihn zu sehen, wahrscheinlich weil er ihn für den Vorsitz des HCE bzw. als Mitglied dieses Gremiums gewinnen wollte. Aďt-Ahmed nutzte das Zusammentreffen mit Nezzar, um von ihm das Versprechen zu erhalten, nicht zu intervenieren. Nezzar sagte, „Wir werden nie eingreifen“. AÎt-Ahmed berichtete weiter und wendete sich dabei an Nezzar:

„Also, Herr Nezzar, Sie haben den Staatsstreich organisiert. Ich habe am nächsten Tag eine Pressekonferenz abgehalten und gesagt: 'Nennen wir die Sache beim Namen. Die Art, wie alles sich abgespielt hat, das war ein echter Staatsstreich.'“

Nach dem Putsch vom 11. Januar 1992 wünschte Nezzar erneut Aďt-Ahmed zu sehen. Dieser gab das Gespräch wieder, bei dem Nezzar ihn fragte:

„'Was muss getan werden?' Ich sagte: 'Verhandeln Sie jetzt, bevor die Gewalt kommt, und ich kenne Menschen, die moderat genug sind, um das Spiel zu akzeptieren.' Sie waren nicht damit einverstanden. Und am Ende - erinnern Sie sich gut, ich stehe unter Eid - haben Sie mir gesagt: 'geben Sie mir die Namen der Führer der FIS, die Sie für moderat halten.' Ich antwortete: Herr General, wenn Sie eine öffentliche Erklärung abgeben, in der Sie Ihre Absicht zu verhandeln kundtun, dann gebe ich Ihnen ihre Namen'. Gab es demnach eine Möglichkeit, das bestehende Problem politisch zu lösen? Sie war vorhanden, man musste es nur wollen.“

Als die Verteidigung Aďt-Ahmed mitteilte, manche der Zeugen würden behaupten, die Demonstration des 2. Januar wäre einem Aufruf zum Abbruch der Wahlen gefolgt, war dieser sehr überrascht:

„Man hat Ihnen das gesagt? Das wundert mich sehr. Einer der Gründe, der mich veranlasste, Khaled Nezzar zu treffen, war, um von ihm die notwendige Erlaubnis für diese Demonstration des 2. Januars zu erhalten, denn sie hatten die vom Juni verhindert. Er sagte mir: 'Einvertanden, ich kann Ihnen versichern, dass sie stattfinden wird.'“

Er bestätigte, dass diese Demonstration dazu diente, die Nicht-Wähler für den zweiten Wahlgang zu mobilisieren. Es ging dabei nicht darum, eine Intervention der Armee zu fordern, sondern eine zwei Drittel Mehrheit der FIS durch neue Stimmen zu verhindern.

Die algerische Militärdemokratur

Schließlich drängte sich die Diskussion über das Wesen des Regimes auf: Die einen meinten, es handele sich um eine im Aufbau befindliche Demokratie, die von einer zivilen politischen Klasse geführt werde und ernsthaft von der FIS bedroht worden wäre, wenn nicht die Armee interveniert und Algerien von der Barbarei befreit hätte; und die anderen beschreiben dieses Regime als eine Militärdiktatur, die ihren Namen nicht nennt und mit dem Eingriff von 1992 die jahrzehntelange Kontinuität der Machterhaltung aufrecht erhält. Mohamed Harbi, ein renommierter algerischer Historiker, machte während der Verhandlung deutlich, dass militärische Interventionen nicht punktuelle Einmischungen sind, sondern dass die Präsenz des Militärs und des militärischen Geheimdienstes das Wesen der Macht in Algerien seit dem Befreiungskrieg prägt.

„Wenn ich in einem Satz, das was ich in meinen Arbeiten geschrieben habe, zusammenfassen sollte, dann, dass ich den algerischen historischen Prozess als einen Prozess erachte, der, wie seinerzeit in Preußen, zur Bildung eines bewaffneten Staates geführt hat, nämlich eine Armee, die einen Staat zu ihrer Verfügung hat, und nicht eine Armee, die im Dienste des Staates steht. (...) Während des Aufbaus der Armee haben die Rollen der zivilen Bereiche und der Armee sich umgekehrt: Während in der Parti du peuple algérien [Partei des Algerischen Volkes, erste nationalistische Partei im kolonisierten Algerien] das Militärische kraft ihrer paramilitärischen Organisationen im Dienste des Politischen stand, haben sich die Beziehungen zwischen Zivilisten und Militärs ab 1957 umgekehrt. Die Zivilisten standen unter dem Befehl der Militärs, und diese Situation blieb so. Sie wurde zwischen 1962 [Unabhängigkeit] und 1965 [Militärputsch von Oberst Houari Boumedične] in gewissem Maße abgeschwächt, aber ab 1965 erlebten wir die Bildung dessen, was die Algerier ‚das System’ nennen, das als ein Militärregime mit ziviler Fassade bezeichnet werden kann.“

Das Militär erscheint in der Tat selten im Vordergrund, sondern hat es stets verstanden, Zivilisten für seine Interessen zu benutzen und zu „verbrauchen“. Dieser Tatbestand wird deutlich durch die zahlreichen Präsidenten und Regierungen, die das Land seit dem Abbruch der Wahl nominell regierten, während die Geheimdienstchefs und Armeechefs seither die selben geblieben sind.

Eine langjährige Beobachterin der Ereignisse in Algerien ist die bei der französischen Tageszeitung Libération tätige Journalistin José Garçon. Sie bekräftigte die Aussagen von Mohamed Harbi:

„Zivile Behörden und Militärmacht? Ich habe immer das Gefühl, offene Türen einzurennen, wenn ich sage, dass die zivile Macht in Algerien so etwas wie eine Fiktion ist. Die algerischen Machthaber sind sehr aufmerksam und empfindlich in Bezug auf das Bild, das sie nach außen hin abgeben. Es war immer sehr wichtig für sie, einen zivilen Anschein zu präsentieren. Das Besondere oder die Eigenart des algerischen Regimes war stets, es zu hassen, den Anschein einer Militärmacht zu erwecken. Man hasst Militärputsche in Algerien, sie sehen nie aus wie Putsche. Die algerische Presse hatte im übrigen eine hervorragende Definition der Absetzung oder des ‚erzwungenen Rücktritts’ von Präsident Chadli Bendjedid gefunden, indem sie ihn als ‚Staatsstreich auf dem Kanapee’ bezeichnete. Man konnte nichts Besseres finden.“

Frau Chevillard fertigte 1995 im Rahmen ihrer weiter oben genannten Zeitschrift eine Studie über Algerien an, in der sie die Entwicklung des politischen Systems und das Wirken der verschiedenen Protagonisten in Politik, Sicherheit und Wirtschaft analysierte. Sie bemerkte dass wir uns vor einer Binsenwahrheit befinden:

„In Bezug auf das Wesen der Macht sind die Dinge sehr einfach gewesen. Damals - und dies war keine neue Sache - schienen die wirklichen Führer Algeriens in der Militärhierarchie zu sein. Ich kann sagen, dass es in Algerien eine historische Konstante ist.
Je mehr es der Macht an Legitimität fehlte, desto mehr hat sie den Anschein von Legalität gesucht: Ich glaube, es war eine Art, die eine mit der anderen zu kompensieren.“


Die Ermordung von Boudiaf

Boudiaf, der nach dem Abbruch der Wahlen aus seinem Exil in Marokko an die Spitze des HCE gerufen wurde, sollte aufgrund seiner Vergangenheit als Widerstandskämpfer und ewiger Oppositioneller diese zivile Fassade repräsentieren. Während der Verhandlung wurde Frau Chevillard von einem der Ankläger gefragt, warum Boudiaf gerufen wurde:

„Man stand vor einer juristischen und verfassungsrechtlichen Leere. Es brauchte eine Legitimität. Boudiaf besaß diese historische Legitimität und die Generalmajore, die ihn holten, glaubten ihn gewinnen zu können, weil sie wussten, wie stark er gegen die islamistischen Thesen war. Er ist schließlich gekommen.“

Er ist gekommen und hat die massive Repression legitimiert, aber auch ein eigenes Programm einführen wollen. Herr Benderra, ehemaliger Vorsitzender einer staatlichen Bank und zuständig für die Behandlung der Frage der Auslandsschulden Algeriens zwischen 1989 und 1991, erklärte in Bezug auf Boudiaf:

„Er sagte öffentlich, dass die Korruption systembedingt sei. Herr Boudiaf ist allem Anschein nach getötet worden - das sagen viele seiner politischen Freunde - weil er die Initiative ergriff, gegen die Korruption in den höchsten Ebenen des Apparates vorzugehen.“

Diese „Kriegserklärung“ gegen die Korruption, die er nicht nur in Worte fasste, sondern auch in die Tat umsetzte missfiel der Militärführung aufs Schärfste. Als er dann auch noch die Absicht verkündete, eine Partei gründen zu wollen, wurde er für die „Entscheider“ gefährlich und musste beseitigt werden.

José Garçon erklärte ihrerseits: „Der algerischen Presse, die nicht der Unterstützung der Islamisten bezichtigt werden kann, folgend, ist er getötet worden von der in Algerien sogenannten‚ Polit-Finanz-Mafia’, ein Euphemismus, der gewöhnlich in den Neunziger Jahren als Bezeichnung für die verschiedenen Clans der Macht benutzt wurde.“

Allgemein wird angenommen, dass Boudiaf im Auftrag des Geheimdienstes ermordet wurde. Seine Familie erklärt dieses immer wieder, und sein Sohn geht soweit, gegen General Larbi Belkheir Anzeige erstatten zu wollen. [17] Während des Prozesses hat ein ehemaliger Mitarbeiter Boudiafs, Ahmed Djebbar, der nach seinem Tod einen Ministerposten bekleidete und von Nezzar als Zeuge eingeladen wurde, jedoch erklärt, Boudiaf sei von einem Leibwächter ermordet worden und es gäbe keinen Grund an der Version des Einzeltäters zu zweifeln. Eine ernsthafte Untersuchung ist nie geführt worden bzw. die Ergebnisse sind nicht veröffentlicht worden.

Aďt-Ahmed sagte dazu: „Es war sehr deutlich, man wollte nicht nur eine Medienshow veranstalten, sondern auch für die Anderen ein Exempel statuieren.“ [18]

Menschenrechtsverletzungen

Das Thema Menschenrechtsverletzungen stand immer wieder im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Auf beiden Seiten waren nicht nur Opfer als Zeugen geladen, sondern auch bekannte Menschenrechtler (auf der Seite des Klägers Kamel Rezzag-Bara, ehemaliger Vorsitzender des mittlerweile aufgelösten Observatoriums für Menschenrechte, und auf der Seite der Verteidigung Patrick Baudouin, ehemaliger Vorsitzender der FIDH). Das Gericht begnügte sich jedoch nicht mit den Ausführungen über das Ausmaß der staatlichen Gewalt, sondern fragte nach dem Instrumentarium, den Absichten, Methoden und Trägern der Befehlsgewalt. Es wurde viel angerissen, aber die Zeit reichte nicht aus, um manche wichtige Einzelheiten zu vertiefen.

Auf der Seite des Klägers trat zudem Ali Haroun als ehemaliger Menschenrechtsminister auf. In dieser Funktion spielte er eine entscheidende Rolle in der Vertuschung bzw. Verharmlosung der Menschenrechtsverletzungen, die mit der Niederschlagung des von der FIS organisierten Generalstreiks im Mai-Juni 1991 und der darauf folgenden Repression einhergingen. Er sprach wenig über das eigentliche Thema, aber ausführlich über die drohende Gefahr der Islamisten. Als eines der konkreten Beispiele, über das er sich lange ausließ, erzählte er, dass während der Wahlkampagne 1991 Steckbriefe mit den Photos der fünf Mitglieder des HCE mit der Aufforderung, diese zu ermorden, in allen Moscheen plakatiert worden seien. Welch ein Fauxpas! Das HCE wurde erst nach dem Abbruch der Wahlen gegründet!

Er übernimmt heute die Verantwortung für die damals verabschiedeten Dekrete und Erlasse, die zur starken Einschränkung der Meinungs- und Bewegungsfreiheit führten. Während seiner Amtszeit wurden die ersten Konzentrationslager im Süden des Landes eingerichtet. Haroun rechtfertigte nicht nur ihre Eröffnung zur „Administrativhaft“, sondern betonte ihren legalen Charakter, da sie auf französischen Gesetzestexten basierten. Er versicherte, dass zudem Rechtsmittel vorgesehen waren, um Einspruch zu erheben, doch auf die Frage, wie lange die Personen und wie viele von ihnen die vorgesehenen 45 Tage mit der Möglichkeit der Verlängerung auf 90 Tage inhaftiert blieben, machte er Ausflüchte und antwortete schließlich nicht.

Der Anwalt der Verteidigung bemerkte, dass in der von der algerischen Regierung angefertigten Liste der Übergriffe von Seiten der Sicherheitskräfte [19] , keine Fälle von Folterungen oder sonstigen massiven Menschenrechtsverletzungen aufgenommen wurden. Ali Haroun antwortete darauf:

„Es ist äußerst selten, dass ein Soldat, der beim Töten gestellt wird, sagt: Ich habe getötet, nachdem ich gefoltert habe.’ Wenn Sie Richter sind, können Sie nur das berücksichtigen, was begründet ist. Wir haben 386 Verurteilungen.“

Diese Verurteilungen betreffen allerdings nur Raubüberfälle und ähnliche Delikte. Sein Kollege Kamel Rezzag-Bara, der acht Jahre lang den Vorsitz des ONDH (Observatoire national des droits de l’homme, Observatorium für Menschenrechte) innehatte, wurde in seinen Ausführungen viel konkreter. Er ging zwar kaum auf die Haftbedingungen in den Lagern ein, die erneut zu Beginn des Jahres 1992 - während seiner Amtszeit - eingerichtet wurden und offiziell Ende 1995 geschlossen wurden, meinte aber, seine Institution habe sich immer für ihre Schließung eingesetzt. Er sagte:

„Leider ist der Ausnahmezustand noch in Kraft, obwohl das Wesentliche seiner Bestimmungen nicht mehr existiert: keine Sondergerichte mehr, keine Ausgangssperre mehr, keine Sicherheitszentren mehr. Dennoch bleibt dieser Ausnahmezustand bestehen, und wir sind sehr zahlreich, die seine Aufhebung fordern.“

Er unterschlägt aber in seinen Erklärungen die Tatsache, dass die meisten Bestimmungen des im September 1992 erlassenen Dekretes zur Bekämpfung des Terrorismus, das beispielsweise die Sondergerichte einführte, in das gewöhnliche Gesetzbuch integriert wurden.

Zu der Frage der Tausenden von Verschwundenen erklärte er:

„In Folge dieser terroristischen Gewalt haben sich Praktiken entwickelt, die man nur in Afghanistan beobachtet hat. Es sind die gleichen terroristischen Praktiken, die die ersten terroristischen Gruppen, die aus Afghanistan kamen, in Algerien angewendet haben. Eine davon ist das Untertauchen als Verschwindenlassen zu verschleiern: Es ist ein Untertauchen, aber die Familie, um Schwierigkeiten zu vermeiden, gibt an, dass der ‚Verschwundene’ von Sicherheitskräften entführt worden sei, und somit werden die staatlichen Dienste dafür verantwortlich gemacht.“

Obwohl in den meisten Fällen die Familien und Organisationen über überzeugende Indizien bis hin zu Beweisen verfügen, die eine systematische Praktik des Verschwindenlassens deutlich machen, fährt Rezzag-Bara fort, diese als Vertuschungsmanöver der Familien darzustellen. Er rühmt sich dennoch damit, dass seine Institution die erste gewesen sei, die das Thema aufgegriffen habe!

Auf der Seite des Klägers bemühte man sich sichtlich, die verschiedenen Berichte und Mahnungen von internationalen Institutionen herunterzuspielen, und behauptete, die Lage in Algerien sei klar, denn es handele sich ausschließlich um ein „Terrorismus-Problem“, das diese Institutionen letztendlich erkannt haben, und deshalb würden sie die algerischen Regierung im Kampf gegen den Terrorismus unterstützen. Auch wenn durchaus energischere Verurteilungen seitens der UNO-Institutionen zu erwarten wären, ist es eine Unwahrheit zu behaupten, diese hätten die massiven staatlichen Menschenrechtsverletzungen nicht festgestellt und verurteilt.

Patrick Baudouin stellte die Lage aus einer ganz anderen Perspektive dar: Er berichtete von zwei Missionen der FIDH in Algerien und von ihren gewonnenen Erkenntnissen über das schreckliche Ausmaß an Übergriffen und Folterungen von Seiten der Sicherheitskräfte einerseits und die schier unglaublichen Kraftanstrengungen der offiziellen Stellen in Algerien, diese zu verbergen und zu vertuschen.

Sehr eindrucksvoll und bestürzend waren die Zeugnisse von Nacera Dutour, Mutter eines 1997 entführten und verschwundenen jungen Mannes, und Abdelkader Mosbah, der zufällig im Januar 1992 einer Massenverhaftung zum Opfer fiel und die menschenverachtenden Bedingungen des Konzentrationslager und die Folterungen in einem Folterzentrum erlebte.

Wie bereits weiter oben ausgeführt wurde, sind die Folter und das Verschwindenlassen Menschenrechtsverletzungen, über die mittlerweile in Algerien gesprochen wird, auch wenn die offiziell ernannten Menschenrechtler dies nicht gerne tun. Anders verhält es sich mit den Massakern. Die Verantwortlichen werden offiziell ausschließlich dem islamistischen Lager zugeschrieben. Rezzag-Bara wurde auch nach den Hintergründen gefragt, und er antwortete:

„Man muss die islamistische fundamentalistische Ideologie kennen. Ich will hier keine Dokumente vorführen, aber klar ist, dass für diese extremistischen fundamentalistischen Gruppen das einzige Gesetz das göttliche ist, und die einzige Regierung, die ist, die das göttliche Gesetz anwendet. Diese Personen, die glauben, in die Macht eingesetzt zu sein, und die dieses zivile Gesetz anwenden werden, akzeptieren nicht, dass man auf die eine oder andere Weise eine unterschiedliche Position haben kann.“

Allerdings erklärte er nicht, warum die Bevölkerungsgruppen, die 1991 die FIS wählten, diejenigen sind, die am meisten von den Massakern betroffen sind. Da erscheint die Erklärung, die General Nezzar Hélčne Flautre gab, als diese als Europaabgeordnete im Rahmen ihrer Informationsreise über die Ereignisse in der Kabylei ihn in Algier aufsuchte, schlüssiger. Sie gab seine Worte wieder:

„’In der Terrorismusbekämpfung macht die Logistik, von der die Maquis abhängen, 90% des Kampfes aus. Wenn man die Kämpfer selbst nicht erreichen kann, muss man die Logistik erreichen...’ (...) Freilich [sagt Frau Flautre] wenn Sie Fragen im Kopf haben und sie hören dies, fragen Sie sich, was ist ‚Logistik’. Es sind die Menschen, die die Maquis unterstützen. Verstehen Sie?“

Doch gibt es auch noch andere, sich nicht gegenseitig ausschließende Erklärungen. Hocine Aďt-Ahmed sagte ohne Umschweife:

„Die Massaker, die es in Algerien gegeben hat, ich schwöre es, das war die Art, wie die verschiedenen Clans innerhalb des Machtapparates ihre Probleme lösten. Man konfisziert nicht nur die Macht, seine Reichtümer, sein Gedächtnis, sondern wenn ‚sie’ ihre internen Probleme regeln wollen, schicken sie sich Botschaften, indem sie auf Persönlichkeiten zielen.“

Die Rolle der Geheimdienste

Wenn über die Massaker gesprochen wird, stellt sich gewiss immer die Frage, wer diese verübt hat. Die offizielle Version, die wir weiter oben von Rezzag-Bara erfahren haben, macht die GIA (Groupes islamiques armés, Bewaffnete Islamische Gruppen) für diese Greueltaten verantwortlich. Seit Jahren gibt es Hinweise darauf, dass die GIA infiltriert, manipuliert und manche von ihnen gar vom Geheimdienst geschaffen wurden. Zwei sehr wichtige Zeugen der Verteidigung haben diese Vermutungen während des Prozesses bestätigt. Mohamed Samraoui, Oberst und rechte Hand des Chefs der Gegenspionage, beschrieb die Entwicklung seit Ende der achtziger Jahre. Er gab an, dass die Männer, die in Afghanistan gekämpft haben dem Geheimdienst DRS (Département du renseignement et la sécurité, Nachfolger der Sécurité militaire) sehr wohl bekannt waren und von ihm infiltriert waren. Aber nicht nur die radikaleren Gruppen wurden unterwandert, auch in der FIS befanden sich verantwortliche Kader, die für den Geheimdienst arbeiteten. Ziel war es, die FIS daran zu hindern, an die Macht zu kommen. Alles wurde daran gesetzt, die Partei zu spalten, Verantwortliche zu kaufen oder Druck auf sie auszuüben. Es wurden aber auch kleine Gruppen gegründet oder infiltriert, die im Sinne des DRS arbeiten sollten, indem sie gewaltsame Aktionen vornahmen, die das Eingreifen der Staatsmacht rechtfertigen. [20]

Bezogen auf die bevorstehenden Wahlen im Dezember 1991 sagte Samraoui, dass der DRS die Regierung davor gewarnt habe, Wahlen abzuhalten, weil ein Sieg der FIS sicher gewesen wäre:

„Die Regierung blieb stur oder machte ein schlechtes Kalkül. Sie glaubte, dass durch die Befürworter der Wahlen und diejenigen, die sie boykottieren wollten, die FIS gespalten wäre, und dass mit der damals vollbrachten Arbeit die FIS geschwächt sei. [21] Sie hat diese Situation nutzen wollen. Mit 17 Mitgliedern der FIS-Führung, die den Sicherheitsdiensten nahe standen, hat sie versucht, eine zweite FIS zu schaffen, damit die FIS bei der Wahl in der Minderheit ist. Sie glaubte wirklich, dass die FLN die Wahlen gewinnen würde oder dass sie die ‚drei-Drittel-Mehrheit’ des Parlamentes erhalten würde.“ [22]

Nach dem Abbruch der Wahlen sind nicht etwa die Mitglieder extremistischer Gruppen festgenommen worden, die laut Samraoui bekannt waren, sondern die politische Partei sollte vollständig zerstört werden, was schließlich auch geschah.

„Das Problem war, dass wir Listen von Personen hatten. Ihre Zahl betrug etwa 1000 oder 1200, (...) Personen, von denen anzunehmen war, dass sie zum gegebenen Zeitpunkt in Aktion treten würden. Bis zur Wahl hatten keine gewalttätigen Aktionen stattgefunden. Leider ist dies nicht geschehen - ich weiß nicht warum - und man hat einfach Leute festgenommen, die weder mit der FIS noch mit dem Islamismus zu tun hatten. Da habe ich begriffen, dass man die islamistische Bewegung radikalisieren wollte. (...) Man brauchte sie, um die Bewegungen weiter zu infiltrieren, um islamistische terroristische Organisationen zu gründen.“

Samraoui ging jedoch noch weiter, indem er behauptete: „Die GIA, das ist die Schaffung der Sicherheitsdienste. (...) Zu erst ist es in drei Etappen vollzogen worden. Die erste war die Unterwanderung, die zweite die Unterwanderung des schon bestehenden Kernes, die MIA, und es ist uns gelungen.“

Der zweite Zeuge, Ahmed Chouchen, Hauptmann der Sondereinheiten, wurde der Subversion beschuldigt und Anfang März 1992 festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt. Bei seiner Entlassung wurde er sofort von Geheimdienstagenten entführt und ins Folterzentren von Ben Aknoun gebracht. Er wurde erpresst.

„Ich war im Folterzentrum von Ben Aknoun, und der Generaldirektor sagte mir, dass Sicherheitsdienste beschlossen hätten, mich zu liquidieren, und dass ich ihnen nicht entkommen könnte. Meine einzige Chance sei mit ihnen zusammenzuarbeiten. (...) Man hat mir einen Liquidierungsplan von einigen Chefs der islamischen Partei vorgelegt. Sie haben mir ihre Namen genannt. Es handelte sich um Chefs, die untergetaucht waren: Mohamed SaÎd und andere. Ich sagte ihnen, dass ich nicht in kriminelle Pläne verwickelt sein wollte. Ich war bereit, mit ihnen zu kollaborieren und irgendeine Mission anzutreten, die eine algerische Versöhnung anstrebt. Ich war bereit, jeden zu kontaktieren für eine große Versöhnung. Ich habe ihnen gesagt, dass die Personen, die sie liquidieren wollten, Akademiker und politische Kader waren: Man könne mit ihnen verhandeln. Ich sagte, dass ich glaubte, dass die Personen, die gewaltsam bekämpft werden sollten, die Zitounis [23] seien, weil sie Kinder und Frauen töteten. (...) Oberst Bachir, Chef des Folterzentrums von Ben Aknoun, war an der Unterhaltung beteiligt. Er sagte mir: ‚Lass Zitouni in Ruhe, er ist unser Mann, Du wirst mit ihm zusammenarbeiten.’“

Chouchen bat um Bedenkzeit und erschien nicht zum nächsten Gesprächstermin. Unterdessen bereitete er seine Flucht vor. [24]

Die Bedeutung des Prozesses

Diese brisanten Enthüllungen decken sich mit den Erkenntnissen verschiedener Geheimdienste (soweit diese überhaupt bekannt gegeben werden). So hat beispielsweise der britische Geheimdienst ein Gespräch abgefangen, das der Herausgeber der Publikation der GIA in London mit seinen Männern in Algerien führte. Der Anruf kam aus einer algerischen Kaserne. [25] Auch ausgestiegene Islamisten, desertierte Angehörige der Armee und des Geheimdienstes berichteten über ähnliche Dinge. [26] José Garçon bestätigte dies während des Prozesses:

„Es gab viele Fragen in der französischen politischen Klasse bezüglich der Rolle, die algerische Dienste gespielt hätten, indem sie Islamisten manipulierten. Es ist offensichtlich, dass die Bomben [Anschlagsreihe in Frankreich 1995] wahrscheinlich von Islamisten gelegt wurden. Aber da kommen wir auf die Frage zurück, welches das wirkliche Wesen dieser islamistischen bewaffneten Gruppen in Algerien ist: in der französischen politischen Klasse fragten viele nach der Rolle, die die algerischen Geheimdienste bei diesen Anschlägen gespielt haben könnten.“

Im Laufe dieses Gerichtsverfahrens hat niemand die Verantwortung der Islamisten für Menschenrechtsverletzungen geleugnet, aber fortwährend drängte sich die Frage auf, wer manche dieser „Terroristen“ sind, insbesondere die GIA. Indem die Zeugen von Nezzar den überwiegenden Teil der Gewaltakte den Islamisten zuschreiben und somit alle existierenden Gruppen und Organisationen unterschiedslos als Terroristen bezeichnen, liefern sie eine ganz einfache Erklärung für eine komplexe Situation, in der es ihnen vorrangig darum geht, die Repression des Staates und seine Verantwortung für massive Verbrechen zu leugnen. Dabei gilt es mittlerweile als etablierte Tatsache, dass staatliche Stellen nicht nur terroristische Gruppen manipuliert und unterwandert, sondern sogar selbst gegründet haben.

Während aktuell die Machthaber alles daran setzen, sich des „Ballastes“ der Menschenrechtsverletzungen zu entledigen (obwohl weiterhin täglich Massaker verübt, Menschen festgenommen und gefoltert werden usw.), indem beispielsweise die Verschwundenen als Opfer des Terrorismus deklariert werden sollen und ihren Familien Entschädigungen versprochen werden, dient ein solcher Prozess dazu, deutlich zu machen, dass ohne die Aufdeckung der Wahrheit und die Bennennung der Verantwortlichen keine Versöhnung und kein Friede möglich sind.

Anmerkungen

[1] Das HCE ist keine von der Verfassung vorgesehene Institution. Es wurde nach dem Rücktritt von Präsident Chadli eingeführt und sollte die Präsidentenfunktion bis zum Ende seines Mandats im Dezember 1993 ausüben.

[2] Habib Souďdia, Der Schmutzige Krieg, Chronos Verlag, 2001.

[3] Am 25. April 2001 wurde eine Anzeige wegen Folter gegen Nezzar in Frankreich eingereicht. Am selben Tag wurde Nezzar nach Algerien ausgeflogen.

[4] Hichem Aboud, La Mafia des généraux, JC Lattčs, 2002.

[5] Dies teilte Sid-Ahmed Ghozali, ehemaliger Premierminister (1991-1992), der als Zeuge von Nezzar geladen wurde, in einem Interview der Wochenzeitung El Khabar el-usbu’i (20.-26. Juli 2002) mit.

[6] Dies ist eine wohlbekannte Reaktion der Junta. Wenn Anfragen und Beschwerden von internationalen Institutionen zu erwarten sind, wie vom UN-Komitee für Menschenrechte, werden falsche Berichte über verschwundene und extralegal hingerichtete Personen erstellt. Abdelkader Tigha, ein desertiertes Geheimdienstmitglied, der in einem der wichtigsten Folterzentren (Blida) tätig war, berichtet darüber in: Nord Sud Export, Les révélations d’un déserteur de la SM, 21. September 2001, www.algeria-watch.org/farticle/transfuges_generaux/tigha_deserteur.htm

[7] Siehe Algeria-Watch, Infomappe 2, Oktober 1997, http://www.algeria-watch.org/infomap/infom2.html und Infomappe 3, http://www.algeria-watch.org/infomap/infom3.html

[8] Amnesty International, Human Rights Watch, FIDH und Reporters sans Frontičres verfassten im Oktober 1997 diesen Appell.

[9] Ein gutes Beispiel sind die medienwirksamen Aussagen der französischen Star-Philosophen André Glucksmann und Bernard-Henri Lévy, die im Januar 1998 nach Algerien fuhren. Beide behaupteten bei ihrer Rückkehr, alles verstanden zu haben, und dass die Frage „Wer tötet?“ „obszön“ sei. Ihre Artikel wurden auch ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht. Der Fernsehsender Arte stimmte am 22 Januar 1998 mit einem reißerischen Themenabend zu den Massakern in diese Kampagne ein.

[10] Eine europäische Troika, eine Delegation von Europaabgeordneten unter dem Vorsitz eines Franzosen und eine UNO-Delegation reisten unmittelbar nach den großen Massakern 1998 nach Algerien mit dem Ergebnis, dass von einer Untersuchungskommission keine Rede mehr war. Siehe Algeria-Watch, Infomappe 6, Oktober 1998, http://www.algeria-watch.org/infomap/infom6.html

[11] Siehe Algeria-Watch, Infomappe 2 und 3, http://www.algeria-watch.org/infomap/infom2.html, http://www.algeria-watch.org/infomap/infom3.htm, Nesroulah Yous, Qui a tué ŕ Bentalha, Paris 2000, Habib Souaďdia, op. cit., Youcef Bedjaoui, Abbas Aroua, Meziane Aďt-Larbi, Inquiry into the algerian Massacres, Editions Hoggar, 1999.

[12] Siehe: http://www.algeria-watch.org/farticle/nezzar/plainte_nezzar.htm

[13] FIS : Front islamique du salut (islamische Rettungsfront), FLN : Front de libération nationale (Nationale Befreiungsfront), FFS : Front des forces socialistes (Front der sozialistischen Kräfte), PT : Parti des travailleurs (Arbeiterpartei).

[14] Larbi Belkheir hat selten einen Posten in den vordersten Reihen bekleidet. Er war jahrelang Chef des Kabinetts von Präsident Chadli und von Oktober 1991 bis Juli 1992 Innenminister. Seit September 2000 ist er Berater des Präsidenten Abdelaziz Bouteflika. Er wird von vielen Beobachtern als der starke Mann der Militärjunta bezeichnet.

[15] General Touati gehört zu den einflussreichen Militärs, die gegen einen Dialog mit der FIS sind.

[16] el-khabar el usbu'i, op. cit.

[17] Siehe zu den Einzelheiten über die Ermordung Boudiafs: Maol, l’affaire Boudiaf, www.anp.org; Hichem Aboud, op.cit (S. 149ff) und zu der Absicht Nacer Boudiafs Anzeige zu erstatten in: www.algeria-watch.org/farticle/sale_guerre/belkheir_boudiaf.htm und www.algeria-watch.org/farticle/sale_guerre/belkheir_boudiaf2.htm

[18] Boudiaf wurde während einer öffentlichen Rede in Annaba vor laufender Kamera ermordet.

[19] Eine Liste wurde 1998 der UNO-Delegation, die eine Informationsreise nach Algerien unternahm, ausgehändigt, um die Kritik der Menschenrechtsorganisationen, die Regierung verfolge nicht die Übergriffe von Sicherheitskräften, zu entkräften.

[20] Mohamed Samraoui war seit 1992 an der algerischen Botschaft in Deutschland tätig. 1996 desertierte er und erhielt in Deutschland politisches Asyl. Er dürfte wohl den deutschen Sicherheitsdiensten sein Wissen über die „Terrorismusbekämpfung“ in Algerien mitgeteilt haben, so dass diese bestens über die Verwicklung des DRS mit den bewaffneten Gruppen informiert sein müssten.

[21] Im Mai-Juni 1991 fand ein Generalstreik der FIS statt, um gegen die Änderung der Wahlgesetze zu protestieren und vorgezogene Präsidentschaftswahlen zu fordern. Obwohl die Sicherheitskräfte diesen Streik kontrollierten, intervenierte die Armee und Hunderte von politischen Kadern der FIS wurden festgenommen und interniert. Die Strukturen der Partei erlitten einen großen Schaden und lange blieb unklar, ob die FIS sich an den Parlamentswahlen überhaupt beteiligen würde.

[22] Drei-Drittel-Mehrheit bedeutet: ein Drittel für die FLN, ein Drittel für die „Demokraten“ und das Dritte für die FIS.

[23] Djamel Zitouni, Chef der GIA von September 1994 bis Juli 1996, soll ein Mann des DRS sein. Er wurde von seinem Nachfolger Antar Zouabri liquidiert, selbst ein Mann des DRS, der mehrmals für tot erklärt wurde und wiederauferstand. In diesem Jahr scheint er endgültig beseitigt worden zu sein. Seine Leiche wurde in den Medien zur Schau gestellt.

[24] Siehe das Zeugnis von Capitaine Chouchene auf Seite 18ff dieser Infomappe.

[25] Patrick Forestier, « Derričre les tueries, de sordides intéręts immobiliers et fonciers », Paris-Match, 9 octobre 1997.

[26] Siehe Algeria-Watch, Infomappe 2, 3 und 4.


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