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Algerien im Strudel des Terrors

Mindestens 43 Menschen sterben bei einem Anschlag in Les Issers in der Nähe von Algier

Von Abida Semouri, Algier *

Beim schwersten Anschlag in Algerien seit Jahren hat ein Selbstmordattentäter vor einer Polizeischule mindestens 43 Menschen mit in den Tod gerissen. 38 weitere seien bei der Explosion im ostalgerischen Les Issers verletzt worden, teilte das Innenministerium am Dienstag mit.

2008 war Algerien von größeren Anschlägen bisher weitgehend verschont geblieben. Seit den Anschlägen auf das Verfassungsgericht in Algier und den dortigen Sitz des UNEntwicklungsprogramms im Dezember 2007, bei denen 41 Menschen getötet worden waren, war es vergleichsweise ruhig geworden. Umso schockierender das Ereignis gestern. Nach offiziellen Angaben sind bei dem Selbstmordanschlag mindestens 43 Menschen getötet und weitere 38 verletzt worden.

Der Attentäter hatte sich am frühen Dienstagmorgen in der Stadt Les Issers 60 Kilometer östlich der Hauptstadt Algier vor einer Gendarmerieschule in die Luft gesprengt. Er war mit seinem Fahrzeug in das Hauptportal des Gebäudes gerast, vor dem zahlreiche Bewerber für den Gendarmeriedienst warteten. Unter den Opfern sollen laut Augenzeugen auch Passanten sowie Insassen eines vorbeifahrenden Linienbusses sein. Die Wucht der Detonation zerstörte zahlreiche umliegende Gebäude. Unmittelbar nach der Explosion sperrten die Sicherheitskräfte sämtliche Zufahrtsstraßen ab, damit die zahlreichen Toten und Verletzten in die umliegenden Krankenhäuser gebracht werden konnten. Zeitweise brach das Mobilfunknetz zusammen. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand.

Die Bergregion gilt jedoch als Operationsgebiet der Terrorgruppe »Al Qaida des islamischen Maghreb«, die ihre Aktionen in den vergangenen Wochen verstärkt hat. Erst am vergangenen Sonntag waren zwölf Menschen bei einem Angriff islamistischer Extremisten ums Leben gekommen. Der Überfall auf einen Militärkonvoi nahe der Küstenstadt Skikda (550 Kilometer östlich Algiers) galt dem Oberbefehlshaber der Region, berichteten algerische Zeitungen. Die Opfer, Soldaten, Polizisten sowie ein Zivilist, wurden von den Attentätern enthauptet. Eine Woche zuvor waren acht Zivilisten im Badeort Semouri von einem Selbstmordattentäter in den Tod gerissen worden. Wenige Tage später hat »Al Qaida des islamischen Maghreb« die Verantwortung für den Anschlag übernommen. Die Terrorgruppe geht aus der »Salafistengruppe für Predigt und Kampf« hervor, die sich vor zwei Jahren dem internationalen Terrornetzwerk El Qaida angeschlossen hatte. Seit Jahren nutzt sie die östlich Algiers gelegene Bergregion der Kabylei als Rückzugsgebiet.

Von den dort lebenden Berbern wird sie jedoch nicht unterstützt. Die Kabylen stehen ihrerseits selbst in Opposition zur Regierung, der sie die Unterdrückung ihrer kulturellen Identität und sozialökonomische Benachteiligung vorwerfen. Die Terrorgruppe finanziert sich vor allem durch Schutzgelderpressung und Lösegeldzahlungen aus den sich häufenden Entführungen von Kabylen.

* Aus: Neues Deutschland, 20. August 2008


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