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Entwicklung ist Geschäft

In Afrika entstehen »blaue Zonen« unter Regie französischer Konzerne. China baut mit Unterstützung aus Paris an erster »nachhaltiger Stadt«

Von Georges Hallermayer *

Zwei Nachrichten, ein Thema, verschiedene Modelle: Anfang Juni berichteten die Onlineausgabe des französischen Wochenmagazins Jeune Afrique und die Wirtschaftszeitung Les Echos über zwei Vorzeigeprojekte: Es ging um die erste »blauen Zone« Afrikas und die erste »nachhaltige Stadt« im Weltmaßstab. Beide Vorhaben entstehen in Millionenstädten. Das afrikanische in Conakry, der Hauptstadt Guineas, das asiatische in Wuhan, einer der zahlreichen, üppig wachsenden Metropolen der Volksrepublik China. Erfreuliches für das französische Großkapital steckt in beiden Vorhaben, denn sie verheißen Millionenprofite. Dennoch gibt es erhebliche Unterschiede, obwohl doch beide Projekte dem Umweltschutz verpflichtet sind.

Da ist zunächst die Größenordnung. Umfaßt Afrikas erste »Blue Zone« gerade einmal ein Areal von vier Hektar auf der Halbinsel Conakry, so erstreckt sich das nachhaltige Stadtprojekt in China über etwa 30 Quadratkilometer (zum Vergleich: 100 Hektar sind ein Quadratkilometer). Die blaue Zone, ein begrenztes Gebiet für sozial-öffentliche und geschäftlich-private Dienstleistungen, liegt in der Hand des multinationalen Konzerns Bolloré Africa Logistics und dessen Tochter Blue Solutions. Die als nachhaltig konzipierte chinesische Stadt ist praktisch eine eigenständige, funktionsfähige Kommune, gelegen im Distrikt Cai Dian und für 100000 Bewohner ausgelegt. In Wuhan geht es vor allem darum, die unter verschmutzter Luft leidende Schwerindustrieregion vom »gelben Smog« zu befreien. Außerdem soll das chinesische Vorhaben ein Modell für die im Dezember 2015 in Paris stattfindende UN-Weltklimakonferenz sein.

Im Beisein des französischen Außenministers Laurent Fabius und des chinesischen Botschafters Zhai Jun hatten am 12. Juni Martine Aubry als Beauftragte des Außenministers für die Partnerschaft mit China, und Tang Liangzhi, Bürgermeister von Wuhan, eine »gemeinsame Erklärung« unterzeichnet. Das galt nach Aussage der früheren Chefin der französischen Sozialisten Aubry als erster Schritt, um die Absichtserklärung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping bei seinem Besuch am 26. März in Frankreich umzusetzen. Der hatte verkündet, »die erste Stadt der Welt in ökologisch nachhaltiger Weise zu planen und zu bauen«. Drei gemischte Arbeitsgruppen wurden geschaffen, Frankreich kofinanziert die komplexe Planung des Städtebauprojekts und begleitende Studien, die bis Ende des Jahres vorliegen sollen. Französische Multis im Bereich öffentlicher Dienstleistungen wie Suez oder Veolia im Bereich Verkehr sowie Alstom oder Transdev, verfolgen dies alles mit großem Interesse.

»Blue Zone« ist nicht weniger prominent begleitet – Guineas Staatspräsident Alpha Condé und Vincent Bolloré, Chef von Bolloré Africa Logistics, weihten das Vorhaben am 12. Juni offiziell ein. Allerdings ist die blaue Zone ein sogenanntes ppp-Projekt (Private-Public-Partnership). Es startet als lukratives Geschäftsmodell des »grünen Kapitalismus« nach dem Prinzip: »Alles in einer Hand« – nämlich der von Bolloré Africa Logistics. Der Konzern ist umtriebig, errichtet auch in Benin, Niger und Togo solche blauen Zonen.

Der Name leitet sich von der Methode der Energieversorgung ab. Verwendet wird Solarstrom, produziert von Photovoltaikanlagen der Firma Sun Power – einer Tochter des französichen Ölgiganten Total. Gespeichert wird der Strom von neuartigen LMP-Batterien der Bolloré-Africa-Logistics-Tochter Blue Solutions. Im Herzen Conakrys auf der gleichnamigen Halbinsel, wo sich auch ein von Bolloré betriebener Containerhafen befindet, bietet die »Zone« beleuchtete Multifunktionsplätze auch für sportliche Aktivitäten, mit Trinkwasserversorgung, einem Gesundheits- und einem Jugendzentrum. 475 einheimische Handwerker (Elektriker, Schreiner, Maurer, Kunstschmiede) werden dort im Endausbau ihre Werkstätten betreiben. Eine Schule, in der auch e-learning Platz finden wird, eröffnet ebenfalls. Ob sich die von Bolloré im Nachbarstaat Cote d’Ivoire im April gegründete e-commerce-Plattform »Cdiscount« dort niederläßt, ist noch nicht bekannt.

In Nigers Hauptstadt Niamey wird die dortige blaue Zone auch den modernisierten Bahnhof umfassen. Am 7. April legte Vincent Bolloré zusammen mit den Staatspräsidenten von Niger und Benin, Mahamadou Issoufou und Boni Yayi, den Grundstein. Der Bahnhof wird der Ausgangspunkt einer neuen internationalen Bahnstrecke von Cotonou (Benin) über Niamey (Niger) und Ouagadougou (Burkina Faso) nach Abidjan (Cote d’Ivoire), eine gigantische Schleife, die nach zehnjähriger Bauzeit Niger und Burkina Faso mit den Häfen am Golf von Guinea verbindet. Auch hier ist Bolloré Africa Logistics mit 40 Prozent und 20jähriger Konzession »strategischer Partner«: Bollore treibt das Projekt voran, um die chinesische Konkurrenz, die in Ostafrika ein analoges Großprojekt realisiert – in der Region, die Frankreich als Einflußgebiet reklamiert –, außen vor zu halten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 26. Juni 2014


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