Clinton auf Werbetour in Afrika
Die USA wollen auf dem rohstoffreichen Kontinent verlorenes Terrain wiedergutmachen
Von Marc Engelhardt, Nairobi *
Elf Tage Afrika: USA-Außenministerin Hillary Clinton befindet sich derzeit auf ihrer bisher längsten
Auslandsreise. Von Kenia reiste die Ministerin weiter nach Südafrika und Angola. Derzeit weilt sie in
der Demokratischen Republik Kongo. Und vor ihrem Rückflug nächste Woche von den Kapverden,
wird sie auch Nigeria und Liberia noch eine Stippvisite abstatten.
Ein kleiner Fehler mit großer Wirkung. Nach Barack Obama ist Bill Clinton der bekannteste USA-Politiker
in Afrika. Und so verwechselte der Übersetzer bei der Frage eines kongolesischen
Studenten an Hillary Clinton die beiden Namen. Der Student hatte wissen wollen, was Obama (der
Übersetzer: Bill Clinton) zum Engagement Chinas und der Weltbank in der Demokratischen Republik
Kongo meine. Der Übersetzungsfehler empörte Washingtons Chefdiplomatin: »Sie wollen wissen,
was mein Mann denkt? Mein Mann ist nicht der Außenminister, das bin ich. Fragen Sie mich nach
meiner Meinung, dann sage ich sie Ihnen.« Für ihren Mann dagegen spreche sie nicht, betonte
Clinton.
Der Ärger war freilich nur von kurzer Dauer. Wie zuvor in Angola stand im Hintergrund der
Gespräche in der Demokratischen Republik Kongo, wo Clinton am Montagnachmittag (10. August) landete und
am Dienstag (11. August) mit Präsident Joseph Kabila zusammentraf, stets die Rohstoffversorgung der USA.
Kaum ein anderes afrikanisches Land verfügt über eine solche Fülle an Mineralien wie das
ehemalige Zaïre, das wie sein Nachbar Angola unter den Folgen eines jahrzehntelangen
Bürgerkriegs leidet. Doch anders als in Angola ist ein Ende der Kämpfe zwischen Rebellen und
Regierungsarmee im Osten des Landes nicht in Sicht. »Mädchen und Frauen werden brutal
vergewaltigt, Häuser werden abgefackelt, ganze Dörfer geplündert«, beschreibt Marcel Stoessel von
Oxfam die Situation. Zu den Tätern gehören auch Regierungssoldaten. Mehr als 300 000 Menschen
sind seit Anfang des Jahres aus ihren Dörfern in der Nord-Kivu-Region geflohen. Und doch gibt es
Hoffnung. »Es ist ein gutes Zeichen, dass Hillary Clinton hierher kommt, um die Folgen des Krieges
zu sehen«, freut sich Florence Jambuko, die schon seit Wochen dem Besuch in der
Provinzhauptstadt Goma entgegenfiebert. »Wenn die USA genügend Druck ausüben, dann wird es
vielleicht doch eines Tages Frieden geben.«
Der Besuch in Goma wird im krassen Gegensatz zum vorangegangenen, äußerlich harmonisch
verlaufenen Aufenthalt in Angola stehen. So sonnig wie das Wetter in Luanda war das Lächeln, das
Hillary Clinton den Kameras in Angolas Hauptstadt schenkte. Auch ihre Worte waren wohl gewählt:
Nachdem sie wenige Tage zuvor in Kenia lautstark Korruption verurteilt und gute Regierungsführung
gefordert hatte, war die Kritik an Angolas Regierung deutlich gebremst. »Korruption ist überall ein
Problem«, relativierte die US-Außenministerin die Kritik von Opposition und Menschenrechtlern,
nach denen die Milliardengewinne in Afrikas größter Ölfördernation zum großen Teil in den Taschen
einer seit Jahrzehnten regierenden Elite versickern. »Es ist nur fair zu sagen, dass Angola begonnen
hat, seine Transparenz zu erhöhen.«
Der seit drei Jahrzehnten an der Staatsspitze agierende José Eduardo Dos Santos will denn auch
nach Clintons Worten »rechtzeitig« Wahlen in seinem Land abhalten. Er habe ihr zugesichert, dass
eine neue Verfassung ausgearbeitet werde und Wahlen dann »so bald wie möglich« stattfinden.
Gut Wetter zu machen, das gehörte bei Clintons Besuch dazu: Schließlich sollen die seit der Wahl
von Präsident Barack Obama wieder aufgefrischten Beziehungen beider Staaten unbedingt stabil
bleiben. Für José Eduardo dos Santos sind die USA allerdings durchaus kein selbstverständlicher
Partner. Sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs, den die USA anheizten, indem sie die Rebellen
der UNITA finanzierten und ausrüsteten, stehen viele Veteranen in der Regierung den US-Amerikanern
skeptisch gegenüber. 27 Jahre dauerten die Kämpfe, mehr als 300 000 Menschen
kamen ums Leben. Umso unglaublicher ist der rasante wirtschaftliche Aufschwung des Landes,
auch wenn der Großteil der Bevölkerung bis heute unter der Armutsgrenze lebt.
Vor allem jenseits der mit Neubauten protzenden Glitzermetropole Luanda, die inzwischen als
teuerste Stadt der Welt gilt (ausländische Ölarbeiter zahlen für ein einfaches Apartment mehr als 10
000 Euro im Monat), sind die Folgen des Krieges bis heute zu spüren. Im Planalto etwa, auf der
Hochebene, wo selbst fruchtbarstes Land bis heute nicht bebaut werden kann, weil Landminen
riesige Gebiete unerschließbar machen. »Auf manchen Straßen liegen Minen verschiedener
Rebellengruppen in Schichten übereinander, weil sich im Verlauf des Kriegs die Fronten geändert
haben«, erklärt Richard Grindle, der für die Nichtregierungsorganisation HALO arbeitet. »Eine
einzige Mine reicht aus, um einen Bus oder einen Truck voller Menschen in die Luft zu jagen und ein
Blutbad zu erzeugen, deshalb müssen wir alle Straßen von Anfang bis Ende untersuchen.« Trotz
fortschrittlichster Technik kommen Grindle und seine Kollegen pro Tag im Regelfall nur wenige
hundert Meter voran. Noch rund zehn Jahre, so Grindles Schätzung, wird es dauern, bis alle Minen
entfernt sind.
Hillary Clinton unterschrieb am Montag (10. Aug.) ein Abkommen, das Millionenhilfen für den Wiederaufbau der
Landwirtschaft in Angola vorsieht. USA-Unternehmen investieren außerdem in den Aufbau der
Flüssiggasproduktion und natürlich die Ölförderung: Gut die Hälfte des angolanischen Öls wird von
US-Firmen gefördert, auch wenn die USA bislang nur sieben Prozent ihres Ölbedarfs aus Angola
decken – im Gegensatz zu China, für das Angola der größte Öllieferant ist. Auch wenn Hillary
Clinton es immer wieder bestreitet: Der Kampf um Rohstoffe steht im Mittelpunkt ihrer elftägigen
Reise durch den afrikanischen Kontinent – angeheizt insbesondere durch die massive Nachfrage
aus China.
* Aus: Neues Deutschland, 12. August 2009
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