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Spekulieren in Afrika

Investoren entdecken die Börsen zwischen Casablanca und Johannesburg

Von Hermannus Pfeiffer *

Wegen der Schuldenkrisen in Euroland und den USA suchen Anleger verstärkt nach Alternativen. Auch Afrika gilt zunehmend als attraktiv.

Wüsten und Hungersnöte, Flüchtlinge und blutige Bürgerkriege um seltene Rohstoffe prägen unser Bild von Afrika. Aber Börsen? Dabei verzeichnet der Kontinent seit einem Jahrzehnt hohe gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten, und seit Jahren entwickelt sich die Konjunktur dynamischer als im Rest der Welt. Nicht nur der Norden des Kontinents, der seit längerem kräftige Wachstumsraten verzeichnet, sondern auch die Wirtschaft in Staaten südlich der Sahara nimmt zunehmend Fahrt auf. Wer nach wie vor lediglich die Probleme wahrnimmt, warnt die Royal Bank of Scotland in ihrem Anlegermagazin für wohlhabende Privatkunden, könnte eine der »letzten großen Wachstumsstorys« verpassen. Gemeint ist damit die Hoffnung auf rasant steigende Aktienkurse.

Erst die globale Wirtschaftskrise und die Rebellion im arabischen Norden unterbrach eine Wachstumsphase, die erstmals seit den 1960er Jahren deutlich über dem Bevölkerungszuwachs lag. Nach rund fünf Prozent Wachstum in 2010 erwartet das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut für die Jahre 2015 bis 2030 eine durchschnittliche Wachstumsrate in gleicher Höhe. Positiver als das öffentliche Bild sieht auch der Frankfurter Ökonom Jörg Goldberg die Lage: »Internationale Investoren erkennen zunehmende Chancen, selbst die Bundeskanzlerin opfert drei Tage ihrer kostbaren Zeit, um der deutschen Wirtschaft den Rohstoffkontinent schmackhaft zu machen.«

Von insgesamt 53 afrikanischen Staaten verfügen 31 über einen Wertpapierhandelsplatz. Allerdings sind Afrikas Börsen mit wenigen gelisteten Unternehmen, einem niedrigen Handelsvolumen und einer äußerst geringen Marktkapitalisierung ausgestattet. So beträgt der Kurswert aller Aktien, die in Botswana gehandelt werden, nur vier Milliarden Dollar und die der westafrikanischen Regionalbörse BRVM fünf Milliarden.

Phantasien der Anleger wecken da schon eher die großen Vier, Nigeria mit einer Marktkapitalisierung von 33 Milliarden Dollar, Ägypten (54 Milliarden), Marokko (67 Milliarden) und – alles in den Schatten stellend – Südafrika (771 Milliarden) mit seiner bereits 1887 nach Goldfunden in Johannesburg gegründete Börse.

Im vergangenen Jahr stiegen die Aktienkurse an den afrikanischen Börsen um mehr als ein Fünftel und damit weit höher als der Weltindex »MSCI World«. Und auch auf Fünfjahres-Sicht hatte das Afrika-Barometer gegenüber dem Weltindex die Nase vorn. Ratgeberbücher empfehlen daher deutschen Lesern: »Profitieren auch Sie vom Reichtum des Schwarzen Kontinents.« Das können Anleger hierzulande beispielsweise mit Zertifikaten auf den Aktienindex »S&P Africa 40« tun, in dem unter anderem Unternehmen aus Mali, Ägypten und Sambia notiert sind.

Dass nicht alles Gold ist, was im Börsenhandel glänzt, darauf verweist Afrika-Kenner Goldberg. Rohstoffboom und der lang anhaltende Wirtschaftsaufschwung haben zu wenigen Menschen genützt. »Dieses Wachstum war ohne Jobs.« Und der Anteil der arbeitenden Armen stieg im subsaharischen Afrika an. Goldberg: »Während Bergbau, Telekommunikation und Finanzdienstleistungen boomen, stagniert die Industrie.« Doch nur in der verarbeitenden Wirtschaft könnten die dringend benötigten Arbeitsplätze entstehen. Das lässt aber der Weltmarkt nicht zu.

Lexikon

Die Bourse Régionale des Valeurs Mobilières (BRVM) mit Sitz in Abidjan war weltweit die erste Sammelbörse für mehrere Länder. Seit 1998 wickelt sie den Aktien- und Wertpapierhandel für die Länder der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion – Benin, Burkina Faso, Côte d'Ivoire, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo – ab. 40 Aktiengesellschaften sind hier gelistet. hape



* Aus: Neues Deutschland, 30. Juli 2011


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