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Obama besucht Afrika - Stationen: Senegal, Südafrika, Tansania

Bisher kaum Impulse des "schwarzen Präsidenten" für den "schwarzen Kontinent"


Obamas Afrika-Visite wird seit langer Zeit erwartet. Seit seinem Amtsantritt reiste der US-Präsident erst in ein afrikanisches Land südlich der Sahara: Im Juli 2009 besuchte er kurz Ghana, das als Musterland demokratischer Entwicklung in Schwarzafrika gilt. Nun wird er zunächst in Senegal erwartet. Anschließend will er nach Südafrika weiterreisen. Zum Abschluss steht Anfang kommender Woche ein Besuch in Tansania auf dem Programm. Drei formaldemokratische Länder nach USA-Gusto, doch es geht wie immer auch um Wirtschaftsinteressen und Terrorismus.
Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel aus dem "neuen deutschland", die aus Anlass des Obama-Besuchs am 26. Juni 2013 erschienen.


Afrika rangiert unter ferner liefen

Obama brachte bisher wenig neue Akzente

Von Martin Ling *


Viele Afrikaner haben sich vom ersten schwarzen USA-Präsidenten eine progressive Afrika-Politik versprochen. Doch bisher hat Obama keine größeren Akzente gesetzt. Seine erste längere Afrika-Reise überhaupt wird zudem vom prekären Gesundheitszustand Nelson Mandelas in Südafrika überschattet, der zweiten Reisestation.

Es hat gute Tradition: Senegal gehört regelmäßig zur Reiseroute, wenn US-amerikanische Präsidenten durch Afrika touren. Das galt 2003 für George Bush jr. und das gilt 2013 für seinen Nachfolger Barack Obama. »Das liegt daran, dass Senegal eine lange demokratische Tradition ohne Putsche und Militärregierungen aufweist«, schildert Georg Klute gegenüber »nd« die mutmaßlichen Beweggründe für diesen wiederkehrenden Besuchsort. »Dabei wird geflissentlich übersehen, dass seit vielen Jahren in der senegalesischen Provinz Casamance ein gewalttätiger, ungelöster Konflikt um die Unabhängigkeit tobt«, so der Professor für Ethnologie Afrikas an der Universität Bayreuth.

Tradition hat im Weißen Haus auf alle Fälle, bei den Afrika-Reisen Länder mit der Aufwartung zu beehren, die dem US-amerikanischen Demokratieverständnis wenigstens im Großen und Ganzen entsprechen. Das ist bei Senegal, Südafrika und Tansania der Fall. Und das sorgt wie schon 2009, als Obama kurz bei der Musterdemokratie Ghana vorbeischaute, für Unmut in Kenia – dem Heimatland von Obamas Vater. Kenia bleibt erneut außen vor. Das Weiße Haus begründete die Entscheidung damit, dass sich der im Frühjahr gewählte kenianische Präsident Uhuru Kenyatta sowie dessen Stellvertreter William Ruto vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten müssen. Beide sind im Zusammenhang mit den blutigen Unruhen nach der Präsidentschaftswahl 2007 angeklagt. »Es war einfach nicht die beste Zeit für den Präsidenten, nach Kenia zu reisen«, sagte Obamas Vize-Sicherheitsberater Ben Rhodes.

Zur falschen Zeit am falschen Ort: Was für Kenia gegolten hätte, gilt aus anderen Gründen sicher auch für Südafrika. Dort bangt das ganze Land um den Vater der Nation, Nelson Mandela. Staatspräsident Jacob Zuma beschrieb nach seinem Krankenbesuch die Lage als kritisch. Eigentlich hätte Obama den ersten südafrikanischen Präsidenten nach der Apartheid-Ära am kommenden Wochenende aufsuchen wollen. Das gilt nun als so gut wie ausgeschlossen. Das Weiße Haus hat vergangene Woche erklärt, die Entscheidung darüber obliege der Familie des früheren südafrikanischen Staatschefs. Erst einmal hatte Obama bisher Mandela kurz getroffen, 2005, als er noch US-Senator war. In US-Regierungskreisen galt ein Abbruch der Reise als nicht ausgeschlossen, sollte Mandela sterben.

Mandelas Krankheit überschattet nicht nur die Reise von Obama, sondern auch Obamas Afrika-Politik an sich. Bei seiner Rede 2009 in Ghana traf er durchaus den Ton: »Afrikas Zukunft ist Sache der Afrikaner.« Die Frage ist, welchen Beitrag die USA dazu leisten. Immerhin wurden 2011 rund 9 Milliarden US-Dollar für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit mit Subsahara-Afrika ausgegeben und damit mehr als fünfmal so viel wie 2001. Auch der Handel zog an: Im Jahr 2011 betrug das Handelsvolumen 95 Milliarden Dollar – fast dreimal so viel wie vor zehn Jahren. Und trotzdem Peanuts bei einem USA-Gesamthandelsvolumen von 3,8 Billionen US-Dollar im selben Jahr.

Obamas Afrika-Politik läuft in der Kontinuität von Bush und Bill Clinton. Das 2007 aus der Taufe gehobene Regionalkommando der US-Streitkräfte AFRICOM bleibt ebenso unangetastet wie die noch von Clinton 2000 lancierte Handelsoffensive AGOA. Obamas größter Akzent ist bisher die 2012 im Rahmen der G8 gestartete »Neue Allianz für Ernährungssicherung«. Offizielles Ziel der Allianz, in die inzwischen zehn afrikanische Länder eingebunden sind, ist es, durch privatwirtschaftliche Investitionen in Afrikas Landwirtschaft Jobs zu schaffen und 50 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien. Was sich gut anhört, stößt auf massive Kritik: Die panafrikanische Entwicklungsorganisation INADES hält die Allianz für einen Kuhhandel zwischen Agrar- beziehungsweise Nahrungsmittelmultis und afrikanischen Regierungen. Daran beteiligte Konzerne wie der Saatgutriese Monsanto oder der Schweizer Pflanzenschutzmittelhersteller Syngenta geben diesen Befürchtungen Nahrung.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 26. Juni 2013

Wirtschaft und Sicherheit

Die Themen Wirtschaft, Demokratie und Sicherheit stehen im Mittelpunkt der Reise von US-Präsident Barack Obama nach Senegal, Südafrika und Tansania (26. Juni bis 3. Juli).

WIRTSCHAFT: Afrikas Wirtschaft boomt im Schnitt seit Jahren. US-Unternehmen wollen davon stärker als bisher profitieren. Es geht um mehr Handel und mehr Investitionen in Afrika. Als besonders interessant und lukrativ gilt der Markt in Südafrika. Senegal gilt als Brückenkopf für Westafrika. Vor allem China ist seit Jahren in Afrika wirtschaftlich auf dem Vormarsch – zum Verdruss der USA.

DEMOKRATIE: Obama wird die Eigenverantwortung der Afrikaner anmahnen. Seine Botschaft: Nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ist nur möglich, wenn es verantwortliche Regierungen und stabile demokratische Institutionen gibt. Er wird dabei auch mit jungen Leuten zusammentreffen, die den Kontinent in die Zukunft führen sollen. Das Weiße Haus betont, dass alle drei Länder, die Obama besucht, als erfolgreiche Demokratien gelten. Mit Spannung wird Obamas Grundsatzrede in Kapstadt erwartet.

SICHERHEIT/TERRORISMUS: Ein heikles Thema ist die zunehmende Unsicherheit durch islamistische Rebellen und Terroristen in einigen Ländern. Besonders gefährdet sind etwa Mali, wo erst unlängst französische Soldaten islamistische Rebellen zurückdrängen konnten, sowie Somalia, wo seit Jahren der Staatszerfall anhält. Aber auch in anderen Ländern wie etwa Nigeria steigen die Spannungen zwischen Muslimen und Christen. nd



Muslim-Organisation fordert Obamas Verhaftung

In Südafrika wirft der Besuch des USA-Präsidenten seine Schatten voraus: Drohnenangriffe bringen ihn in Misskredit

Von Markus Schönherr, Kapstadt **


Der Afrika-Trip hat noch nicht begonnen, doch US-Präsident Barack Obama sorgt in Südafrika schon jetzt für Aufregung. Nicht nur liefern sich die Regierungspartei und die Opposition einen Wahlkampf auf Obamas Rücken. Auf dem Tisch des Hauptstaatsanwalts liegt auch der Antrag, das Staatsoberhaupt »festzunehmen«.

Nicht weniger als 100 Millionen US-Dollar soll Obamas einwöchige Reise nach Afrika kosten. Unter den 56 Fahrzeugen, die eingeflogen werden, befinden sich Limousinen, eine Ambulanz zur biologischen Kontaminierung und ein Laster mit Röntgengeräten. Eine geplante Safari der First Family wurde abgesagt, da man um ihre Sicherheit fürchtete. Die Leibwächter hätten großes Kaliber gebraucht, um »Geparden, Löwen und andere Tiere zu eliminieren, falls sie zur Gefahr werden«, so das Weiße Haus. Nach einem Besuch in Senegal und Tansania residiert der Präsident zwei Nächte in Johannesburg und eine in Kapstadt. Hier sollen die Handschellen klicken, wenn es nach der Muslim Lawyers Association (MLA) geht.

Die Rechtsorganisation fordert Obamas Festnahme wegen Kriegsverbrechen. »Obama hat Drohnenangriffe angeordnet, die unschuldige Zivilisten getötet haben. Aufgrund des Romstatus darf Südafrika einen Kriegsverbrecher anklagen, wenn genügend Beweise vorhanden sind«, so MLA-Sprecher Yousha Tayob. Einem Bericht der Universität von New York zufolge habe Obama fünfmal mehr Drohnenanschläge angeordnet als sein Vorgänger. In den letzten Jahren seien rund 880 Zivilisten von den Flugobjekten getötet worden. Faisal Suliman vom South African Muslim Network (SAMNET) in Durban meint, die MLA handle aus einem Verlangen nach Gerechtigkeit. »Es gibt keine Bewegung, die sich für die Gerechtigkeit der Drohnenopfer einsetzt und es deutet alles daraufhin, dass die Vereinigten Staaten ihre Standplätze ausbauen, um Drohnen in der ganzen Welt zu betreiben.«

Auch an der Universität von Johannesburg sorgt Obama für Diskussion. Am Campus von Soweto wird ihm nächste Woche eine Ehrendoktorwürde verliehen. Während sich Professoren beschweren, sie seien nicht konsultiert worden, fragen sicht Studenten, wie »jemand, der ungleiche Menschenrechte, basierend auf Überlegenheit, vertritt«, von einer Universität geehrt werden kann. Ein Ehrendoktor setze voraus, dass der Träger zu einem besseren Leben für alle beitrage, aber Obama habe das Gegenteil getan, so die Studentenvertretung.

Kritiker von Obamas Außenpolitik bezeichnen den Besuch des US-Präsidenten als überfällig. Trotz seiner afrikanischen Wurzeln, besuchte Obama in seiner ersten Regierungsperiode erst ein afrikanisches Land, Ghana. Er steht damit im Schatten seiner Vorgänger Bush jr. und Clinton, die Afrika nicht nur mehrmals besuchten, sondern auch Hilfsprogramme gründeten, wie den »Wachstums- und Entwicklungspakt für Afrika«, ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Kontinenten. Angst müsse Obama vor Südafrika nicht haben, schätzt Tom Wheeler vom Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA). »Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Regierung den Ruf, Obama festzunehmen, ernst nimmt.« Vor allem in Johannesburg existiere eine muslimische Gemeinschaft, die Pakistan sehr nah und Obamas Drohnen-Politik kritisch gegenüber stehe. »Vermutlich kommt der Ruf von diesem Viertel der südafrikanischen Muslime.«

Im Auftakt zum Staatsbesuch werden nun auch Dispute auf Obamas Rücken ausgetragen, die laut Wheeler »purer innenpolitischer Aktionismus« sind. Die Regierung von Kapstadt verlieh Barack Obama zu Beginn des Monats die Ehrenbürgerschaft. Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) rief Obama aber dazu auf, den Orden auszuschlagen, da sich Kapstadt unzureichend für die Bevölkerung in den Townships einsetze. Die Stadt mit der umliegenden Provinz Westkap ist die einzige Region, die von der oppositionellen Demokratischen Allianz (DA) regiert wird. Vor den Wahlen 2014 kämpfen die Parteien nun erbittert um die oppositionelle Hochburg. Wheeler: »Obama hat versucht, die Situation zu entschärfen, indem er einen diplomatischen Vertreter den Orden entgegen nehmen ließ.«

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 26. Juni 2013


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