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Patient Afrika

Trotz Teilerfolgen und zahlreicher internationaler Hilfsprogramme bleibt der Kontinent Weltproblemzone Nummer eins bei der Gesundheitsversorgung

Von Susan Anyangu-Amu, IPS *

Die Staats- und Regierungschefs afrikanischer Staaten hatten auf ihrem Gipfeltreffen im Juli in Kampala eine positive Nachricht parat. Sie wollen künftig 15 Prozent ihres Haushaltsbudgets in die Gesundheit ihrer Bürger investieren. Doch was sich nach viel anhört, reicht bei weitem nicht aus, um die drastischen Versorgungslücken zu schließen. In Afrika leben zwölf Prozent der Weltbevölkerung, aber 22 Prozent aller Kranken. Im subsaharischen Teil des Kontinents sind allein zwei Drittel aller Menschen HIV-positiv, und 4,5 Millionen Kinder unter fünf sterben dort jedes Jahr an Durchfallerkrankungen, Unterernährung, Lungenentzündung, Malaria oder an den Folgen einer HIV-Infektion.

Selbst 15 Prozent der öffentlichen Ausgaben seien unzureichend, meint Thomas Kibua von der Afrikanischen Stiftung für Medizin und Forschung (AMREF). »Um die UN-Millenniums­entwicklungsziele (MDG) zur Armutsbekämpfung bis 2015 zu erreichen, müßten die Staaten ihre Ausgaben im Gesundheitswesen auf 45 Prozent ihrer Haushalte aufstocken«, so seine Rechnung.

Dem schließt sich Rotimi Sankore von der Afrikanischen Allianz für öffentliche Gesundheit (APHA) an. »Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Gesundheitsausgaben von mindestens 40 Dollar pro Kopf, und dafür müßten die Regierungen ihre Budgets deutlich anheben«, fordert er.

Selbst das könnte nicht reichen, denn die WHO setzt bei ihrer Empfehlung ausreichende Ernährung, den Zugang zu sauberem Trinkwasser und eine funktionierende Abwasserentsorgung als gegeben voraus. »Um diese Grundvoraussetzungen zu erfüllen, müssen die Regierungen in zusätzliche Bereiche investieren, etwa in menschliche Ressourcen und in die Infrastruktur«, sagt Sankore. Hier tut sich ein tiefer Graben auf. Mehr als die Hälfte der Staaten des Kontinents gibt weniger als 14 Dollar pro Kopf für Gesundheit aus, in vielen Ländern sind es gerade einmal zwischen einem und vier Dollar.

Der Mangel an finanziellen Mitteln schlägt sich nieder in einem Mangel an Fachkräften. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara müssen 70 Prozent der Frauen ihre Kinder ohne medizinische Betreuung zur Welt bringen. Entsprechend hoch ist die Müttersterblichkeit. Hinzu kommt, daß die Hälfte aller Afrikaner keinen Zugang zu essentiellen Medikamenten hat.

Um mehr Menschen mit lebensrettenden Arzneimitteln versorgen zu können, müssen Fabriken gebaut werden. Es gilt, Verteilungszentren und Lager aufzubauen und die Arzneiausgabe zu organisieren. Wissenschaftler und Laboranten müssen ausgebildet, Rechte und Lizenzen erworben und ausgehandelt werden, empfiehlt APHA. Um mit den geringen, zur Verfügung stehenden Mitteln den maximalen Effekt zu erzielen, müsse man ganz unten ansetzen, argumentiert Sankore. Im Moment werde ein Großteil des afrikanischen Gesundheitswesens durch internationale Spenden und Entwicklungshilfe finanziert, erläutert Sankore. Aber ein Dauerzustand dürfe das nicht sein. »Einige Staaten leben zu 50 Prozent oder mehr von Geldern aus dem Ausland, das ist nicht haltbar.«

* Aus: junge Welt, 21. September 2010


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