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"Die Logik des Kolonialismus besteht weiter"

Gespräch mit Adebayo Olukoshi. Über Erfolge und Schwächen der Organisation für Afrikanische Einheit, neokoloniale Strukturen und neue Möglichkeiten panafrikanischer Politik *


Professor Adebayo Olukoshi (Nigeria) ist Politikwissenschaftler und Leiter des in der senegalesischen Hauptstadt Dakar angesiedelten Afrikanischen Instituts für wirtschaftliche Entwicklung und Planung (IDEP) der Vereinten Nationen.


Am 25. Mai wurde die Gründung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) vor 50 Jahren gefeiert. Gab es angesichts von Krisen und Kriegen überhaupt einen Grund zum Feiern?

Die Gründung der OAU war ein Meilenstein in der Geschichte Afrikas nach der Unabhängigkeit. Ich meine, derartige Anlässe sind eine gute Gelegenheit, um einen Schritt zurückzutreten und eine selbstkritischen Blick darauf zu werfen, welchen Weg wir als Kontinent während der vergangenen 50 Jahre gegangen sind. Wir müssen die Ziele, die erreicht wurden, genau so betrachten wie die Rückschläge.

Die OAU sollte eine koordinierte panafrikanische Politik etablieren. Inwiefern konnte das umgesetzt werden?

Die OAU war die Summe ihrer einzelnen Mitglieder. Wie bei jeder anderen internationalen Organisation – seien es die Vereinten Nationen oder die Europäische Union – müssen sich die Mitglieder darauf verständigen, wie stark und effektiv sie ihre Organisation machen wollen, und dann müssen sie ihr die entsprechenden Mittel und das Mandat geben. Das Dilemma der OAU war, daß die unabhängig gewordenen Staaten beinahe eifersüchtig auf ihre Selbständigkeit achteten. Man erringt nicht Unabhängigkeit und Souveränität, um sie gleich wieder an eine andere Organisation abzugeben. Viele Länder kombinierten Nationalismus inklusive postkolonialer Bildung ihrer Nation und den Aufbau des Staates mit ihrer OAU-Mitgliedschaft; sie konsolidierten Nation und Staat und glaubten gleichzeitig an ein panafrikanisches Projekt. Das bedeutete einen gewissen Widerspruch und brachte Spannungen mit sich.

Aber ich denke, die OAU schuf einen politischen Rahmen, in dem die Ener­gien der afrikanischen Länder für die Befreiung des Kontinents zusammengeführt wurden. Die Idee dahinter war – wie es Kwame Nkrumah 1957 bei seiner ersten Rede im unabhängig gewordenen Ghana formulierte –, daß die Freiheit und Unabhängigkeit einzelner Länder nicht vollständig erreicht ist, solange nicht alle afrikanischen Staaten von der Kolonialherrschaft befreit sind. Die meisten schlossen sich diesem Prinzip an, und die OAU wurde zur Plattform für die Mobilisierung ihrer gemeinsamen Ressourcen für die Erlangung der Unabhängigkeit.

In den 1990er Jahren veränderten sich die Voraussetzungen für diese Politik sehr stark.

Die Apartheid in Südafrika endete 1994 – zu einer Zeit als auch der Kalte Krieg gerade zu Ende gegangen war. Er hatte die Entwicklung auf dem Kontinent stark beeinflußt. Man begann nun, darüber nachzudenken, was Panafrikanismus zu einem Zeitpunkt bedeuten konnte, als die Befreiung weitgehend abgeschlossen war.

Wurde auf diese Frage eine Antwort gefunden?

Ich würde sagen, daß die OAU stärker auf einer Mobilität zwischen den afrikanischen Ländern hätte bestehen müssen. Mobilität birgt große Potentiale, sie kann Menschen, die durch Kräfte von außen getrennt worden waren, wieder verbinden. Die OAU war ja unter anderem gegründet worden, um der Teilungspolitik durch die Kolonialmächte seit dem 19. Jahrhundert etwas entgegenzusetzen. Meines Erachtens wäre das kein unlösbares Problem gewesen. Dasselbe gilt für die ökonomische Integration. Zahlreiche regionale Bündnisse für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit wurden geschaffen. Aber letztlich blieb diese Kooperation sehr beschränkt. Selbst dort, wo regionale oder subregionale Zusammenschlüsse entstanden, konnten sie nicht viel erreichen. Es wurde und wird wenig zwischen den afrikanischen Ländern gehandelt. Der Kontinent handelt nach wie vor hauptsächlich mit Europa, wobei wir vor allem Rohstoffe verkaufen und Fertigwaren, aber auch Nahrungsmittel, importieren. Wenn es heute in dieser Hinsicht irgendeine Diversifizierung gibt, dann besteht die darin, daß nun auch China auf der Liste der Exportziele hinzugekommen ist.

Die ökonomischen Strukturen des Kolonialismus blieben also im Wesentlichen erhalten?

Die Logik dieses Verhältnisses blieb in den meisten Ländern fast unverändert bestehen. Das Grundproblem ist, daß aufgrund der kolonialistischen Strukturen kaum Handel zwischen den Ländern möglich ist. Was sollen Länder wie Nigeria, Côte d’Ivoire oder Senegal austauschen, wenn sie alle hauptsächlich Kakao, Kaffee, Erdnüsse und Rohstoffe produzieren? Diese Gegebenheiten zu verändern, war eines der Ziele der regionalen Integrations- und Kooperationsprojekte. Aber es funktionierte nicht einmal auf der Ebene der Verkehrsinfrastruktur. Es ist heute einfacher, von Dakar nach Paris, als von Dakar nach Yaoundé zu fliegen. Das ist nur ein Beispiel für die Fehler, die wir längst lösen hätten können. Ein regionales Integrationsprojekt, das Investoren mehrerer Länder mobilisiert, um eine regionale Fluglinie oder eine Eisenbahnlinie aufzubauen, die nicht einfach nur Rohstoffe vom »Hinterland« zur Küste transportiert, sondern Transport und Handel zwischen den Länder ermöglicht – so etwas wäre sinnvoll, wurde aber nie realisiert.

Gelang es der Nachfolgeorganisation der OAU, der Afrikanischen Union (AU), einige dieser Schwächen zu überwinden?

Ab 1994, nachdem Nelson Mandela als südafrikanischer Präsident vereidigt worden war, begann vielerorts die Debatte darüber, wie Panafrikanismus in der veränderten politischen Situation neu zu definieren sei? Das Ergebnis war die Gründung der AU im Jahr 2002. Eines der Ziele war es, sich von der OAU als einem Klub der Staatschefs hin zu einer Union der Völker und der Bürger weiterzuentwickeln. Das war die Hoffnung. Nun sind schon wieder mehr als zehn Jahre seit Gründung der AU vergangen. Meiner Ansicht nach hat sie es geschafft, in vielen sehr unterschiedlichen Bereichen – sei es Ausbildung, Gesundheit, Ressourcenförderung, Frieden und Sicherheit und vieles mehr – panafrikanische Konzepte und Pläne zu entwerfen. Man ging über die Zielstellungen der OAU hinaus und schuf einen koordinierten und einheitlicheren Ansatz zur Entwicklung und Transformation Afrikas nach dem Ende der Apartheid.

Wie kann er vertieft werden?

Es ist eine Sache, Standards und Protokolle für die Grundlinien der Politik der Mitgliederstaaten zu schaffen. Eine andere Sache ist es, diese durchzusetzen, denn die AU hat genauso wenig wie die OAU zuvor Befugnisse, in die Politik der einzelnen Staaten einzugreifen. Wenn man also beispielsweise bestimmter Standards im Bergbau- und Minenbereich entwickelt, wo festgelegt wird, wie die Länder mit ihren Ressourcen umgehen sollen, dann unterschreiben die Mitgliederstaaten zwar das Protokoll, machen anschließend aber möglicherweise eine völlig andere Politik. Die AU hat keinerlei Möglichkeiten, die Vereinbarungen auch durchzusetzen. Dabei wird auch der Konflikt zwischen der AU und regionalen Integrationsgruppen deutlich, die immer wieder in Widerspruch zur Union agieren.

Wie äußern sich diese Widersprüche?

In den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit entstanden zahlreiche regionale Bündnisse, die zum großen Teil schwach und ineffizient waren. Eine der Errungenschaften der AU war es, deren Zahl zu reduzieren. Derzeit gibt es neun anerkannte regionale Integrationsprojekte. Sie fördern die ökonomische Kooperation und sollen auf längere Sicht in eine gesamtafrikanischen ökonomischen Union münden. Wichtige Schritte hierfür wurden aber bislang nicht durchgeführt. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) etwa agiert, als existierten die AU und auch die Ostafrikanische Union (EAC) nicht – es gibt in beide Richtungen keine Koordination. Hinzu kommt die starke Abhängigkeit dieser regionalen Bündnisse von Finanzierung durch Spenden. Das betrifft auch die AU: Sie bekommt Gelder von ihren Mitgliederstaaten, aber bei allen größeren Projekten ist die Union von Spendern abhängig, von denen der größte die EU ist. Das führt dazu, daß sie, die sowohl mit regionalen Bündnissen, als auch mit der AU kooperiert, einen besseren Überblick hat als die afrikanische Seite. Das zementiert Abhängigkeiten und sorgt für Konkurrenz statt für Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen Regionen.

Ist dies auf falsche politische Entscheidungen zurückzuführen oder handelt es sich um ein strukturelles Problem?

Ein großer Teil der in vielerlei Hinsicht unglücklichen Situation auf dem Kontinent hat mit den internen politischen Verhältnissen zu tun. Die meisten Länder könnten von einer besseren Führung, von mehr Weitblick und einer effektiveren Politik profitieren. Neben den hausgemachten Problemen und verbunden mit diesen gibt es aber die externen. Ich denke, die Herrschaft Europas ist nach wie vor sehr bestimmend. Der überwiegende Teil der europäischen Politik, die als Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet wird, ist mit geostrategischen Interessen verknüpft. Die sind ausschlaggebend für die Wahl von Partnerschaften, für die Darstellung einer Regierung als gut oder böse und für Investitionen der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit.

Wie kann dies aufgebrochen werden?

Das ist schwierig. Anhänger der realistischen Schule in der internationalen Politik sagen, das seien die harten Fakten des Lebens: Nationen interagieren mit anderen ausschließlich für die Verfolgung eigener Interessen. Aber in einer Situa­tion, in der asymmetrische Machtverhältnisse herrschen, wie zwischen Europa und Afrika, entwickeln sich daraus ganz einfach neokoloniale Beziehungen. Afrika muß sich davon befreien. Und meiner Meinung nach stehen wir derzeit an einem Punkt in der Geschichte des Kontinents, wo dies möglich ist.

Weshalb?

Erstens: Was Afrika heute an finanziellen Mitteln aus seiner Diaspora in der ganzen Welt bekommt, ist mehr als alle Entwicklungshilfegelder zusammen – und das war schon vor der aktuellen Weltwirtschaftskrise so. In ihrem Verlauf ist das noch deutlicher geworden. 2012 sandten Nigerianer, die in der Welt verstreut leben, allein über Western Union eine Milliarde US-Dollar in ihre Heimat. Dieses Geld wird von den meisten verwendet, um kleine Projekte zu starten, kleine Investitionen zu tätigen, Geschäfte zu machen. Dies wirkt in der Regel nachhaltiger als dies bei Mitteln aus der Entwicklungszusammenarbeit der Fall ist.

Zweitens: China ist ein Symbol für die Verlagerung der globalen ökonomischen Macht von West nach Ost, aber auch für die Möglichkeit, Afrikas Partnerschaften zu diversifizieren und Kontrolle über die eigenen politischen Entwicklungen zu erlangen. Die hat über einen langen Zeitraum die Weltbank mittels Struktur­anpassungsprogrammen bestimmt. Alle großen afrikanischen Länder, die immer noch Anweisungen aus Washington befolgen, tun dies meiner Meinung nach nur, weil sie das wollen. Sie haben keinen Grund mehr dafür. Was die Weltbank an Mitteln anbietet, ist verschwindend gering im Vergleich zu dem, was ein Land von China bekommen kann. Es gibt also eine Alternative und die Möglichkeit, neue Weichenstellungen vorzunehmen. Dies ist der positive Aspekt der Diversifizierung und der veränderten geopolitischen und ökonomischen Landschaft im Weltmaßstab. China, Indien, Rußland und Brasilien stehen symbolisch für diese Neuzusammensetzung globaler ökonomischer Macht und Dominanz. Wenn die afrikanischen Länder und ihre politischen Führer klug handeln, können sie diese Situation ausnutzen und für ihre Länder sehr viel Positives erreichen.

Ein drittes Element ist, daß zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit eine bedeutende Anzahl an afrikanischen Ländern Erträge im Inland generiert, die das übertreffen, was sie jemals an Entwicklungshilfegeldern bekommen können. Kenia etwa tritt gegenüber der EU und anderen heute weitaus selbstbewußter auf als noch vor einigen Jahren, weil der Großteil des Haushalts durch Steuern und Abgaben im Land selbst erwirtschaftet wird. Andere Länder sind in einer ähnlichen Situation und überlegen, vollständig aus der Entwicklungszusammenarbeit auszusteigen. Natürlich steht hinter dieser Entwicklung der Rohstoffboom, der vor allem von China befeuert wird. Wenn dieser Boom in Wachstum transformiert wird, kann er afrikanische Länder in eine Lage versetzen Dinge zu tun, die sie vorher nie tun konnten. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß diese Länder eine gute Führung haben, die auch Arbeitslosigkeit, Armut oder die gerechte Verteilung von Einkommen berücksichtigen. Denn bei allen positiven Entwicklungen sehen wir derzeit in vielen Ländern auch eine Ungleichheit in bisher nicht gekannten Ausmaßen.

Immer öfter werden in letzter Zeit auch Stimmen laut, die vor einer allzu engen Anbindung an China warnen.

Ich kann das Argument nicht nachvollziehen, daß die Partnerschaft mit China per se schlecht sein soll. Meiner Meinung nach liegt die Verantwortung, aus der neuen Situation positive Ergebnisse für den Kontinent herauszuholen, bei den afrikanischen Ländern. Das ist nicht die Aufgabe Chinas. China kommt nicht, um Afrika zu retten. China kommt dorthin, um chinesische Interessen zu verfolgen. Es liegt an uns, diese Bedürfnisse so zu nutzen, daß wir nicht dieselben Fehler wiederholen wie mit Europa und z. B. nur Rohstoffe verkaufen. Allerdings fürchte ich, daß viele afrikanische Regierungen noch keine Strategien für die neue Situation entwickelt haben. Genau das ist aber notwendig, da wir – im Guten wie im Schlechten – über die nächsten fünfzig Jahre wohl mit China zu tun haben werden.

Trotz vieler positiven Entwicklungen taucht Afrika in den westlichen Medien nach wie vor fast ausschließlich als Krisenkontinent auf. Daß westliche Institutionen wie die Weltbank heutige Krisen jahrzehntelang vorbereitet haben, wird dabei allerdings häufig verschwiegen.

In ganz Afrika hat der Neoliberalismus mit seinen Strukturanpassungsprogrammen zu massiven Fehlentwicklungen geführt. Diese führten zu einer Unterminierung der produktiven Kapazitäten der Ökonomien – selbst in der Landwirtschaft. Ein Ergebnis davon ist, daß wir es heute mit einem historisch hohen Stand an Arbeitslosigkeit zu tun haben, vor allem bei der Jugend. Daraus resultiert wiederum der Ausbau des informellen Wirtschaftssektors und ein Prozeß massiver, ungeplanter Urbanisierung. Slums werden zum Ziel eines großen Teils der Bevölkerung, die in die Städte zieht, während gleichzeitig die ländlichen Ökonomien kollabieren. Hinzu kommen in vielen Regionen eine hohe Inflation und damit steigende Lebenskosten. Im Grunde genommen sitzen wir auf einer Zeitbombe, zu der auch die demographische Entwicklung mit immer jüngeren Gesellschaften beiträgt. Jugendliche in Ländern wie Senegal, Mali, Nigeria, Südafrika oder Angola haben kaum eine Perspektive. Das führt zu Kriminalität in kleinem und großen Maßstab, aber auch zu Drogenproblemen. Afrika war immer nur Transitland für Drogenhandel, jetzt steigen der Konsum, aber auch die Produktion etwa von synthetischen Drogen stark an. Was wir in Mali gesehen haben, ist nur die jüngste Erscheinung dessen, was einige Kommentatoren bereits als Kern anderer Konflikte analysiert haben. Es geht nicht um religiösen Fundamentalismus oder um Anarchie oder was auch immer. Wir sehen verzweifelte Versuche einer Generation, sich gegen die Fehler der vorherigen Generation zu wehren. Nur fehlt den Jüngeren die politische Erziehung und das Bewußtsein, um diese Rolle auf eine konstruktive Weise auszuüben. Statt dessen gibt es etwa völlig sinnlose Gewalttaten gegen die einfache Bevölkerung in all diesen Auseinandersetzungen.

Wie ist vor diesem Hintergrund die Situation in Mali zu sehen?

In Mali waren wir mit einem ganzen Paket an Lügen konfrontiert. Der Welt wurde ein Musterbeispiel für eine funktionierende Demokratie präsentiert, doch diese Demokratie war nicht in der Lage, der Mehrheit der Menschen ein ausreichendes Einkommen zu garantieren. Die einzigen, die tatsächlich gut leben konnten, waren die Politiker. Politik wurde zum einzigen funktionierenden Geschäftszweig. Der Name dieses Geschäfts war Demokratie, aber nicht weil es eine substantielle Bürgerbeteiligung gab, sondern weil ein Wahlritual existierte. Dieses fand alle vier Jahre statt, aber die Plünderung der Ökonomie, Korruption und Vetternwirtschaft gingen unabhängig vom jeweiligen Ergebnis immer weiter.

Hinzu kamen dann die externen Faktoren.

Das ganze spielte sich natürlich innerhalb eines geopolitischen Kontexts ab. Die Ereignisse waren nur nach dem Libyen-Krieg möglich, als gut bewaffnete Tuareg in Mali einsickerten, der Aufstand begann und die malische Armee einfach davonlief – nicht zuletzt deshalb, weil ihnen das Regime in Bamako nicht verteidigungswert erschien. Es handelt sich also um eine Kombination aus der Unzufriedenheit mit dieser sogenannten Demokratie, den Folgewirkungen der neoliberalen Strukturanpassung und der geopolitischen Situation.

In Mali wurde auch deutlich, daß das unkoordinierte Vorgehen afrikanischer Institutionen externen Akteuren die Durchsetzung ihrer Interessen erleichtert. Was müßte hier geschehen?

Ein ganz einfacher Schritt wäre, die bestehenden Kommunikationslücken zu schließen. Es ist nach wie vor nicht die erste Reaktion der ECOWAS, sich in einer Krisensituation mit der Abteilung für Frieden und Sicherheit bei der AU in Verbindung zu setzen. Und umgekehrt kontaktiert auch die zuständige Abteilung bei der AU nicht sofort die jeweiligen regionalen Verantwortlichen. Die ECOWAS hört eher auf die Vereinten Nationen. Genau dasselbe macht die AU, dann kommt die EU ins Spiel und somit Frankreich mit seinen starken neokolonialen Interessen in Zentral- und Westafrika. Paris setzt sich beispielsweise mit der Krise in Mali auseinander, weshalb die EU Frankreich als führendes Land in der Frage bestimmt und französische Außenpolitik als EU-Politik umgesetzt wird. Ein erster Schritt, dem entgegenzuwirken, wäre eine permanente Kommunikation zwischen den regionalen Bündnissen und den Verantwortlichen bei der AU. Darüber hinaus müssen Entscheidungen schneller gefällt werden, damit die Afrikaner bei der Reaktion auf Konflikte und Krisen eine führende Rolle einnehmen können.

Interview: Simon Loidl

* Aus: junge welt, Samstag, 6. Juli 2013


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