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Das französische Afrika

Koloniale Vergangenheit - unrühmliche Gegenwart

In der deutschen Ausgabe von Le Monde diplomatique vom März 2001 erschien eine Reihe von Artikeln, die sich mit Afrika befassten. Darunter auch der folgende kurze Beitrag, der sich mit dem Einfluss Frankreichs in den traditionellen französischen Gebieten Afrikas beschäftigt.

Françafrique

"Largent appelle largent" (etwa: "Geld und Geld gesellt sich gern"): Der Schunkelrefrain eines kongolesischen Schlagers erfreute sich bei den frankophonen Medien Afrikas in den letzten Wochen großer Beliebtheit, konnten sie damit doch wunderbar über die vielen Eskapaden der ehemaligen Mineralölgesellschaft Elf herziehen: die - möglicherweise kriminellen - Verwicklungen Jean-Christoph "Papamadi" Mitterrands in illegale Waffengeschäfte, außerdem Geldwäscherei, schwarze Kassen, fiktive Arbeitsverhältnisse. Reichlich Stoff, um den ewigen Levitenlesern des Westens das Maul zu stopfen - vor allem den Franzosen, die sich so gerne zu Predigern republikanischer Moral aufwerfen.

"Kungelei!": Elf entschwindet zu Beginn der Prozesse wie durch Zauberei unter dem Mantel von Total. "Beraubung!": Durch gewaltige Schiebereien bereicherte sich Frankreich mit Geld, das aus dem Boden des Kontinents "gefördert" wurde. "Heuchelei!": Sattsam bekannte Praktiken. "Reparationen!": Zur Entschädigung für die leoninischen Verträge, die mehreren afrikanischen Staaten aufgezwungen wurden; für die Präsidenten, die ein- bzw. abgesetzt wurden; für die Waffen, die im Auftrag anderer töten. Lediglich einige kühne Leitartikler behaupteten, in Paris wage man jetzt endlich - wohl aus Unschuld, aus Masochismus oder aus einer alten pluralistischen Tradition -, die üblen Machenschaften einiger Teile der herrschenden Klasse - egal welcher politischen Couleur - anzuprangern. Sogar der gabunische Präsident Omar Bongo, dessen Erdölemirat immerhin einer der Hauptprotagonisten des frankoafrikanischen "Dorfs" alter Schule gewesen war, meldete sich zu Wort: "In den Korruptionsaffären hatte Frankreich nie eine wirklich weiße Weste."(1)

Auch wenn sich dieses Eingeständnis auf eine Epoche bezieht, die viele für vergangen halten (oder gerne für vergangen gehalten haben), konnte es dem offiziellen Frankreich, dessen Image auf dem afrikanischen Kontinent in den letzten Jahren bleibenden Schaden genommen hat, kaum weniger gelegen kommen. Das traditionelle Hochamt des frankoafrikanischen Gipfels - zuletzt zelebriert am 18. und 19. Januar im kamerunischen Yaoundé - fand "vor der Kulisse von Waffenverkäufen und Korruption"(2) statt, während das katholische Episkopat den "Imageverlust" des "Geburtslands der Menschenrechte" registrierte und Jacques Chirac in einem Schreiben vorwarf, er mache sich "zumindest durch sein Schweigen zum Komplizen regierender Politiker, die Wahlbetrug begehen, Ressourcen zugunsten bestimmter Gruppen oder Regionen beschlagnahmen und Oppositionelle oder Journalisten einsperren und manchmal sogar liquidieren". Die präsidialen "Dinosaurier" von Kamerun, Gabun, Togo, Burkina Faso, Äquatorialguinea, Madagaskar, Sudan usw. saßen auf der Tribüne.

IM frankophonen Einflussbereich des Kontinents - so weit noch vorhanden - hatten die Entgleisungen Abidjans erdbebenartige Auswirkungen: Das Unvorstellbare war Wirklichkeit geworden. Den kleinen Rechenspielchen der französischen Kohabitanten zum Trotz hatte die Elfenbeinküste das ganze Jahr 2000 über "auf einem Vulkan getanzt"; währenddessen betrieb Paris eine konjunkturell bedingte Schaukelpolitik: Präsident Chirac unterstützte seinen Freund Konan Bédié bis zum bitteren Ende, zugleich erkannte die Regierung Jospin als eine der ersten den ivorischen Präsidentengeneral Robert Gueď an, musste dann aber mit Bedauern feststellen, dass dieser sich zum Diktatorgeneral mauserte, so dass die Sozialistische Partei nur noch auf Laurent Gbagbo schwört.

Vorläufiger Höhepunkt: Nachdem der frisch gewählte "Freund" Laurent Gbagbo verlauten ließ, er werde sich wohl "woanders umsehen" müssen, falls Paris ihm auch weiterhin finanzielle Unterstützung versage, forderte sein Verteidigungsminister eine "Aktualisierung" der zwischen Paris und Abidjan geschlossenen Verteidigungsabkommen, denn die Präsenz einer französischen Militärbasis, so der Politiker, "tut der Souveränität [der Elfenbeinküste] Abbruch".

Doch die "Realpolitik" meldete sich sofort zurück: "Angesichts der Bedeutung der Elfenbeinküste muss man alles vermeiden, was sie destabilisieren könnte", erklärte Jacques Chirac auf dem Gipfel von Yaoundé. Die Kooperation wurde wieder aufgenommen. Mittlerweile ist die Europäische Union dem Beispiel gefolgt.

Ph. L.

Fußnoten:
  1. Interview in Paris-Match, 18. Januar 2001.
  2. Schlagzeile in Le Monde vom 19. Januar 2001.
Aus: Le Monde diplomatique Nr. 6398 vom 16.3.2001 (Beilage zur taz)

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