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Afrika wird ungeduldig

Vor dem Gipfel mit der EU zeigen die Länder des schwarzen Kontinents wenig Bereitschaft, sich dem europäischen Druck zu beugen

Von Wolfgang Pomrehn *

Am heutigen Montag kommen die Staats- und Regierungschefs der EU sowie der Afrikanischen Union im libyschen Tripolis zu einem zweitägigen Gipfel zusammen, der alles andere als langweilig zu werden verspricht. Gut möglich, daß die Veranstaltung in einem Eklat endet. Dafür könnte nicht nur die Gästeliste sorgen, auf der auch der mit internationalem Haftbefehl gesuchte sudanesische Präsident Omar Al-Bashir und sein bei europäischen Regierungen nicht minder verhaßter Amtskollege Robert Mugabe aus Simbabwe stehen. Auch die inoffizielle Tagesordnung des Treffens enthält reichlich Sprengstoff.

Die afrikanischen Handelsminister haben nämlich Anfang November mit einer gemeinsamen Erklärung ihre Regierungen und die Afrikanische Union aufgefordert, in Tripolis die sogenannten EPA-Verhandlungen anzusprechen. Seit 2002 führt die EU im Auftrag ihrer Mitgliedsstaaten mit verschiedenen Staatengruppen der Karibik, der Pazifik-Region und vor allem Afrikas Gespräche über sogenannte Ökonomische Partnerschaftsabkommen, EPA nach ihrer englischen Bezeichnung abgekürzt. Doch die Gespräche stocken, weil die sogenannten Entwicklungsländer mehr Unterstützung für die eigene Industrialisierung erwarten, während es den Europäern vor allem um Absatzmärkte, den Abbau von Zollbarrieren und um freien Zugang für ihre Unternehmen geht. Dennoch zeigt die EU bisher wenig Neigung, das Thema auf dem gemeinsamen Gipfel zu besprechen. Offensichtlich zieht sie es vor, mit kleineren Gruppen zu verhandeln. Entsprechend äußerten sich die afrikanischen Minister besorgt über den Druck, der seitens Brüssels auf einzelne Länder ausgeübt werde.

Nun sieht es so aus, als könnte den afrikanischen Regierungen langsam die Geduld ausgehen. Die aus Brüssel berichtende Internetplattform EUobserver schreibt über verschiedene Strategiepapiere afrikanischer Regierungen, die einen scharfen Ton gegenüber der EU anschlagen. Unter anderem gebe es eine starke Opposition gegen die Forderung der EU, die Zölle auf 80 Prozent der europäischen Waren abzuschaffen. Die afrikanischen Handelsminister hatten hingegen den Ausbau der eigenen industriellen und landwirtschaftlichen Produktion und die Armutsbekämpfung als die wesentlichen Ziele benannt, denen die EPA dienen müßten. »Aus entwicklungspolitischer Sicht ist dies vernünftig«, meint der Handelsexperte des Evangelischen Entwicklungsdienstes Michael Frein. »Gegen die wesentlich wettbewerbsfähigere Konkurrenz aus Europa haben afrikanische Unternehmen keine Chance. Weder jetzt noch in naher Zukunft.« Wirtschaftliche Entwicklung in Afrika sei ohne ausreichenden Schutz der dortigen Märkte nicht zu erreichen.

Auch der Stärkung des innerafrikanischen Handels müßten die EPA dienen, so die afrikanischen Handelsminister. Dieser fristet noch immer ein Schattendasein. Wie in kolonialen und postkolonialen Zeiten wickeln die Staaten ihren Außenhandel überwiegend mit Ländern außerhalb des eigenen Kontinents ab. Immerhin sind in den vergangenen Jahren mit Indien, China und einigen lateinamerikanischen Staaten, namentlich Brasilien, inzwischen neue strategische Partner hinzugekommen, so daß der Kontinent nicht mehr ganz so bedingungslos den westeuropäischen und nordamerikanischen Handelsmächten ausgeliefert ist. Allerdings hinkt die innerafrikanische Integration der Entwicklung in anderen Regionen wie etwa Südostasien oder Südamerika deutlich hinterher. Trotz verschiedener Handels- und Zollabkommen bleiben nach Angaben der Weltbank nur zehn Prozent des afrikanischen Außenhandels auf dem Kontinent.

Von vielen beteiligten Regierungen wird das inzwischen als Problem wahrgenommen. Auf einem Treffen der Zentralbankgouverneure des Gemeinsamen Marktes für das Östliche und Südliche Afrika COMESA, dem von Ägypten bis Sambia 19 Länder angehören, sprach dessen Generalsekretär Sindiso Ngwenya Anfang November deutliche Worte: »Als Lehre aus der globalen Finanzkrise müssen wir dringend über eine Verschiebung unserer Entwicklungsstrategie nachdenken: weg von der Betonung des Exports in den globalen Markt und hin zur Stärkung der Nachfrage im Inland und in der Region.« Es gehe darum, die Chancen des Weltmarktes für die Region zu nutzen, aber diese zugleich besser gegen dessen Krisen und gegen Marginalisierung zu schützen, zitiert ihn die in Südafrika erscheinende Wirtschaftszeitung The Financial Gazette.

* Aus: junge Welt, 29. November 2010


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