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Gaddafi lädt zum Gipfel

Drittes Treffen der Staats- und Regierungschefs aus Afrika und der EU in Tripolis

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

In der libyschen Hauptstadt Tripolis kommen am 29. und 30. November rund 80 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der Afrikanischen Union zum 3. Afrika-EU-Gipfel zusammen.

Einst galt er als Schurke. Inzwischen ist er ein geschätzter Partner der EU in Sachen Flüchtlingspolitik und Wirtschaftskooperation: Muammar al-Gaddafi. Die Wertschätzung geht so weit, dass der Libyer den dritten EU-Afrika-Gipfel in Tripolis ausrichten darf.

Seit dem ersten EU-Afrika-Gipfel 2007 in Lissabon steht das Thema strategische Partnerschaft hoch im Kurs. Der dritte Gipfel findet unter der Überschrift »Investitionen, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzbeschaffung« statt. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und dem südlichen Nachbarkontinent werden die Gipfel-Agenda wohl bestimmen, aber auch über andere Themen wie Frieden und Sicherheit, Klimawandel, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sowie Migration wird man sich während der zwei Gipfeltage austauschen.

Aus afrikanischer Sicht macht die wirtschaftliche Verfassung Europas Kummer. Die EU ist für Afrika mit Abstand der größte Handelspartner. 37 Prozent der Exporte Afrikas gingen 2009 in die EU (USA 16,5 Prozent, China 10,6 Prozent). Mit Sorge blickt man deshalb auf die Krisen der Staatsfinanzen in Griechenland, Irland und Portugal und die damit zusammenhängende Eurokrise.

Europas gegenwärtige Schwäche lässt Afrikas Führer noch stärker auf gute wirtschaftliche Beziehungen mit Peking setzen, dessen zukünftiger starker Mann, Xi Jinping, der 2012 wohl Hu Jintao als Chef der Kommunistischen Partei ablösen wird, gerade durch den »schwarzen Kontinent« tourte und dabei neue Megaprojekte vereinbarte.

Am Rande des Gipfels soll das festgefahrene Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit den Ländern des Südlichen Afrikas neu belebt und so der Handel weiter liberalisiert werden. Bis Ende des Jahres sollte der Vertrag unter Dach und Fach sein. Die kleineren Länder der Region Botswana, Lesotho, Mosambik und Swasiland wollen dem Vertrag seit geraumer Zeit zustimmen und haben bereits ein Interimsabkommen mit der Union abgeschlossen. Die Regierungen in Lesotho, Mosambik und Swasiland stehen aber auch unter besonderem Druck, da ihre Staatshaushalte zu großen Teilen durch die EU-Geberländer finanziert werden.

Neben Angola verweigerte sich vor allem Namibia einem Abkommen und erhielt dabei von seinem großen Nachbarn Unterstützung. Südafrika will dem EPA erst dann zustimmen, wenn alle Länder der Region mit den Regelungen einverstanden sind. Bisher wird der Handel zwischen Südafrika und der EU über das 2000 geschlossene Freihandelsabkommen geregelt.

Windhuk befürchtet, dass wegen des von der EU geforderten Zollabbaus Arbeitsplätze im eigenen Lande verloren gehen könnten. Namibias Arbeitslosenrate liegt bei offiziell 51,2 Prozent. Inzwischen ist Windhuk besänftigt. Malan Lindeque vom Handels- und Industrieministerium gab Mitte Oktober bekannt, dass den Forderungen Namibias Rechnung getragen wurde und dass man nun bereit sei, die letzten Schritte zu gehen.

Besondere Aufmerksamkeit werden die Gipfelteilnehmer auch den Fragen von Frieden und Sicherheit schenken. Vor allem das im Januar anstehende Referendum in Sudan, das wahrscheinlich zur Unabhängigkeit des Südens führen wird, wirft seine Schatten voraus. Beobachter befürchten den Ausbruch von Kämpfen. Europäische wie Afrikanische Union (AU) sind im Rahmen von UN-Missionen mit Militär im Land präsent.

Neben den anhaltenden Angriffen von Piraten auf Schiffe vor dem Horn von Afrika bis weit in den Indischen Ozean hinein – so dass auch das Ferienparadies der Seychellen betroffen ist – wird auch die wachsende Terrorgefahr in der Sahelzone Gipfelthema sein. Nach der Entführung von fünf Franzosen und zwei weiteren Ausländern in Niger im September dieses Jahres durch den nordafrikanischen Arm von Al Qaida haben die Sorgen der Afrikaner und Europäer um die Stabilität in der Sahelregion weiter zugenommen. Die USA haben ihren Antiterrorkampf in Afrika deutlich ausgeweitet, und die EU wird sich nicht zuletzt auf Betreiben Frankreichs in Zukunft stärker im Kampf gegen den Terror engagieren.

Die Afrikaner, die immer wieder selbst Opfer blutiger Anschläge werden, wie zuletzt im Juli 2010 in Ugandas Hauptstadt Kampala, fürchten negative Auswirkungen des Terrors auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die Tourismusindustrie leidet da und dort bereits. In Malis Tourismushochburg Timbuktu ist die Zahl der Besucher durch die Angriffe auf Ausländer deutlich zurückgegangen. Im ölreichen Libyen spielt Tourismus hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

* Aus: Neues Deutschland, 26. November 2010


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