Westafrikas Bauern sind Freihandel nicht gewachsen
Geplante Abkommen mit der EU drohen lokale Märkte zu zerstören
Von Brahima Ouedraogo, Ouagadougou *
Die EU will noch in diesem Jahr Freihandelsabkommen mit sechs Regionen in Afrika, Karibik und
Pazifik (AKP-Staaten) abschließen. Doch in Westafrika herrscht Skepsis.
Der Fahrplan für die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten
steht. Alle beteiligten Gebiete hätten grundsätzliche Zustimmung gegeben, sagte ein Sprecher von
EU-Handelskommissar Peter Mandelson am Rande eines Treffens mit den zuständigen AKPMinistern
Ende letzter Woche in Brüssel. Die Zeit dränge, da das bisherige Abkommen zwischen der
EU und den AKP-Ländern über Handelspräferenzen Anfang 2008 auslaufe.
Diese Meinung stößt auf Widerspruch. Für die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens (EPA)
zwischen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) sowie Mauretanien und der
Europäischen Union (EU) ist es noch zu früh. Zu diesem Ergebnis sind Experten der Region
gekommen, als sie in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, den Stand der
Verhandlungen analysierten. Wegen der für die Landwirtschaft einzelner Länder bestehenden
Risiken fordern sie einen Aufschub des geplanten Abkommens um mindestens drei Jahre.
»Zunächst muss gewährleistet sein, dass die Instrumente der regionalen Außenhandelspolitik die
Risiken und Kompromisse der 16 betroffenen Länder berücksichtigen«, heißt es in der
Abschlusserklärung der Expertenkommission. Vor allem die Landwirtschaft als der weitaus
bedeutendste Wirtschaftssektor, der für 60 Prozent des Außenhandels sorge, müsse besser
gerüstet sein, um im Wettbewerb bestehen zu können. Für besonders sensible Produkte müssten
Ausnahmeregeln gelten. In der Region leben 66 Prozent der Bevölkerung von Ackerbau, Wald- und
Weidewirtschaft.
Gilles Hounkpatin, der in der ECOWAS-Kommission für Zölle und Handelsfragen zuständig ist,
betonte: »Wir müssen dafür sorgen, dass das EPA nicht ein einfaches Handelsabkommen wird,
sondern dass es uns erlaubt, unsere eigene Entwicklung voranzubringen. Deshalb müssen unsere
Unternehmen und unsere nationalen Wirtschaften auf ein vergleichbares Niveau gebracht werden,
wie es die Agenda vorsieht.
»Wir haben nichts gegen Verhandlungen mit der EU, doch wir mussten feststellen, dass uns der
Welthandel nichts bringt«, erklärte Mamadou Cissoko, Ehrenpräsident des westafrikanischen
Netzwerks von Bauernverbänden und Agrarproduzenten (ROPPA). Er wies darauf hin, dass es in
Europa bereits einen regionalen Markt und eine Agrarpolitik gebe, während sich Westafrikas
Landwirtschaftspolitik mit ihren Investitionsprogrammen noch im Vorbereitungsstadium befinde.
Auch der in der ECOWAS für Landwirtschaft und Entwicklung zuständige Direktor Daniel Eklou
betonte: »Im Agrarbereich haben die Länder der Region noch längst keinen vergleichbaren
Entwicklungsstand erreicht. Hier leben 70 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung auf dem
Land.« ECOWAS will verhindern, dass konkurrenzlos billige EU-Importe die Region
überschwemmen und einheimische Bauern davon abbringen, selbst etwas zu produzieren. Im
vergangenen Jahr durchgeführte Untersuchungen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft
hatten ergeben, dass die Region im Wettbewerb mit der EU nicht bestehen kann. So würde sich
etwa der Anbau von Bohnen und Kartoffeln nicht mehr lohnen, klassische Agrarprodukte wie Öl und
Reis seien bedroht, und der Importweizen werde die einheimischen Getreidesorten vom Markt
verdrängen. Eklou erklärte: »Es muss gewährleistet sein, dass unsere Bauern auf dem Land bleiben
und für sich selbst sorgen können. Wohin sollten sie auch gehen?«
Zudem werde das geplante Freihandelsabkommen die westafrikanischen Länder um wesentliche
Staatseinnahmen bringen, wenn in Zukunft europäische Waren zollfrei importiert werden können,
warnte Vincent Fautrel vom Technischen Zentrum für landwirtschaftliche und ländliche Kooperation,
ein paritätisch von den AKP-Ländern und der EU besetztes Gremium. Besonders benachteiligte
Länder wie Gambia und Kapverden könnten dadurch bis zu 20 Prozent ihrer gesamten
Steuereinnahmen verlieren, in Ghana und Senegal werde der Verlust zehn bis elf Prozent,
ausmachen, warnt der Experte. »Zunächst einmal sollte festgestellt werden, welche Produkte für
den Staatshaushalt besonders wichtig sind. Für sie sollte eine Liberalisierungsagenda aufgestellt
werden, die dann schrittweise in zehn bis etwa 18 Jahren umgesetzt wird. Die Staatschefs der
ECOWAS-Länder hatten sich im Februar 2005 auf die Einführung einer regionalen Agrarunion
verständigt. Die gemeinsame Agrarpolitik soll die Eigenversorgung der ländlichen Bevölkerung
sowie die Grundversorgung der städtischen Bevölkerung sichern und in Westafrika die Abhängigkeit
von Agrarimporten zugunsten einheimischer landwirtschaftlicher Produkte abbauen, Freihandel mit
der EU droht dieses Vorhaben zur Makulatur zu machen.
IPS
* Aus: Neues Deutschland, 6. März 2007
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