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Hungersnot am Horn von Afrika

Dürre bedroht über zehn Millionen Menschen in der Region / Lebensmittelpreise explodieren *

Fehlender Regen hat eine Riesenregion Afrikas in die Krise getrieben: Die Ernte vieler Bauern ist ruiniert. Die Lebensmittelpreise explodieren. Millionen Menschen sind bedroht.

Über zehn Millionen Menschen am Horn von Afrika sind durch die schwerste Dürre seit 60 Jahren vom Hunger bedroht. Darauf weist das Koordinationsbüro für humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen (OCHA) am Dienstag (28. Juni) in Genf hin.

OCHA-Sprecherin Elisabeth Byrs sagte, in einigen Gegenden könne man bereits von Hungersnot sprechen. Es würden dringend Spenden gebraucht, so Byrs. Betroffen seien vor allem Dschibuti, Äthiopien, Kenia, Somalia und Uganda, wobei bis 2012 kaum mit einer Verbesserung der Lage zu rechnen sei. Rund ein Drittel der Hungernden seien Kinder.

Die Lebensmittelpreise sind seit Ende 2010 dramatisch gestiegen, worunter insbesondere die ohnehin schon armen Familien litten und in die Not getrieben würden, erklärte Byrs. In einigen Gegenden Kenias liege der Getreidepreis um 30 bis 80 Prozent höher als im Fünfjahresdurchschnitt.

In Äthiopien sei der Verbraucherpreisindex für Lebensmittel seit Mai im Vergleich zum Vorjahr um fast 41 Prozent geklettert. Insgesamt seien in Äthiopien und Kenia jeweils 3,2 Millionen sowie in Somalia 2,6 Millionen und in Dschibuti 117 000 Menschen vom Hunger bedroht.

Hinzu komme eine unbekannte Zahl von Flüchtlingen. Die Dürre treibe die Menschen aus ihrer Heimat, stellt OCHA weiter fest. So seien in diesem Jahr monatlich im Durchschnitt etwa 15 000 Somalier nach Kenia und Äthiopien geflüchtet. Damit komme nun zu den Gewaltausbrüchen in der Region noch das Hungerproblem, erläuterte Byrs.

Viele Flüchtlingslager seien überfüllt, was wiederum zu Spannungen führe. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF hatte berichtet, die anhaltende Dürre am Horn von Afrika treffe vor allem Kleinkinder schwer. In der Region seien 1,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren auf zusätzliche Versorgung angewiesen, hieß es.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Juni 2011

Die Dürre-Karte

Das Horn von Afrika hat im vergangenen Jahr zwei aufeinander folgende regenarme Perioden erlebt. Ergebnis war in manchen ländlichen Regionen das trockenste Jahr seit 1950/51. Die Dürre hat die lokalen hohen Getreidepreise weiter nach oben getrieben, zu einer zusätzlichen Sterblichkeit geführt und in einigen Regionen Konflikte um den beschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe verschärft.

Hier geht es zu einer Karte mit Detailangaben zur Dürre in Ostafrika: [Karte Ostafrika, pdf-Datei]

Quelle: www.unocha.org/

Dürreperiode

Millionen Menschen in Afrika in Not. Westen sieht keinen Grund für humanitäre Intervention

Von Knut Mellenthin **


Mehr als zehn Millionen Bewohner Ostafrikas sind derzeit von einer Dürreperiode betroffen. Aufgrund der langfristigen Wetterprognosen wird damit gerechnet, daß die Krise sich weiter verschärft und daß die Zahl der Hilfsbedürftigen sprunghaft zunehmen wird. In einigen Gebieten der Region ist es jetzt schon die schlimmste Trockenheit seit 60 Jahren. Die Folgen sind Unterernährung, Ausbreitung von Krankheiten, inflationärer Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel und Massenflucht. Besonders hart sind die Auswirkungen für jene Bevölkerungsgruppen, die hauptsächlich von der Viehhaltung – Schafe und Ziegen, Rinder, aber auch Kamele – leben. Der Mangel an Wasser, das Schrumpfen der Weideflächen und die Ausbreitung von Krankheiten unter den geschwächten Tieren führen zu einem massenhaften Viehsterben. Zugleich sinkt die Produktion von Milch, einem wesentlichen Nahrungsmittel vor allem für Kinder, drastisch.

Auf die Notlage machte das UN-Büro für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten (OCHA) am Dienstag mit einer Presseerklärung aufmerksam. Die Vereinten Nationen und internationale Hilfsorganisationen hatten schon vor Monaten immer wieder auf die sich abzeichnende Situation hingewiesen. Seit mindestens fünf Jahren sind Teile Nordostafrikas von zu geringen oder ausbleibenden Regenfällen betroffen. Die letzte Hauptregenzeit Ende des vergangenen Jahres war eine der trockensten, die jemals registriert wurde. Die Frühlingsregenzeit wiederum begann zu spät. Deren Niederschläge blieben um ein Drittel unter dem Durchschnitt der letzten fünfzehn Jahre.

Nach Angaben der OCHA sind zur Zeit 3,5 Millionen Menschen in Kenia, 3,2 Millionen in Äthiopien, 2,5 Millionen in Somalia, 600000 in Uganda und 120000 in Djibouti von den Auswirkungen der Dürre betroffen. Nicht berücksichtigt ist in dieser Aufstellung der Sudan, wo es gleichfalls ausgedehnte Krisenregionen aufgrund der Trockenheit gibt. Die UNO unterscheidet zwischen Krisen- und Notstandsgebieten. Zu letzteren gehören der gesamte – großenteils von Somalis bewohnte – Osten Äthiopiens, Nordostkenia und Teile von Zentral- und Südsomalia. Die als »Katastrophe/Hunger« bezeichnete oberste Stufe der UN-Skala ist derzeit in keiner der betroffenen Regionen erreicht.

Eine spezielle Notlage besteht in Somalia, weil dort in weiten Teilen des Landes die Auslieferung von Hilfsgütern wegen des Bürgerkrieges stark erschwert oder unmöglich ist. Viele Somalis flüchten deshalb über die Grenzen nach Äthiopien und Kenia, obwohl dort ebenfalls krisenhafte Zustände herrschen. In Äthiopien kommen derzeit mit 30000 Menschen pro Monat sechs Mal so viele somalische Flüchtlinge an wie zu Jahresbeginn. 1300 Somalis, darunter mindestens 800 Kinder, überqueren im Tagesdurchschnitt die Grenze nach Kenia. Dort leben im größten Flüchtlingslager der Welt in Dadaab, das einmal für 90000 Bewohner eingerichtet wurde, inzwischen über 350000 Menschen.

Wie immer in solchen Situationen steht den Organisationen der Vereinten Nationen und ihren Partnern viel zu wenig Geld zur Verfügung. Von den 529 Millionen Dollar, die die UNO in diesem Jahr für Hilfsaktionen in Somalia veranschlagt hatte, ist bisher nur nur etwa die Hälfte eingezahlt worden. Für Kenia forderte die UNO 525 Millionen Dollar, bekam aber nur etwa 54 Prozent davon. Die Hilfe ist regelmäßig viel zu gering, und ein großer Teil kommt später, als er benötigt wird. Dabei machen die geforderten Beträge nur einen Bruchteil der Gelder aus, die die NATO für Militäreinsätze ausgibt. Aber solange im Westen mit »humanitärer Intervention« fast ausschließlich das Abwerfen von Bomben und das Abschießen von Raketen, also das Töten, Verstümmeln und Zerstören gemeint ist, wird sich kaum Grundsätzliches ändern.

** Aus: junge Welt, 30. Juni 2011




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