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Süd-Süd-Handel boomt

Die Wirtschaftsbeziehungen mit China sind für die meisten afrikanischen Staaten zum Motor ihrer ökonomischen Entwicklung geworden

Von Wolfgang Pomrehn *

Die chinesische Regierung hat kurz vor Ende des Jahres das erste Weißbuch über die Handelsbeziehungen zwischen der Volksrepublik und dem afrikanischen Kontinent vorgelegt. Die Hauptaussage des Werks ist wenig überraschend: Der Warenaustausch zwischen den beiden ungleichen Partnern hat sich im letzten Jahrzehnt enorm entwickelt. China ist auf dem besten Wege, zum wichtigsten Handelspartner für die meisten Länder dieser Region zu werden.

Es ist noch nicht lange her, da galt Afrika als ökonomisch vollkommen abgehängt vom Rest der Welt. Die Rohstoffpreise waren seit den 1970er Jahren verfallen, die meisten Länder hoch verschuldet, die Handelsströme mit Europa und Nordamerika fast zum Versiegen gekommen. Nennenswerten Warenaustausch mit den Entwicklungsländern Asiens und Lateinamerikas oder auch nur den Nachbarländern gab es ohnehin nicht. In fünf Jahrhunderten hatten Kolonialismus und Neokolonialismus alle Institutionen und Verbindungen des internationalen Handels ganz auf die Bedürfnisse des Nordens zugeschnitten. Ein Abtragen der erdrückenden Kreditschulden, die den jungen Staaten in den Siebzigern aufgedrängt worden waren, schien angesichts der schwindenden Einnahmen aus dem Export völlig unmöglich.

Diese Zeiten scheinen vorbei. Seit Beginn des neuen Jahrtausends entwickelt sich der sogenannte Süd-Süd-Handel in atemberaubendem Tempo, und seine Lokomotiven heißen Indien, Brasilien, wo die Industrie bereits über Arbeitskräftemangel klagt, und vor allen anderen China. Gerade 100 Millionen US-Dollar umfaßte der Handel zwischen dem Land der Mitte und Afrika 1960, 20 Jahre dauerte es, bis er sich auf eine Milliarde verzehnfachte. Im Jahre 2000 waren es bereits zehn Milliarden und danach schritt die Expansion in immer schnellerem Tempo voran: 2008 wurden bereits für über 100 Milliarden US-Dollar Waren hin- und hergeschickt. Der durchschnittliche Anteil Chinas am Außenhandel der afrikanischen Länder stieg in dieser Zeit von 3,8 auf 10,4 Prozent. Die Volksrepublik ist für den Kontinent also deutlich wichtiger geworden. Auffällig ist, daß die Bilanz bisher ausgeglichen ist. Während China nach Europa und vor allem in die USA wesentlich mehr exportiert als von dort einführt, halten sich im Austausch mit Afrika Im- und Export annähernd die Waage.

Die Zusammensetzung ist allerdings weniger ausgewogen. Während die chinesischen Ausfuhren nach Afrika zunehmend aus Elektronik, Maschinen und Fahrzeugen, also Industrieprodukten bestehen, erhält es dafür vor allem Rohstoffe und Vorprodukte wie Kupfer, Stahl, Rohöl und diverse landwirtschaftliche Erzeugnisse. Nicht zuletzt entwickelt sich die Volksrepublik zu einem prosperierenden Markt für Wein, Kaffee, Kakao und ähnliche Artikel, der sich auch in Zeiten der internationalen Finanzkrise als ein Stabilitätsanker für afrikanische Exporteure erwies. Chinas anhaltend hohe Nachfrage nach Basismetallen, Erdöl und anderen Grundstoffen hat für rohstoffreiche Länder auch den Vorteil eines nachhaltigen Anstiegs der Preise, die sie für ihre Exporte erzielen können. Für das Barrel Erdöl der Sorte Brent-Spar müssen inzwischen über 90 US-Dollar bezahlt werden. Entwicklungsländer ohne eigene Vorkommen stellt das allerdings vor neue Probleme.

Immerhin hat China die Bedingungen für die Exporte vieler afrikanischer Staaten in die Volksrepublik in den letzten Jahren erheblich verbessert. Während die EU und die USA von den afrikanischen Staaten immer wieder fordern, daß sie ihre Handelsbarrieren einreißen, sich aber zugleich zieren, ihrerseits Agrarsubventionen, Einfuhrbeschränkungen und Zölle auf afrikanische Produkte abzuschaffen, verfolgt China eine andere Strategie. Dort werden nicht nur Messen für afrikanische Exporteure veranstaltet, um den Marktzugang aktiv zu fördern. Die Volksrepublik hat auch für viele Produkte aus Afrika die Zölle abgeschafft und ist dabei, die Liste der zollfreien Waren weiter zu verlängern.

Längst ist dem Warenaustausch auch der Kapitalexport gefolgt. Afrikanische Länder hatten bis Ende 2009 immerhin bereits insgesamt gut neun Milliarden Euro in Unternehmen in der Volksrepublik investiert, wozu unter anderem auch eine südafrikanische Brauereikette gehört. Chinas private und staatliche Unternehmen investierten im Gegenzug allein in einem Jahr die gleiche Summe in Afrika.

Hierzulande sind vor allem Chinas Investitionen in Erdölfelder und Erzminen bekannt. Die sind in der Tat mit 30 Prozent auch der größte Posten auf der Liste der Erwerbungen, Immerhin 22 Prozent entfielen 2009 auf das produzierende Gewerbe. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche chinesische Unternehmen kleine Fabriken für Textilien und andere arbeitsintensive Konsumgüter in afrikanischen Ländern aufgebaut. Drittgrößter Posten ist das Baugewerbe mit rund 15 Prozent.

Nicht immer stoßen die chinesischen Investitionen bei der örtlichen Bevölkerung auf ungeteilte Gegenliebe, obwohl sie manchen Beitrag zur Entwicklung der Infrastruktur der Länder liefern. Chinesische Baufirmen bringen gerne ihre eigenen Arbeitskräfte mit, und mancher Unternehmer aus der Volksrepublik hat Schwierigkeiten, mit Gewerkschaften und streikenden Arbeitern halbwegs zivilisiert umzugehen. In Sambia gab es zum Beispiel 2010 mehrere Tote bei Auseinandersetzungen in einer dortigen, von Chinesen betriebenen Kupfermine. In dem Weißbuch ist darüber kaum etwas zu lesen. Die chinesische Regierung verweist lediglich darauf, daß die Unternehmen verpflichtet sind, sich an die Gesetze des Gastlandes zu halten, und Arbeitsplätze für Einheimische schaffen sollen. Übersetzt aus der Diplomatensprache heißt das wohl, daß künftig den chinesischen Investoren ein bißchen mehr auf die Finger geschaut werden soll.

* Aus: junge Welt, 3. Januar 2011


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