Rohstoffsicherung im Zentrum der Interessen
Wettlauf mit China um Ölreserven und sonstige Reichtümer
Von Martin Ling *
Auch wenn USA-Präsident George Bush wie bei seiner ersten Afrika-Reise 2003 humanitäre
Anliegen und die Förderung der Demokratie in den Vordergrund rückt – das strategische Interesse
der USA am Öl Afrikas ist ein offenes Geheimnis. Genauso wie die dabei wachsende Konkurrenz
mit der Volksrepublik China.
Benin, Tansania, Ruanda, Ghana und Liberia: Die Reiseroute ist gut gewählt, um alle Vorwürfe, die
USA seien auf dem schwarzen Kontinent primär an Erdöl und an Terrorbekämpfung interessiert, zu
entkräften. Schon bei seiner ersten Afrika-Reise 2003, die Bush nach Senegal, Uganda, Botswana
sowie in die regionalen Großmächte Südafrika und Nigeria führte, hatte der USA-Präsident eine
Verbindung seiner Reise mit Ölinteressen als »eine der absurdesten Verschwörungstheorien«, die
er je gehört habe, abgetan. Und in der Tat: Bis auf Ghana, wo im Juni 2007 Erdöl entdeckt wurde,
das derzeit einen geschätzten Marktwert von umgerechnet rund 30 Milliarden Euro hat, haben die
anderen Besuchsländer weder schwarzes Gold vorzuweisen noch sind sie von strategischer
Bedeutung im weltumspannenden Kampf gegen den Terror.
Doch auch wenn die aktuelle Reise von Bush keine Ölsafari ist, gilt das Hauptaugenmerk
nichtsdestotrotz den reichen Rohstoffvorkommen des Kontinents. Schließlich beherbergt Afrika 89
Prozent der Weltreserven an Platin, 60 Prozent der Diamanten sowie bedeutende Anteile bei Gold,
Kobalt, Mangan, Chrom, Bauxit, Nickel, Kupfer, Kohle und Uran. Und 2010 soll nach Prognosen
jedes fünfte Barrel (159 Liter) Öl auf dem Weltmarkt aus der Region des Golfs von Guinea kommen
– vorwiegend aus Nigeria und Angola.
In den letzten zehn Jahren ist die Ölfördermenge in Afrika um 36 Prozent gestiegen. Mit China, dem
Erdölimporteur mit den höchsten Wachstumsraten, haben die USA einen starken Rivalen im
Wettlauf um die begehrten Förderlizenzen. Derzeit importieren die USA knapp vier Millionen Barrel
pro Tag aus Afrika, während China bereits bei zwei Millionen angelangt ist.
Schon 2002 kam aus Washington die Prognose, dass der Anteil Afrikas südlich der Sahara an den
Ölimporten der USA von damals zehn Prozent auf 25 Prozent im Jahr 2015 steigen könnte. Heute
liegt der Anteil Afrikas südlich der Sahara an den US-Ölimporten bereits bei 18 Prozent.
Das damals von neutralen Experten abgeleitete strategische Interesse der USA an Afrika wird
inzwischen offen eingestanden: »Afrika hat eine wachsende strategische Bedeutung für die globale
Sicherheit«, erklärte jüngst die Vizestaatssekretärin für Afrika im Pentagon, Theresa Whelan.
Seit Bushs erstem Afrikabesuch haben sich die USA in Afrika militärisch stärker engagiert als in der
gesamten Zeit seit dem Ende des Kalten Kriegs. Dabei werden zwei grundlegende Ziele verfolgt:
Zum einen sollen der ungehinderte Zugang zu den wichtigen Märkten und der Zugriff auf strategisch
wichtige Rohstoffe garantiert werden, zum anderen geht es um die militärische Sicherung von
Verkehrswegen, damit die Rohstoffe bis in die USA gelangen können.
Offensichtlichster Ausdruck für diese neue Strategie ist die Einrichtung des neuen AfrikaKommandos
der USA-Streitkräfte (Africom) unter Vier-Sterne-General William Ward, das am 1.
Oktober 2007 seine Arbeit aufgenommen hat. Die Zentrale ist zunächst in Stuttgart, im USHauptquartier
des europäischen Kommandos, angesiedelt worden. Bis Ende 2008 soll das
Kommando aber nach Afrika verlegt werden. Als Aufgabenstellung nennt das Pentagon die
»Terrorgefahr«, die von zerfallenden Staaten ausgehe. So soll die verstärkte Präsenz von USATruppen
in Afrika verhindern, dass »instabile Länder« von Extremisten als Unterschlupf und zum
Anwerben von Kämpfern genutzt werden.
In Afrika selbst hat sich das gewachsene Interesse seitens der USA, Chinas und mit Abstand der EU
in relativ hohen Wachstumsraten niedergeschlagen Doch bei der Normalbevölkerung kommt davon
nichts an. Über 300 Millionen der gut 900 Millionen Afrikaner leben statistisch von weniger als einem
US-Dollar pro Tag. An ihnen gehen der Boom und die USA-Strategie komplett vorbei. Bushs Reise
wird daran nichts ändern.
* Aus: Neues Deutschland, 15. Februar 2008
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