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Visueller Kolonialismus: Afrikaner auf historischen Bildpostkarten

Von Ulrich van der Heyden *

Kaum hat der Berliner Historiker Joachim Zeller ein bereits tausendfach verkauftes Buch über koloniale Reklamesammelbilder herausgebracht, ist das nächste Werk über visuellen deutschen Kolonialismus unter dem Titel »Weiße Blicke – Schwarze Körper. Afrikaner im Spiegel westlicher Alltagskultur« auf dem Markt. Es ist ein Zeugnis für die wissenschaftliche Effizienz des Autors und dafür, wieviel zu diesem Gegenstand noch aufzuarbeiten ist. Zeller wendet sich mit wenigen Ausnahmen denjenigen Abbildungen zu, die auf Postkarten veröffentlicht wurden. Sie stammen vornehmlich aus der Hamburger Sammlung Peter Weiss.

Die Bildpostkarte kursierte seit Ende des 19. Jahrhunderts millionenfach in Europa und Nordamerika. Karten aus den Kolonien, hier vor allem die aus deutschen in Afrika, waren das zentrale Massenmedium der visuellen Populärkultur. Sie sollten dazu beitragen, die vorgeblichen Errungenschaften der imperialen Politik des deutschen Kaiserreiches zu propagieren.

Die von Zeller ausgewählten Illustrationen bilden Afrikaner so ab, wie die Weißen sie sahen oder sehen wollten, nämlich als Wilde, Exoten, Unzivilisierte, als koloniale Untertanen oder als Witzfiguren. Die Aufnahmen dokumentieren aber nicht nur das ganze Spektrum des Kolonialismus der Bilder, sondern thematisieren auch die Möglichkeit der Gegenwehr der Afrikaner, die »zurückschauen« konnten. Eine wichtige Hilfe zur Deutung sind die Erläuterungen von Zeller zu jeder Abbildung. Über die relativ wenigen Redundanzen kann hinweggesehen werden. Es gibt neben einer sachkundigen Einleitung zu Beginn des Buches zu jedem der 18 Kapitel eine interessante und leicht nachvollziehbare, dennoch auf höchstem wissenschaftlichen Niveau sich bewegende Analyse zu bestimmten Schwerpunkten, wie Völkerschauen oder Gewalt als Voraussetzung kolonialer Ordnung.

Zeller, der sich mit diesem Buch wohl endgültig als der führende deutschsprachige Spezialist für Forschungen zum visuellen deutschen Kolonialismus, insbesondere als grandioser Kenner von historischem Fotomaterial ausgewiesen hat, stellt die Abbildungen in den historischen und ideologischen Zusammenhang. Er fragt nach dem Zweck der zum Teil obskuren oder lächerlichen Illustrationen. Der lag zum einen darin, Afrikaner durch den Blick des »weißen Mannes« zu exotisieren, zu typisieren, zu trivialisieren, zu verdinglichen oder für Werbezwecke zu mißbrauchen. Da Zeller auch auf das koloniale Geschehen eingeht, ist zu erfahren, warum gerade zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Bild, eine Postkarte entstanden sind. Abschließend verweist er auf zeitgenössische Darstellungen, etwa mit Nelson Mandela, die einen gewandelten Blick demonstrieren.

Die vom Verlag in hervorragender Qualität reproduzierten Illustrationen und die sachkundigen Texte des Autors helfen, rassistische Wahrnehmungsmuster aufzubrechen. Ein weiteres Verdienst: Zeller hat dem inzwischen beträchtlich angewachsenen Bestand von Studien des deutschen Kolonialismus ein bedeutendes Buch hinzugefügt.

Zeller, Joachim: Weiße Blicke, Schwarze Körper - Afrikaner im Spiegel westlicher Alltagskultur. Sutton Verlag, Erfurt 2010, 250 Seiten, 34,90 Euro

* Aus: junge Welt, 6. September 2010


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