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"Man fragt sich, wo das ganze Geld bleibt"

Im Süden Afrikas verdienen sich Bergbaukonzerne eine goldene Nase – für die Menschen bleiben Staublunge und Armut. Gespräch mit Victoria Schneider *


Victoria Schneider ist Journalistin und recherchiert gemeinsam mit zwei Kollegen mit Hilfe des Rechercheportals »Krautreporter« und der Kampagne »Facing Finance« zu den sozialen- und Umweltschäden, die internationale Bergbaukonzerne im südlichen Afrika anrichten.

Mit Ihrem Projekt »Dirty Profits Exposed« recherchieren Sie zu den Geschäften von Bergbauunternehmen im südlichen Afrika. Welche Vergehen haben Sie bislang entdeckt?

Wir haben Dörfer gefunden, die zwangsumziehen mußten oder zwangsumgesiedelt wurden. Den Menschen wurde Land genommen, der Zugang zu Wasser, Boden und Luft wurde verseucht, und viele sind durch den Bergbau krank geworden.

Was sind das für Krankheiten?

Meist Hautkrankheiten, die Haut trocknet durch die Cynide aus. Das ist dieses Gift, mit dem das Gold aus den Gesteinsbrocken herausgelöst wird. Meistens gerät es in das Grundwasser oder in den Boden. Wenn die Leute damit in Kontakt kommen, gibt es weiße Flecken im Gesicht und am ganzen Körper. Die Opfer sind zum Teil völlig entstellt.

Hinzu kommen Lungenkrankheiten, die durch die feinen Staubpartikel aus dem offenen Tagebau auslöst werden, die in die Atemwege geraten. Viele Erwachsene leiden an chronischem Husten und so gut wie alle Kinder. Einige haben sogar Staublunge und spucken Blut.

Die meisten Bergbaukonzerne, die in Afrika tätig sind, versuchen sich auf ihren Webseiten mit sozialen Initiativen zu brüsten, mit Wohnungsbauprojekten etwa. Haben Sie davon etwas gefunden?

In manchen Dörfern gibt es Schulen, die sind immer hübsch und von außen schön angemalt. Wir haben auch Wohnhäuser gesehen – sogenannte »Kompensationshäuser« für ein paar Leute, die umgesiedelt wurden. Die Gebäude sehen ganz nett aus, sie bieten aber nur ein Viertel der Wohnfläche, die die Umgesiedelten vorher hatten.

Waren die denn damit einverstanden, daß sie umziehen müssen?

Keineswegs. Das Problem ist, daß die meisten afrikanischen Länder total korrupt sind. Jeder, dem es gelingt, sich in den Dorfvorstand einzuschleusen, versucht, sich etwas abzugreifen. Und in jedem dieser Vorstände sind ein paar Leute, die gemeinsame Sache mit dem Bergbauunternehmen machen.

Da ist viel Geld im Spiel, die Leidtragenden sind aber immer die Menschen an der Basis. Viele Dorfbevölkerungen sind auch gespalten – Kollaborateure auf der einen Seite, auf der anderen diejenigen, die nur das bekommen, was übrig bleibt.

Also ist von den jeweiligen Regierungen für die Bewohner auch keine Hilfe zu erwarten?

Nein, es geht letztlich nur um Geld. In Tansania haben wir eine Goldmine besucht, eine der größten Afrikas. Wenn man sich vor Augen hält, daß die nahegelegene Stadt nicht einmal die Mittel hatte, eine Straße dorthin zu bauen, fragt man sich, wo das ganze Geld bleibt, das mit der Mine verdient wird.

Wie kann man das alles Ihrer Ansicht nach ändern?

Das ist eben das Interessante an unserem Projekt – wir wollen nämlich nicht nur die Menschenrechtsverletzungen, die Umweltschäden und die Verbrechen dieser Konzerne dokumentieren. Wir wollen dazu beitragen, etwas zu ändern, indem wir zum Boykott großer Finanzkonzerne aufrufen, die diese Geschäfte möglich machen. In Deutschland wären das die Deutsche Bank, die Commerzbank oder auch die Allianz.

Weitere Infos: krautreporter.de/de/dirty-profits/dirtyprofitsexposed.com

Interview: Christian Selz

* Aus: junge Welt, Freitag, 28. Juni 2013


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