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Kampf für Afrika

Südafrikanerin ist neue AU-Kommissionsvorsitzende. Chance für Wahrnehmung eigener Interessen

Von Christian Selz, Kapstadt *

Mit Nkosazana Dlamini-Zuma hat die Afrikanische Union (AU) am Sonntag erstmalig eine Frau in das höchste Amt der Organisation gewählt. Verstanden werden darf das zwar sicherlich auch als Stärkung der Frauen zwischen Kairo, Kin­shasa und Kapstadt. Doch die eigentliche Emanzipation, auf die die ehemalige Anti-Apartheid-Aktivistin, Ärztin und derzeitige südafrikanische Innenministerin hoffen läßt, ist eine andere. »Ich bin nicht anglophon, ich bin Zulu«, stellte Dlamini-Zuma kurz vor der Wahl klar. Reagiert hat sie damit auf den Interessenkonflikt zwischen englisch- und französischsprachigen Ländern, der Afrika seit der Kolonialherrschaft teilt. Der Satz war gleichzeitig aber auch eine Kampfansage an die Wirtschaftsinteressen in Paris, London und anderswo. Die als resolut, manchmal forsch, aber vor allem vorbildhaft effizient geltende Politikerin will Afrika als Afrikanistin nach vorn bringen.

Der zähe und erbitterte Wahlkampf, den sich Dlamini-Zuma mit dem bisherigen Amtsinhaber, dem Gabuner Jean Ping, lieferte, offenbarte die Einflüsse in der afrikanischen Union wie selten zuvor. Bereits beim ersten Duell der beiden im Januar hatte es ein Patt gegeben, auch jetzt konnte sich Dlamini-Zuma in der äthiopischen Hauptstadt Addis-Abeba, dem Sitz der afrikanischen Staatengemeinschaft, erst im vierten und letzten Wahlgang knapp mit der nötigen Zweidrittelmehrheit durchsetzen. Unverblümt warfen Politiker aus dem südlichen Afrika, die allesamt Dlamini-Zuma unterstützten, Ping in den vergangenen Wochen und Monaten vor, seinen Wahlkampf von Frankreich bezahlen zu lassen. Der schoß – pikanterweise und wiederum scharf kritisiert über die AU-Pressestelle – zurück, daß das mächtige Südafrika nur seinen Einfluß zugunsten der eigenen Wirtschaft erweitern wolle. In der Tat ist Südafrika die mit Abstand stärkste Volkswirtschaft Afrikas und mit Dlamini-Zumas Kandidatur setzte sich das Land auch über ein ungeschriebenes Gesetz hinweg, nach dem der AU-Vorsitz den kleinen Ländern des Kontinents vorbehalten ist.

Neben der Tatsache, daß Nigeria diese inoffizielle Regelung in den 80er Jahren bereits gebrochen hatte, stellt sich allerdings die grundlegende Frage, wem diese Vorgabe bisher überhaupt nutzte. Der Erfolg der südafrikanischen Kandidatur spiegelt nämlich vor allem die Unzufriedenheit vieler afrikanischer Regierungen mit der ausgesprochen laschen Haltung der AU unter Ping gegenüber europäischen und nordamerikanischen Eingriffen in afrikanische Konflikte wider. Der von Frankreich beförderte Machtwechsel in der Elfenbeinküste war solch ein Beispiel und allen voran natürlich der NATO-Krieg gegen Libyen. Gerade letzterer hatte für viele AU-Staaten deutlich spürbare Folgen, weil von der Regierung Ghaddafi finanzierte Entwicklungsprojekte in ganz Afrika nach dem herbeigebombten Umsturz versandeten. Doch die gewaltsamen Konflikte sind nur der offenkundige, spektakuläre Teil von Pings Versagen. Dazu kommen die verschlafene wirtschaftliche Entwicklung, die fortgesetzte ökonomische Zersplitterung des Kontinents, die nur den Rohstoffabnehmern an den anderen Ufern der Weltmeere nützt, und die nachteiligen Wirtschaftsabkommen, die vor allem die EU diktiert. Solange leicht beeinflußbare Kandidaten aus wirtschaftlich erpreßbaren Kleinstaaten Afrikas Geschicke lenkten, war freilich auch der Einfluß ausländischer Interessen maßgebend für die soziale und ökonomische Entwicklung des Kontinents.

Ob Dlamini-Zuma diese Dominanz nun, wie von Ping angedeutet, lediglich durch den Einfluß südafrikanischen Großkapitals ersetzt, wird sich zeigen. Der südafrikanische Sieg bei der AU dürfte aber in jedem Fall eine Chance für die Länder des Südens sein und bestehende Hegemonien gefährden. Südafrika kann als Mitglied der BRICS-Gemeinschaft aus Brasilien, Rußland, Indien und China dem gesamten Kontinent neue Optionen bei wirtschaftlichen Kooperationen bringen, die zumindest die Verhandlungsposition der afrikanischen Staaten deutlich verbessern würden.

* Aus: junge Welt, Freitag, 20. Juli 2012


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