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Aufstand gegen die Selbstbedienungsmentalität

In Afrika mehren sich die Proteste gegen horrende Politikergehälter trotz weit verbreiteter Armut

Von Thomas Nitz *

Trotz Spitzengehältern verlangen Politiker in Afrika immer mehr Geld und Privilegien. In Kenia, Ghana, Südafrika und Nigeria protestieren Wähler gegen die Selbstbedienungsmentalität und Verschwendungssucht ihrer Parlamentarier und fordern mehr Kontrolle.

Anfang März wird in Kenia gewählt. Das treibt die Menschen in dem ostafrikanischen Land lautstark auf die Straße. Allerdings geht es vor diesen Wahlen weniger darum, für die Kandidaten zu werben, vielmehr protestieren die Kenianer gegen die üppigen Gehälter und Privilegien ihrer Politiker. Die Einheitsregierung, die Kenia nach den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Anschluss an die Wahlen von 2007 Frieden bringen sollte, ist die teuerste Regierung, die sich das Land jemals geleistet hat. Viele Kenianer sind frustriert über Politiker, die sich die Taschen voll stopfen, während sich an den Lebensumständen der Mehrheit nichts ändert.

Parlament und Regierung sind in Kenia mit mehr als zweihundert Abgeordneten, 40 Ministern und 52 Vizeministern aufgebläht wie sonst nirgendwo auf der Welt. Allein Indien leistet sich ein noch größeres Kabinett. Allerdings leben auf dem Subkontinent mehr als 1,2 Milliarden Menschen, während Kenia knapp 40 Millionen Einwohner zählt.

Zudem gehören kenianische Abgeordnete zu den bestbezahlten Parlamentariern der Welt. Jedes der 222 Mitglieder bezieht pro Monat zusätzlich zu einem steuerfreien Gehalt von umgerechnet 9000 Euro eine Unterhaltspauschale von 6000 Euro, dazu kostenloses Wohnen und einige Leistungen mehr. Jeder Minister kassiert monatlich 11 000 Euro, jeder Vizeminister 9400 Euro - steuerfrei, versteht sich. Das ist nicht nur in Afrika absoluter Rekord. Der Staatspräsident bekommt monatlich 18 000 Euro, Haus und Dienstwagen nicht mitgerechnet.

Zum Ende ihrer Legislaturperiode wollten sich die Parlamentarier gar einen Bonus von rund 80 000 Euro genehmigen, zudem das Recht auf ein Staatsbegräbnis, einen bewaffneten Leibwächter, Diplomatenpässe und andere Privilegien. Der Gesetzentwurf scheiterte schließlich am Veto von Präsident Mwai Kibaki, der sich allerdings selbst Abfindung von mehr als 200 000 Euro sicherte.

»Bury the vulture with your vote« - »Begrabe den Geier mit deiner Stimme!« ist auf Spruchbändern von Demonstranten in Kenias Hauptstadt Nairobi zu lesen. In einem Land mit einer Arbeitslosenrate von rund 40 Prozent, in dem 2,5 Millionen Menschen auf ausländische Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, ist die Schamlosigkeit seiner Volksvertreter besonders perfide. Vielen Kenianern bleibt nur die Wut im Bauch, wenn ihnen vorgerechnet wird, wie viele neue Klassenzimmer, wie viele Krankenhausbetten, wie viele Kilometer asphaltierte Straßen oder Strom- und Wasserleitungen bei einer Halbierung der Parlamentsdiäten finanziert werden könnten. Oder dass ein kenianischer Lehrer im Schnitt mit etwa 1400 Euro Jahresverdienst auskommen muss, während das Parlament 2011 Regierungschef Raila Odinga eine Gehaltserhöhung auf 304 000 Euro im Jahr beschert. Odinga war es dann allerdings doch unangenehm, er nahm die Gehaltserhöhung nicht an.

Kenia ist kein Einzelfall. In Südafrika, Nigeria, Ghana oder Namibia genehmigen sich Politiker ebenfalls Spitzengehälter. In vielen Ländern Afrikas fragen immer mehr Menschen nach einer Rechtfertigung für die hohen Gehälter und Privilegien - und gehen dagegen wie in Ghana und Nigeria auch auf die Straße.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. Februar 2013


Aufschwung ohne Afrikas Armenhäuser

Von Roland Etzel **

Das erfreuliche Wirtschaftswachstum in Afrika, heißt es in einer Verlautbarung der Afrikanischen Entwicklungsbank, sei dem ärmsten Teil der Bevölkerung des Kontinents bislang nicht zugute gekommen. Ebrima Faal, Direktor bei der Afrikanischen Entwicklungsbank, erklärte vergangene Woche: »Wir haben viel Wachstum an der Spitze gesehen, aber dieses Wachstum ist nicht bis zur breiten Masse der Bevölkerung durchgedrungen.«

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat für dieses Jahr ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von guten 5,7 Prozent in Afrika vorausgesagt. Das IWF-Papier sagt auch, wo sich dieser Zuwachs vor allem niederschlägt: in jenen Staaten, »die sehr begehrte Rohstoffe exportieren«. Zusätzlich wird festgestellt, dass von deren Erlösen jedoch nur wenige Staaten profitieren und in diesen wiederum die ankommenden Geldströme auf extrem wenige Menschen konzentriert seien (siehe dazu auch untenstehenden Beitrag).

Exemplarisch für die unverschämte Bereicherung Regierender in Afrika steht der Name Isabel dos Santos, in der Regenbogen-Presse gefeiert als »erste Milliardärin Afrikas«. Sie ist Tochter des angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos. Sie und andere Profiteure des angolanischen Ölreichtums glänzen mit einem geradezu parasitären Konsum an hochpreisigen westlichen Exportgütern.

Deutsche Unternehmer sollen bei diesen Geschäften nach dem Willen der Kanzlerin nicht zu kurz kommen. Erst vor wenigen Tagen schickte sie ihren Afrika-Beauftragten Günter Nooke nach Angola. »Mit meinem Besuch möchte ich für die deutsche Wirtschaft in Angola werben. ... Ich bin überzeugt, unser wirtschaftliches Engagement ist auch als Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sehr willkommen.« So wird das ganze wohl noch als Beitrag zur Entwicklung verkauft.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. Februar 2013


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