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Grüne Revolution in Afrika?

Agrarkonzerne werben für industrialisierte Landwirtschaft

Von Thomas Klatt *

Mit der "Fördergemeinschaft Nachhaltige Wirtschaft" werben die großen Agrarmultis auf der Grünen Woche für ihre Ziele.

Für den Gießener Agrarwissenschaftler Peter Michael Schmitz besteht kein Zweifel: »In Afrika werden rund 30 Prozent der Ernten durch Insekten aufgefressen. Es wäre hilfreich, wenn dort auf moderne Mittel zurückgegriffen werden könnte.« Also brauche man eine Grüne Revolution – mit neuem Saatgut, Insektiziden, Pestiziden, Herbiziden, Düngemitteln, eben einer industrialisierten Landwirtschaft. Denn immer mehr Menschen müssten auf Grund von Wüstenausbreitung und Erosion mit immer weniger Ackerbaufläche ernährt werden. »Heute ist man so weit, dass man intensiv und nachhaltig produzieren kann«, begeistert sich der Agrarwissenschaftler. Die einstige Trennung zwischen Öko- und konventionellem Landbau sei passé.

Schmitz ist Beiratsmitglied der deutschen »Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft«. Diese verteilt auf der Grünen Woche gleich zentnerweise ihre vielfarbigen Werbebroschüren. Hinter dem blumigen Titel verbergen sich unter anderen die Agrarmultis BASF, Bayer, DuPont, Monsanto und Syngenta. Ihnen gehe es weniger um Hilfe für Afrika, als um die Erschließung neuer Absatzmärkte, meint Rudolf Buntzel, Beauftragter für Welternährungsfragen beim Evangelischen Entwicklungsdienst. Zwar habe es vor Jahrzehnten eine erfolgreiche Grüne Revolution in Asien gegeben, doch die habe unter anderen Voraussetzungen stattgefunden. Das Grundelement waren verbesserte Hochertragssorten wie Reis, Mais oder Bohnen, die von internationalen Agrar- Forschungszentren entwickelt und den nationalen Instituten zur Verfügung gestellt wurden. Diese Sorten konnten dann durch Kreuzung mit einheimischen Sorten an die örtlichen Verhältnisse angepasst werden. »In Afrika gibt es aber seit Jahrzehnten so gut wie keine öffentliche Agrarforschung mehr«, sagt Buntzel. »Die Saaten sind jetzt rein private Züchtungslinien. Heute kommen große Konzerne mit Sorten, die gar keine lokale Basis mehr haben.«

In Afrika leben über 80 Prozent der Bevölkerung auf dem Land. Es existiere weiterhin eine die Familien und die Gesellschaft stabilisierende Kleinbauernwirtschaft, die etwa durch bessere Fruchtwechsel und staatliche Förderung der Binnenmärkte gestärkt werden sollte, meint Buntzel. Stattdessen gebe es nun einen gigantischen Verdrängungswettbewerb. So könne die neue Grüne Revolution zwar auf Anfangserfolge verweisen, doch diese seien wenig nachhaltig.

In Kenia sei mit dem intensiven Gemüseanbau für den EU-Markt begonnen worden. Mit Hightech- Entwicklungshilfe-Paketen wurden zunächst 60 000 Kleinbauern ausgerüstet und intensiv beraten, von denen unter 15 000 übrig geblieben seien. Die Mehrheit habe sich mit den Investitionen übernommen und könne die Kredite nicht mehr bedienen. "Das ist auch genau das Konzept der Weltbank: 'Get modern or get out!'", prophezeit der Entwicklungsexperte.

Zu den Förderern der neuen Grünen Revolution gehört auch die Gates-Stiftung – wohl auch, um künftige afrikanische Eliten für die eigenen Produkte zu schulen, vermutet Buntzel. Die modernen Bauern sollen offensichtlich künftig mit Microsoft-Produkten kommunizieren. Derzeit werden viele afrikanische Wissenschaftler in den USA als moderne Saatzüchter ausgebildet. Ziel sei es, ein Netz von Agrarhändlern aufzubauen, damit die Bauern bis zum letzten Dorf mit synthetischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln versorgt werden.

Die Agrar-Multis betonen immer wieder den Vorzug der Gen-Technik. Nur mit ihr seien Ertragssteigerungen zu erwarten. Dadurch aber droht der schwarze Kontinent zum gigantischen Freilandversuchsfeld zu werden, sagt Buntzel. Oft geschehe der Anbau illegal. Durch die Nahrungsmittelhilfe aus den USA, die nicht auf gentechnische Veränderungen überprüft werde, gelange permanent Gen-Mais nach Afrika. Viele Körner kommen in den Boden. Dies habe die afrikanische Landwirtschaft »untergraben«. Eine Untersuchung in sieben südafrikanischen Ländern habe einen erschreckend hohen Grad der gentechnischen Verschmutzung ans Licht gebracht.

Zum Weiterlesen: Uwe Hoering: Agrar-Kolonialismus in Afrika, 164 S., VSA-Verlag Hamburg, 2007, ISBN 978-3-89965-248-2, 12,80

* Aus: Neues Deutschland, 22. Januar 2008


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