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Noch kein Abkommen

Verbleib US-amerikanischer Soldaten in Afghanistan bleibt weiter ungeklärt

Von Knut Mellenthin *

US-Außenminister John Kerry hat beim Verhandlungsmarathon in Kabul am Sonnabend nur einen Teilerfolg erreicht. Mindestens ein zentraler Punkt des »Bilateralen Sicherheitsabkommens« (BSA) zwischen den USA und Afghanistan, und zwar der aus Sicht Washingtons entscheidende, ist nach wie vor offen. Es geht dabei um die sogenannte Immunität US-amerikanischer Soldaten im Ausland, auf der die USA überall auf der Welt bestehen. Straftaten von US-Soldaten können nach diesem Grundsatz höchstens durch ein US-amerikanisches Gericht, aber niemals im Ausland abgeurteilt werden. Praktisch läuft das darauf hinaus, daß die Täter selbst für schwerste Delikte fast niemals angemessen bestraft werden.

Das BSA soll die Rahmenbedingungen regeln, unter denen die USA auch nach dem deklarierten »Abzug« Ende 2014 Tausende Soldaten in Afghanistan stationieren können. Es soll darüber hinaus deren Zahl und die von den US-Streitkräften auch künftig zu benutzenden Stützpunkte festlegen. Als Ziel des US-Militärs gilt für die Zeit nach 2014 eine Zahl von etwa 10000 Soldaten. Präsident Hamid Karsai hat aber bisher der verlangten »Immunität« für alle Angehörigen dieses Kontingents nicht zustimmen wollen. Im Juni setzte ihm sein US-Kollege Barack Obama eine willkürliche Frist: Bis zum 31. Oktober müsse das BSA unterzeichnet sein. Anderenfalls, so deutete er an, würden nach 2014 keine amerikanischen Soldaten mehr in Afghanistan bleiben. An der Streitfrage der »Immunität« hatte Obama schon zu Beginn seiner Amtszeit die Verhandlungen mit Bagdad über einen Verbleib von US-Truppen im Irak scheitern lassen.

Bei seinen Gesprächen mit Kerry am Sonnabend hat Karsai angekündigt, daß er das gesamte BSA, einschließlich der Forderungen Washingtons zur »Immunität«, einer Loja Dschirga vorlegen werde. Gemeint ist eine traditionelle Versammlung, deren Mitglieder nach nicht durchschaubaren Kriterien und Verfahrensweisen zusammengestellt werden. Diese Abstimmung wird aber voraussichtlich erst im November stattfinden.

Ganz kurz vor dem schon vor einer Woche vereinbarten Treffen zwischen Kerry und Karsai hatte die US-Regierung durch eine Provokation für Ärger gesorgt: Eine Spezialeinheit der US-Streitkräfte oder der CIA überfiel Mitte der Woche einen Konvoi des afghanischen Geheimdienstes und entführte Latif Mehsud, einen hochrangigen Kommandeur der pakistanischen Taliban. Den Afghanen war es, ihren eigenen Angaben zufolge, gelungen, den Mann in monatelanger »Bearbeitung« für eine Zusammenarbeit zu gewinnen.

Die US-Regierung bestätigte die Gefangennahme Mehsuds, wollte sich aber zu Details nicht äußern. Während Karsai sich hochempört gab, tat Kerry, als verstünde er die Aufregung gar nicht: »Wir haben die normalen Prozeduren befolgt, die von den USA befolgt werden. Wir haben getan, was wir tun mußten.«

* Aus: junge Welt, Montag, 14. Oktober 2013

"Vertrag aus Vernunft" ...

... nennt Stefan Kornelius das Abkommen zwischen dem afghanischen Präsidenten Karsai und US-Außenminister Kerry. In seinem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung heißt es dazu u.a.:
"... In dem Vertrag geht es um Rechte und Pflichten ... und um Berechenbarkeit. All das hat mit Stabilität zu tun. (...) Karsai sollte jetzt weitere Kapriolen unterlassen und alles für den Vertrag tun. Es ist die sicherheitspolitische Vernunft, nicht der erklärte Volkswille, der die West-Soldaten weiter in Afghanistan sieht." (SZ. 14.10.2013)

Der SZ-Kommentator scheint nicht sehen zu wollen, dass ohne den "Volkswillen" in Afghanistan keine Sicherheit herzustellen ist. Insofern entspricht die Fortsetzung der US-Truppenpräsenz in Afghanistan eben nicht der "sicherheitspolitischen Vernunft", sondern bleibt Ursache für die andauernde Instabilität am Hindukusch. (AGF)




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