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1000 tote US-Soldaten

Von Knut Mellenthin *

Während Regierung und Mainstream-Medien der USA wieder einmal die »neue Strategie« von Präsident Barack Obama feiern, haben die amerikanischen Streitkräfte am Freitag (28. Mai) ihren tausendsten Kriegstoten in Afghanistan registriert. 430 davon wurden seit Obamas Amtsantritt im Januar 2009 getötet, fast ebenso viele wie in den vorangegangenen mehr als acht Jahren Krieg unter dem Oberkommandierenden George W. Bush. Im Irak starben seit März 2003 fast 4400 US-Soldaten. Während dort die Zahl der Angriffe auf US-Soldaten aber in den vergangenen Jahren zurückging, hat sie in Afghanistan zugenommen. In der Folge sterben mittlerweile mehr Amerikaner am Hindukusch als im Zweistromland.

Bereits am Donnerstag (27. Mai) war im Senat ein Antrag des Demokraten Russ Feingold abgeschmettert worden. Er wollte Obama darauf festlegen, sich klar zur voraussichtlichen Dauer des Afghanistan-Krieges zu äußern. 80 Senatoren stimmten dagegen, nur 18 – darunter kein einziger Republikaner – unterstützten Feingold. Er verspüre unter seinen Wählern »keine Ungeduld wegen Afghanistan«, erklärte der Fraktionsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid. Die jüngste Umfrage der Washington Post ergab, daß 52 Prozent der US-Bürger der Meinung sind, der Krieg am Hindukusch sei »die Kosten nicht wert«.

Der Senat sieht es anders und bewilligte am Donnerstag mit 67 gegen 28 Stimmen einen Nachtragshaushalt für den Afghanistan-Krieg in einer Gesamthöhe von fast 60 Milliarden Dollar. Das Votum des Abgeordnetenhauses steht noch aus. 130 Milliarden für die Kriegführung in Afghanistan und Irak im laufenden Haushaltsjahr hatte der Kongreß schon früher bewilligt. Insgesamt werden die bisherigen offiziellen Kriegskosten der USA für den Irak mit 700 und für Afghanistan mit 300 Mil­liarden Dollar angegeben.

Eine Trendwende ist trotz des Medienbeifalls für Obamas »neue Strategie« nicht in Sicht. Der Präsident hat am Donnerstag seine erste »National Security Strategy« vorgelegt, ein 52 Seiten starkes Papier, das sehr wenig konkrete Aussagen enthält, schon gar keine neuen, aber das von manchen Kommentatoren um so hellhöriger auf jeden einzelnen Satz hin abgeklopft wird. Nach einem 1986 verabschiedeten Gesetz ist jeder US-Präsident verpflichtet, dem Kongreß einmal im Jahr ein solches »Strategie-Papier« zu präsentieren.

Wohlwollende Interpreten meinen zu erkennen, daß Obama von der »Präventivkrieg«-Strategie seines Vorgängers abrückt, daß er internationale Zusammenarbeit statt Hegemoniestreben in den Vordergrund stellt und sich sogar von Bushs Antiterrorismusrhetorik distanziert. Aber abgesehen davon, daß jetzt manches etwas gefälliger formuliert wurde, sind substantielle Unterschiede nicht zu erkennen. Obama betont in dem Papier sogar noch stärker als sein Vorgänger die Rundumverteidigung der »globalen Führerschaft« der USA. Er hält fest am Recht, Kriege auch im Alleingang zu entfesseln, wenn die traditionellen Verbündeten und der UN-Sicherheitsrat sich verweigern. Obama definiert Afghanistan und Pakistan als Hauptschauplatz seines Krieges »gegen Al-Qaida und ihre Partner«, droht aber auch mit Militärschlägen im Jemen, in Somalia, im Maghreb und in der Sahel-Zone. Nicht zu vergessen Iran. Hier will Obama nicht einmal den Einsatz von Atomwaffen ausschließen.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Mai 2010


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