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Der Afghanistan-Krieg in einem Fernsehfilm

Auf die Reaktionen darf man gespannt sein


Willkommen zu Hause

Fernsehfilm Deutschland 2008
Sendetermin: Montag, 2. Februar 2009, 20.15 Uhr

Bundeswehrsoldat Ben Winter kehrt aus dem Afghanistan-Einsatz ins friedliche Deidesheim zurück. Weder er noch seine Umgebung sind darauf vorbereitet, dass er von der Friedensmission unsichtbare Wunden mitgebracht hat. Ben hat ein Attentat überlebt und bringt es jetzt nicht fertig, zuzugeben, dass er sich in seinem alten Leben nicht mehr zurechtfindet.

Seine Freundin Tine, seine Eltern und Freunde wissen nicht, wie sie mit dem veränderten Ben umgehen sollen. Er ist unberechenbar, sein Schweigen und seine Ausfälle irritieren sie. Unfähig, über seinen Seelenzustand zu reden, isoliert Ben sich immer stärker. Erst durch die Begegnung mit Nachbarin Lona, die seinen prekären Zustand erkennt und ihn mit seinem Trauma konfrontiert, kann er sich eingestehen, dass er Hilfe braucht.

"Willkommen zu Hause" ist der erste deutsche Fernsehfilm, der sich mit dem zurzeit brennend aktuellen Thema der Folgen von Friedensmissionen der Bundeswehr für die rückkehrenden Soldaten auseinandersetzt. Intensiv und realistisch thematisiert das Drama die Überforderung eines jungen Soldaten, dessen Psyche mit den Erlebnissen im Krisengebiet nicht fertig wird.

Und die Überforderung seiner heimatlichen Umgebung, die in ihrer friedlichen Alltäglichkeit nicht damit rechnet, sich mit Kriegsfolgen auseinandersetzen zu müssen. Der Ort Deidesheim wird damit zu einem Spiegel der bundesdeutschen Gesellschaft, die Strategien für die Integration von traumatisierten Soldaten entwickeln muss.


ARD Programmvorschau; www.ard.de



Rückkehr vom Hindukusch

TV vorab: Krieg oder Frieden?

Von F.-B. Habel *


Die Familie holt Ben vom Flughafen ab. Man hat ihn vermisst, denn er war drei Monate im Ausland. Aber nun ist er zurück, und das muss gefeiert werden. Ein Anderer ist auch am Flughafen, um seinen Sohn in Empfang zu nehmen. Doch Torben kommt im Sarg zurück. Die jungen Männer waren nicht im Abenteuerurlaub. Sie waren »unsere Jungs in Afghanistan« und gehörten zu den derzeit rund 3000 Mann, die die Bundeswehr dort im ISAF-Einsatz für die Friedensmission stellt. Was hier im Krisengebiet geschieht, davon macht sich der Durchschnittsdeutsche kaum eine Vorstellung. Verdrängen ist so bequem.

Auch Bens Eltern und seine Freundin Tine bemerken zwar gewisse Veränderungen an ihm, stellen aber durchaus keinen Zusammenhang mit seinen Erlebnissen in Afghanistan her. Ja, er selbst hat seine Erlebnisse verdrängt. Ben hat den Tod seines Freundes Torben bei einem Anschlag miterlebt. Er ist traumatisiert, will das aber nicht wahrhaben. Er reagiert abweisend auf Tines Zärtlichkeiten, wird gegenüber Freunden aggressiv, joggt nachts durch die Berge. Er hat Flashbacks, die ihn quälen. Er will nach Afghanistan zurück. Was will er beweisen? Oder sucht er den Tod? Die Eltern, denen sein Verhalten unverständlich ist, reagieren kühl. Schließlich sei Ben erwachsen. Nur die Nachbarin, eine Ärztin, erkennt, dass sich Ben in einer traumatischen Situation befindet. Nachdem er in ihrer Gegenwart einen Supermarkt verwüstete, nimmt er endlich ihre Hilfe an.

Nach Jahrzehnten ist dies wieder ein deutscher Film über einen Heimkehrer, heimgekehrt von einer Friedensmission im Bürgerkriegsgebiet. Doch was passiert da wirklich? Dem Autor Christian Pfannenschmidt und dem Regisseur Andreas Senn kam es darauf an, die Mehrheit für die Brisanz dieser Vorgänge zu sensibilisieren. »Hier bei uns haben wir immer noch das Gefühl: Das betrifft ja nur eine ganz kleine Zahl von Menschen – Soldaten«, sagt Pfannenschmidt. »Aber ich glaube eben: Es betrifft zunehmend uns alle.« Die Handlung bleibt eng am Helden, dessen Seelenleben.

Die Rückblenden, die Flashbacks, die geschickt in die Handlung integriert sind (Schnitt: Melanie Margalith), dienen nur zur Beschreibung seines Inneren. Was in Afghanistan eigentlich vor sich geht, welche Interessengruppen in welcher Weise aufeinanderstoßen, will dieser Film nicht erzählen. Pfannenschmidt und Senn geht es um die Sensibilisierung der Zuschauer, darum, ihr Weiterdenken herauszufordern. Ken Duken kann als Ben die Seelennöte des Heimkehrers, der seinen besten Freund verlor, nacherlebbar machen. An seiner Seite überzeugen vor allem Ulrike Folkerts als lebensweise Nachbarin und Kirsten Block in der Rolle der hilflosen Mutter, die ihr Versagen einsehen muss, während Mira Bartuschek als Tine zu sehr auf den vorwurfsvollen Ton festgelegt bleibt.

»Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt!« Diesen umstrittenen Satz des Verteidigungsministers Struck zitiert der Film am Ende und stellt mit Bildern von Schröder, Fischer und Merkel die Verantwortung der Politik für diese Situation klar. Was der Bürger davon hält, kann er in diesem »Superwahljahr« zum Ausdruck bringen.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Februar 2009


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