USA nutzten auch Stützpunkte in Turkmenistan
Sechs Jahre lang soll Washington Nachschub für den Krieg in Afghanistan im Reich des Turkmenbaschi umgeschlagen haben
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Mindestens sechs Jahre lang sollen die USA im zentralasiatischen
Turkmenistan nichtmilitärische
Güter für ihre »Anti-Terror-Operation« in Afghanistan umgeschlagen
haben. Das meldet die Online-
Agentur EurasiaNet, die dem Multimilliardär George Soros nahesteht.
Die Meldung offenbart ein weiteres Mal den Widerspruch zwischen dem
vorgeblichem Anspruch und
der Realität US-amerikanischer Politik. Denn Turkmenistan gilt unter den
ehemaligen
zentralasiatischen Sowjetrepubliken als die härteste Diktatur. Für die
Nutzung turkmenischer Basen
soll sich Washington mit Hilfen bei der Sicherung der Grenzen des Landes
zu Iran und Afghanistan
und Unterstützung bei der Ausbildung des dafür benötigten Personals
revanchiert haben. Außerdem
seien Zahlungen in Millionenhöhe nach Aschchabad (Aschgabat) geflossen.
Wie viel genau, das
konnte oder wollte das Pentagon der Agentur EurasiaNet auf deren Anfrage
hin nicht sagen.
Bestätigt wurde dort indes, dass die Zahlungen über die Deutsche Bank
abgewickelt wurden. Der
letzte Betrag soll demzufolge im September 2008 überwiesen worden sein.
Die Deutsche Bank war schon Ende 2006 nach dem überraschenden Tod des
turkmenischen
Präsidenten Saparmurad Nijasow in die Schlagzeilen geraten. Nijasow,
auch bekannt als
Turkmenbaschi - Führer aller Turkmenen - soll, wie damals gleich mehrere
westliche
Nachrichtenmagazine berichteten, den Löwenanteil staatlicher Einnahmen
»privatisiert« und bei der
Deutschen Bank auf einem Konto geparkt haben, auf das nur Mitglieder
seiner Familie Zugriff
haben. Die Rede war von insgesamt rund drei Milliarden Dollar.
Ähnlich peinlich wie den Deutschbankern damals sind die neuesten
Enthüllungen jetzt dem
Pentagon. Wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen und anderer
Demokratiedefizite
beschränkte die Regierung unter George W. Bush ihre Kontakte zu dem
zentralasiatischen Staat
offiziell auf das absolute Mindestmaß. Bis heute ist Washington in
Aschchabad nicht durch einen
Botschafter, sondern nur durch einen Geschäftsträger vertreten. Mehr
noch: Die USA hatten ihre
NATO-Verbündeten - allen voran die Bundesrepublik - indirekt, aber
unmissverständlich dafür
gerüffelt, dass sich Berlin bereitfand, für das Recht zur Nutzung der
Luftwaffenbasis Termez im
benachbarten Usbekistan das gestörte Verhältnis zur Demokratie zu
übersehen, das dem
usbekischen Präsidenten Islam Karimow vorgeworfen wird. Dabei nehmen
sich einschlägige
Verfehlungen Karimows im Vergleich zu den Untaten des Turkmenbaschi
geradezu geringfügig aus.
Auch Nijasows Nachfolger Gurbanguly Berdymuchamedow konnte sich in den
zweieinhalb Jahren
seiner Amtszeit bisher nur zu kosmetischen Korrekturen aufraffen. Doch
das blendeten die Bush-
Krieger bewusst aus. Dem Usbeken Karimow konnten sie offenbar weder
vergessen noch
verzeihen, dass er den USA 2005 auf Druck Russlands die Nutzungsrechte
für die usbekische
Luftwaffenbasis Chanabad - die größte und modernste der Republik -
gekündigt hatte.
Vor allem nach diesem Rauswurf erreichten die über Turkmenistan
abgewickelten Flüge für den
Afghanistan-Nachschub ein rekordverdächtiges Niveau. Abgewickelt wurden
sie gleich an drei
Standorten: auf einem Militärflugplatz im Südosten nahe der Grenze zu
Afghanistan, auf der
Luftwaffenbasis Mary und auf dem Flughafen der Hauptstadt Aschchabad.
Allein dort sollen
monatlich bis zu 58 Maschinen gestartet sein. Neben schweren
Transportern mit Treibstoff soll es
sich dabei auch um Maschinen gehandelt haben, die von der CIA für den
geheimen Transport von
Terrorismusverdächtigen in das berüchtigte Gefangenenlager Guantanamo
gechartert worden
waren.
Damit aber war womöglich sogar für Aschchabad die Schmerzgrenze
überschritten. Die
turkmenische Regierung, die offiziell stets strikte Neutralität
verkündet hatte, habe die
Zusammenarbeit mit den USA im Sommer 2008 gekündigt, schreibt EurasiaNet
unter Berufung auf
informierte Kreise in Washington. Begründet wurde dies mit der
Verletzung von Regelungen für die
Nutzung des turkmenischen Luftraums.
* Aus: Neues Deutschland, 27. Juli 2010
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