Abzug mit Hindernissen
Bundeswehr wieder im Norden Afghanistans / Gespräche zu Taliban-Büro *
Die Bundeswehr schickt wieder Soldaten
in die einstige Vorzeige-Provinz
Badachschan. Währenddessen reiste
Präsident Karsai nach Katar, um über
Friedensperspektiven Afghanistans zu
sprechen.
Etwa ein halbes Jahr nach ihrem Abzug aus
der nordostafghanischen Provinz
Badachschan schickt die Bundeswehr
wieder Soldaten in das Unruhegebiet.
Der Kommandeur des
Regionalkommandos Nord der internationalen
ISAF-Truppe, der
deutsche Generalmajor Jörg Vollmer,
bezeichnete die Lage in dem
Gebiet, in dem sich bis zum vergangenen
Oktober das Bundeswehr-
Feldlager Faisabad befand,
in der »Welt am Sonntag« als »sehr
ernst«. Es gebe Gefechte mit unterschiedlichen
Gruppierungen.
Bereits Anfang März hatten
Aufständische dort eine Einheit
afghanischer Soldaten in einen
Hinterhalt gelockt und 17 von ihnen
getötet. Vor einer Woche wurde
in dem Gebiet ein deutscher
Entwicklungshelfer entführt, der
aber später von afghanischen Polizisten
unversehrt befreit werden
konnte. Vollmer führte die Entwicklung
auf die Lage der Provinz
im Grenzgebiet zu Tadschikistan,
China und Pakistan zurück. Durch
Badachschan liefen viele Schmuggelrouten.
Grundsätzlich könnten
die afghanischen Kräfte damit allein
fertig werden, »diesmal haben
sie aber um Unterstützung gebeten
«, so Vollmer. Zum Beispiel
brauchten sie Drohnen und Hubschrauber
zur Evakuierung von
Verwundeten. Die Bundeswehroffiziere
vor Ort sollten nun die Unterstützung
durch die ISAF-Truppen
koordinieren.
NATO-Truppen kämpfen aber
auch unvermindert weiter gegen
die Taliban. Erst am Sonnabend
seien nach Behördenangaben bei
einem Luftangriff neun Aufständische
getötet worden. Dabei kamen
auch zwei Schulkinder ums Leben,
sieben Zivilisten seien verletzt
worden, sagte der Vize-Gouverneur
der Provinz Ghasni, Mohammed
Ali Ahmadi. Die zahlreichen
zivilen Opfer bei NATO-Luftangriffen
sorgen immer wieder für
Streit zwischen der Führung in
Kabul unter Präsident Hamid Karsai
und der NATO. Karsai hatte
unlängst angeordnet, dass die afghanischen
Streitkräfte bei Einsätzen
keine Luftunterstützung der
ISAF mehr anfordern dürfen.
Der Präsident kam am Wochenende
zu Gesprächen mit dem
Emir von Katar zusammen. Wie
die staatliche Nachrichtenagentur
QNA meldete, erörterten er und
Hamad Ben Chalifa al-Thani die
Beziehungen zwischen ihren
Staaten und »Fragen von beiderseitigem
Interesse«. Auch über
»Friedensperspektiven in Afghanistan
« sei gesprochen worden. b
auch die Eröffnung einer Vertretung
der islamistischen Taliban in
dem Golfstaat Thema war, blieb
unklar. Die gegen die Regierung in
Kabul kämpfenden Taliban bekräftigten,
dass Karsai mit der
Vertretung in Doha nicht zu tun
habe. Die bereits in Katar anwesende
Taliban-Delegation werde
Karsai »weder sehen, noch mit
ihm sprechen«, sagte ihr Vertreter
Sabjullah Mudschahid.
Die Taliban lehnen direkte Gespräche
mit Karsai, den sie als
»Marionette« der USA bezeichnen,
ab. Seit ihrem Sturz Ende 2001
kämpfen sie gegen die Regierung
in Kabul und die ausländischen
Truppen. Zu Jahresbeginn hatten
sich die Taliban bereit erklärt, eine
dauerhafte Vertretung in Katar
zu eröffnen, um Verhandlungen
mit den USA zu führen. In Doha
geführte Vorgespräche zwischen
beiden Seiten waren allerdings im
März 2012 gescheitert.
Die Regierung in Kabul protestierte
zunächst dagegen, dass Washington
separat Kontakte zu den
Taliban aufbaute. Angesichts des
bis Ende 2014 vorgesehenen Abzugs
der NATO-geführten Kampftruppen
aus Afghanistan steht
Karsai jedoch zunehmend unter
Druck, sich mit den Taliban zu arrangieren.
Pakistan, das die Herrschaft
der Taliban zwischen 1996
und 2001 unterstützte und als
Schlüsselfaktor im Friedensprozess
gilt, sprach sich für die Taliban-
Vertretung aus.
Gespräche mit den Taliban
wären wohl vor allem für die
Truppen der USA hilfreich. Der für
kommendes Jahr geplante vollständige
Abzug der US-Soldaten
aus Afghanistan ist nach Einschätzung
der Armee »hinsichtlich
des Umfangs und der Komplexität
eine der größten Herausforderungen
in der Geschichte militärischer
Transporte«, erklärte der zuständige
US-General Steven Shapiro
am Sonntag gegenüber AFP. Da
Afghanistan keinen eigenen Zugang
zum Meer hat, hatte die
NATO-Truppe ihr Material lange
Zeit in die pakistanische Hafenstadt
Karachi verschifft und über
den Landweg nach Afghanistan
gebracht. Wegen anhaltender Anschläge
der Taliban auf die Konvois
wurde die Route aber einige
Jahre lang nicht mehr genutzt, bis
sie im Februar wieder in Betrieb
genommen wurde.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 2. April 2013
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