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Rat soll mit Taliban reden

Afghanischer Präsident nennt Gremium "bedeutenden Schritt"

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat die Einsetzung eines Rates für Friedensverhandlungen mit den radikalislamischen Taliban verkündet.

Der neu eingesetzte Rat sei ein »bedeutender Schritt auf dem Weg zu Friedensverhandlungen« mit den Taliban, erklärte Karsai am Wochenende in Kabul. Ziel sei die Beendigung des fast neunjährigen Aufstands in dem Land am Hindukusch. Berater Karsais arbeiteten derweil an einer Teilnehmerliste, wie es hieß. Dem Rat für Friedensverhandlungen sollten »Dschihadführer, einflussreiche Persönlichkeiten und Frauen« angehören. Die Einladungsliste sollte nach dem Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, der mit dem Fest des Fastenbrechens endet, in der kommenden Woche veröffentlicht werden.

Karsais Plan für einen Rat für Friedensverhandlungen war im Juni von einer großen Friedensdschirga in Kabul gebilligt worden. In dieser Dschirga saßen religiöse Würdenträger, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft.

Bei einem Bombenanschlag im Einsatzgebiet der Bundeswehr im nordafghanischen Kundus sind sieben Afghanen ums Leben gekommen, darunter vier Polizisten. Wie die Provinzregierung mitteilte, wurden 16 weitere Menschen verletzt, als am Sonnabend auf dem größten Markt der Stadt Kundus ein ferngezündeter Sprengsatz explodierte.

Als erstes deutsches Bundesland teilte Brandenburg unterdessen mit, keine Polizisten mehr als Ausbilder nach Afghanistan zu schicken. Der brandenburgische Innenminister Rainer Speer begründete den Entsendestopp mit einer Erklärung des Außenministers Guido Westerwelle vom Februar. Demnach beteiligen sich die Deutschen in Afghanistan an einem »bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts«. Dies ist nach Auffassung des Landesministers mit einem Krieg gleichzusetzen. Speer habe deshalb entschieden, keine weiteren Polizeibeamten zu entsenden.

Ein Jahr nach dem Bombenangriff auf zwei Tanklaster im nordafghanischen Kundus hat erstmals ein Opfer Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht. Bei dem Kläger handelt es sich um einen der Fahrer der Laster, wie die Anwälte Andreas Schuld und Markus Goldbach am Wochenende mitteilten. Sie fordern für ihren Mandanten medizinische Betreuung und ein Schmerzensgeld.

Hunderte Afghanen haben am Wochenende die Filialen der Kabul-Bank belagert, um ihr ganzes Geld abzuheben. Der Run auf die größte Bank des Landes hatte am Mittwoch eingesetzt, nachdem US-Medien berichtet hatten, dass die beiden Topmanager der Bank wegen Korruption und Regelverstößen bei Kreditvergaben abgelöst werden sollen. Präsident Karsai versicherte vergeblich, die Kabul-Bank und die Einlagen seien sicher. Der Zentralbank stünden 4,8 Milliarden Dollar zur Verfügung, um eine Finanzkrise zu verhindern. Der bisherige Bankpräsident Scher Khan Farnud soll 160 Millionen Dollar zurückzahlen, die er veruntreut haben soll, um Immobilien in Dubai zu kaufen. Karsais Bruder Mahmud habe mietfrei in einem dieser Häuser in den Emiraten gewohnt, berichtete die »Washington Post«. Über die 2004 gegründete Kabul-Bank werden die Gehälter der Soldaten, Lehrer und Beamten ausgezahlt.

Ein von den USA in Afghanistan festgehaltener Terrorverdächtiger aus Hamburg hat einem Pressebericht zufolge von drohenden Anschlägen in Deutschland berichtet. Laut »Spiegel-Online« geht die Bundesregierung den Angaben von Ahmad S. derzeit mit Hochdruck nach. S. habe in Verhören durch US-Experten über Anschlagsszenarien von Dschihadisten in Deutschland und anderen europäischen Ländern ausgesagt. S. werde im US-Militärgefängnis im afghanischen Bagram verhört, hieß es in dem Bericht weiter. Die USA schätzten ihn als wichtige Quelle ein. Er soll zur Islamischen Bewegung Usbekistans gehören.

* Aus: Neues Deutschland, 6. September 2010


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