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NATO rechnet mit wochenlangen Kämpfen

Weitere sechs Besatzungssoldaten bei Großoffensive in Afghanistan getötet

Von Rüdiger Göbel *

Die Großoffensive gegen Aufständische in der südafghanischen Provinz Helmand könnte nach Einschätzung eines britischen Generalmajors noch mehrere Wochen dauern. Die Truppen in Marja und im Nachbarbezirk Nad Ali benötigten noch etwa »25 bis 30 Tage«, um die Kontrolle zu erlangen, erklärte der Kommandeur der NATO-Truppen in Südafghanistan, Nick Carter, am Freitag in Marja. Er warnte davor, schon jetzt von einem »Triumph« über die Aufständischen zu sprechen. »Wir werden erst in rund drei Monaten wissen, ob wir erfolgreich waren«, sagte er. Die Taliban leisten nach NATO-Angaben hartnäckigen Widerstand.

Nach Angaben der NATO wurden in der Nacht auf Freitag sechs ausländische Soldaten getötet. Damit starben seit Beginn der Offensive am 13.Februar elf NATO-Soldaten. Angaben über die Zahl getöteter Aufständischer und Zivilisten machte die NATO am Freitag (19. Feb.) nicht.

Die Erfolgsmeldungen der vergangenen Tage, wonach drei Taliban-Kommandeure durch US-Spezialeinheiten verhafet wurden, werden relativiert durch jüngste Berichte über die Stärke des Gegners: Die NATO geht von bis zu 36000 Kämpfern und 900 Kommandeuren aus.

Derzeit sind mehr als 100000 ausländische Soldaten in Afghanistan. Weitere 40000 sollen in den kommenden Wochen den Krieg eskalieren. Der Bundestag entscheidet am kommenden Freitag über ein neues Mandat der Bundeswehr. Dies sieht eine Aufstockung des deutschen Kriegskontingents von derzeit 4500 auf 5350 Soldaten vor. Kostenpunkt für die kommenden zwölf Monate: 1,1 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Bundesmittel für den Ausbildungsbereich in Afghanistan werden im gleichen Zeitraum auf knapp zehn Millionen Euro verdoppelt.

Die Friedensbewegung bekräftigt an diesem Samstag (20. Feb.) in Berlin mit der Demonstration »Kein Soldat mehr!« die Forderung nach sofortigem Abzug der Hindukusch-Besatzer.

* Aus: junge Welt, 20. Februar 2010


Vormarsch auf Mardscha

400 Polizisten sollen Gebiete in Südafghanistan besetzen **

Mehrere hundert afghanische Polizisten sind am Freitag (19. Feb.) zur früheren Taliban-Hochburg Mardscha im Süden des Landes ausgerückt. Die rund 400 speziell ausgebildeten Sicherheitskräfte, die von etwa 80 US-Marineinfanteristen begleitet wurden, seien auf dem Weg nach Mardscha in der Unruheprovinz Helmand, sagte ein afghanischer Polizeioffizier beim Aufbruch der Truppe aus dem Camp Schorabak am Rande von Laschkar Gah.

Die schwer bewaffneten Männer sollen nach Behördenangaben an diesem Sonnabend (20. Feb.) in der Stadt Mardscha eintreffen, um die Kontrolle über Gebiete zu übernehmen, in denen keine Talibankämpfer oder Minen mehr sind. Die afghanische Polizei werde die Regierung in Mardscha wieder einsetzen, sagte ein Vertreter der US-Marineinfanteristen.

Zuvor hatte ein britischer Generalmajor erklärt, die Großoffensive gegen die Taliban in Helmand könne noch mehrere Wochen dauern. An der Offensive »Muschtarak« (Gemeinsam), die am vergangenen Sonnabend begann, nehmen rund 15 000 US-, britische und afghanische Soldaten teil.

Der missglückte Luftangriff bei Kundus, bei dem am Donnerstag sieben afghanische Polizisten getötet worden sind, soll auf einen Befehl von Spezialeinheiten der US-Armee erfolgt sein. Nach Informationen von »Spiegel Online« war eine US-Einheit mit afghanischen Sicherheitskräften auf einer Operation gegen Taliban-Kämpfer unterwegs. Als die Soldaten unter Feuer gerieten, forderten sie Luftunterstützung an. Der angeforderte Kampfjet habe eine Rakete auf ein Polizeifahrzeug abgefeuert, sagte der Polizeichef der Region. Ein Sprecher des afghanischen Innenministeriums sprach gegenüber »Spiegel Online« von einem »tragischen Unglücksfall«.

** Aus: Neues Deutschland, 20. Februar 2010

Weitere Meldungen

Taliban entlarven Nato-Offensive als Einflusskampf gegen China

KABUL, 16. Februar (RIA Novosti). Die Taliban-Propagandisten schlagen zurück: Nach ihrer Ansicht ist der Nato-Einsatz in Südafghanistan nur ein Teil des US-Einflusskampfes gegen China und eine Tarnung für Spionage-Umtriebe gegen den Iran.

Ein am Dienstag veröffentlichter Beitrag auf einer Webseite des so genannten Islamischen Emirats Afghanistan befasst sich mit der aktuellen Nato-Offensive in Marja, der Taliban-Hochburg in der südafghanischen Provinz Helmand.

„Geographisch ist Marja ein sehr wichtiges Gebiet, denn es grenzt an die pakistanische Provinz Belutschistan, wo China breite wirtschaftliche Interessen hat“, erklärte der Kommentator. China kooperiere aktiv mit Pakistan und betrachte die in Belutschistan liegende Hafenstadt Gwadar als wichtigen Zugang zu zentralasiatischen Märkten.

Die USA seien dagegen bestrebt, Chinas wirtschaftlichen Einfluss in der Region zu schwächen. Der US-Einsatz in Marja ziele auch darauf ab, einen neuen Nachschubweg für die Truppen am Hindukusch über Gwadar zu sichern. Darüber hinaus wolle das Pentagon Spionage-Einrichtungen in Marja installieren, um das iranische Uran-Programm näher ins Visier zu nehmen.

„Der unter dem Motto der Terror-Bekämpfung eingeleitete Krieg ist in Wirklichkeit auf politische, wirtschaftliche und expansionistische Pläne zurückzuführen“, behauptet die Taliban-Propaganda.


Taliban: Fiasko des NATO-"Blitzkriegs" in Südafghanistan - Journalisten eingeladen

KABUL, 17. Februar (RIA Novosti). Der Pressedienst der Taliban hat jetzt ausländische Journalisten in den Kreis Marjah in der Provinz Helmand eingeladen, damit sich diese von einem Fiasko der Antitaliban-Operation Mushtarak der Streitkräfte der USA und der Nato überzeugen können.

Wie es auf dem Internet-Portal "Dschichads Stimme" des so genannten Islamischen Emirats Afghanistan heißt, bieten die "engagierten und von Geheimdiensten bezahlten westlichen Medien" ein einseitiges Bild der Entwicklung in Nad-Ali und Marjah, wo vor acht Tagen die 2. Etappe der Operation Mushtarak (Gemeinsam) begonnen hat.

Laut dem Taliban-Pressedienst sitzen die Amerikaner derzeit im Zentrum des Kreises Marjah fest und haben dabei keine Möglichkeit, in die von den Taliban-Milizen kontrollierten Randbezirke vorzurücken. Die ausländischen Einheiten können die Baugruben nicht überwinden, die seinerzeit von amerikanischen Firmen ausgehoben und später von der Taliban mit Minen voll gestopft wurden.

Zugleich berichtet der ISAF-Pressedienst äußerst spärlich über die Entwicklung in Marjah. Dabei wird betont, dass die größte Schwierigkeit für die NATO-Soldaten darin besteht, dass sie zwischen Zivilisten und Milizen nicht unterscheiden können. Aus diesem Grund seien am Dienstag mindestens vier zivile Ortsbewohner getötet worden, die "sich in gefährlicher Weise den NATO-Soldaten angenähert haben". Wie es sich später herausstellte, waren das keine Mudschaheddin.

NATO-Vertreter berichten indessen aus der Region, dass die US-Marineinfanteristen das Zentrum von Marjah sowie einige andere wichtige Ortschaften in diesem Kreis kontrollieren. Die britischen Militärs, die den Kreis Nad-Ali eingekesselt haben, seien bemüht, die Taliban-Milizen zu vertreiben.

Die Taliban behaupten indessen, am Montag in Helmand einen Chinook-Hubschrauber abgeschossen zu haben. Laut diesen Angaben hatte die Maschine Lebensmittel und Munition für eine von den Modschaheddin umzingelten Gruppe von US-Militärs transportiert. Der Hubschrauber sei am Boden zerschellt und in Flammen aufgegangen, hieß es.

Außerdem seien in Nad-Ali mehrere NATO-Panzer vernichtet worden.

Afghanistans Verteidigungsministerium meldet die Vernichtung von rund 40 Taliban-Milizen im Süden Afghanistans seit dem Beginn der 2. Etappe der Operation. Angaben über Verluste der afghanischen Armee sowie der USA- und der NATO-Truppen liegen nicht vor. Die Verluste unter der Zivilbevölkerung wurden mit 15 Toten und rund zehn Verletzten angegeben.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, http://de.rian.ru




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